# taz.de -- Umweltausschuss im Bundestag: Zurück zu den Wurzeln | |
> Mit Bärbel Höhn stellen die Grünen erstmals den Vorsitz im | |
> Umweltausschuss. Dort wollen sie nun mit Klimapolitik punkten. | |
Bild: Gegen Kohlekraftwerke wie diese will Bärbel Höhn vorgehen | |
BERLIN taz | Eigentlich hatte sie weitaus größere Karrierepläne. „Noch mal | |
richtig aufdrehen“ wollte Bärbel Höhn für den Fall, dass die Grünen nach | |
der Wahl in Berlin mitregieren. Parteiintern galt die frühere | |
nordrhein-westfälische Landesministerin und Vizechefin der | |
Bundestagsfraktion als eine der aussichtsreichen Anwärterinnen auf das | |
Bundesumweltministerium. | |
Doch mit der Regierungsbeteiligung wurde es bekanntlich nichts, und so sind | |
Höhns Ambitionen deutlich geschrumpft. Statt in den prunkvollen | |
Ministeriumsbau am Potsdamer Platz zieht die 61-Jährige jetzt nahe dem | |
Reichstag in ein neues, bisweilen von Mäusen heimgesuchtes Büro im | |
Erdgeschoss des Paul-Löbe-Hauses – direkt neben dem Sitzungssaal E 700. | |
Dort tagt in jeder Sitzungswoche der Umweltausschuss des Bundestags. Das | |
Gremium wird Höhn an diesem Mittwoch zu seiner neuen Vorsitzenden wählen. | |
Obwohl die Partei das Thema Umwelt stets als ihren Markenkern betrachtet | |
hat, ist die in Flensburg geborene Frau aus dem Ruhrgebiet die erste Grüne, | |
die den zuständigen Ausschuss leiten wird. Bisher ging die Partei offenbar | |
davon aus, bei dem Thema auch ohne formellen Posten stets Gehör zu finden. | |
Inzwischen haben die Grünen aber erkannt, dass die Leitung des Gremiums für | |
die Außenwirkung wie für die Einflussnahme auf Gesetzgebungsprozesse | |
hilfreich sein kann – und bemühten sich intensiv um den Posten, der zuletzt | |
von der Linkspartei und zuvor lange von der SPD besetzt worden war. „Wir | |
können unsere Kernkompetenz dort besser herausstellen“, sagt Höhn dazu. | |
## Kritik an der SPD | |
Ihre wichtigste Aufgabe wird dabei sein, jene Partei zu kritisieren, mit | |
der sie als linke Grüne eigentlich gern koaliert hätte. „Die Klimapolitik | |
ist der große Schwachpunkt der Regierung – und gerade auch der SPD“, sagt | |
Höhn. Die neue SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks schätzt sie zwar | |
persönlich, hat aber Zweifel an ihrer Durchsetzungsfähigkeit gegenüber | |
SPD-Vorsitzendem und NRW-Ministerpräsidentin: „Entscheidend wird sein: Wie | |
abhängig ist Hendricks von Gabriel und Kraft?“ | |
Großen Handlungsbedarf sieht Höhn bei Maßnahmen gegen den Boom der | |
Kohlekraftwerke, die die deutschen Klimaziele gefährden. Solange der | |
europäische Emissionshandel nicht richtig funktioniere, seien Gesetze auf | |
nationaler Ebene notwendig, etwa für einen CO2-Mindestpreis, meint Höhn. | |
„Nur über diesen Umweg können wir genug Druck für ein vernüftiges EU-Ziel | |
erreichen.“ Auch beim Endlagergesetz und beim Gewässerschutz sieht sie ihre | |
Arbeitsschwerpunkte. | |
Von ihrem bisherigen Hauptthema, der Energiewende, wird sich Höhn hingegen | |
weitgehend verabschieden müssen: Weil die Zuständigkeit dafür vom Umwelt- | |
ins Wirtschaftsministerium übertragen wurde, ist der Umweltausschuss nicht | |
mehr dafür zuständig. „Das ist schon ein bisschen schade“, sagt Höhn – | |
tröstet sich aber damit, dass mit dem Bauen ein wichtiges Thema | |
dazugekommen ist. | |
## Die Umwelt ist der politische Ursprung | |
Allerdings wendet sich derzeit nicht nur die Partei wieder stärker ihren | |
Ursprungsthemen zu. Auch Höhn kehrt faktisch zu ihren politischen Wurzeln | |
zurück: Denn ihre politische Karriere nahm ihren Anfang, als sie 1978 von | |
Schleswig-Holstein ins Kohlerevier nach Oberhausen zog – wo ihr kleiner | |
Sohn wegen der Luftverschmutzung sofort an chronischer Brochitis erkrankte. | |
Mit einer Bürgerinitiative verhinderte sie eine neue | |
Giftmüllverbrennungsanlage und setzte später Filter für bestehende Anlagen | |
durch. | |
Dass ihre Enkel ohne Bronchitis aufwachsen, weil die Luft im Pott | |
mittlerweile deutlich sauberer ist als vor 30 Jahren, ist für Höhn kein | |
Grund zur Entwarnung. „Heute sind die Schadstoffe nicht mehr so sichtbar“, | |
sagt sie. „Aber verschwunden sind sie nicht.“ Statt dickem Kohlestaub sei | |
die Luft jetzt mit Feinstaub belastet, auch im Wasser gebe es viele neue | |
Schadstoffe. | |
Pläne für weitere politische Posten nach Ende der laufenden | |
Legislaturperiode hat Höhn nicht mehr. „Dann müssen Jüngere ran.“ Ihr | |
bisheriges, parteiintern einflussreicheres Amt, den stellvertretenden | |
Fraktionsvorsitz und die bundespolitische Koordination der Themen Umwelt, | |
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, hat bereits der 44-jährige | |
Energieexperte Oliver Krischer übernommen. Politik machen will Höhn aber | |
noch lange, sagt sie. „Dazu brauche ich kein Amt.“ | |
14 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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