| # taz.de -- Kommentar Homophobie in BaWü: Verlogen und kinderfeindlich | |
| > Beim Coming-out von Hitzlsperger jubelte die Nation. In BaWü findet | |
| > derweil ein Backlash statt. Die Debatte um sexuelle Vielfalt im Lehrplan | |
| > ist bigott. | |
| Bild: Alles so schön bunt hier: Aber sexuelle Vielfalt im Lehrplan gefällt vi… | |
| Und plötzlich schien in deutschen Adern nur noch rosarotes Blut zu fließen. | |
| Die Begeisterungsstürme über das professionell vermarktete Coming-out des | |
| Fußballstars Hitzlsperger wollten gar kein Ende nehmen. Er war laut, zu | |
| laut. | |
| Denn während sich zumindest die Medienmacher in einer neuen Woge der | |
| Aufgeklärtheit suhlten, wird eine Toleranz-Initiative aus dem Stuttgarter | |
| Bildungsministerium mit Argumenten niedergeknüppelt, die einem den Atem | |
| stocken lassen. Dieser Backlash fand keinen Eingang in die Talkshows. | |
| Zum Hintergrund: In einem Entwurf (!) hat der Stuttgarter Kultusminister | |
| Andreas Stoch (SPD) ausgeführt, dass Kinder und Jugendliche künftig lernen | |
| sollen, mit „allen sexuellen Identitäten selbstverständlich umzugehen“. | |
| Schulen sollten „Orte der Toleranz und des Miteinanders sein, nicht Orte | |
| der Ausgrenzung“. | |
| Spätestens nach dem Hitzlsperger-Jubel sollte das ja nun eine | |
| Selbstverständlichkeit sein. Doch weit gefehlt: Um die 160.000 | |
| Unterschriften hat der Schwarzwälder Realschullehrer Gabriel Stängle mit | |
| seiner menschenverachtenden Onlinepetition bereits gesammelt. Darin ruft er | |
| auf, die „neue Normalität“ mit der „bisherigen Gesundheitserziehung“ zu | |
| bekämpfen. Sein Argument: Schwule und Lesben hätten eine „erhöhte | |
| Anfälligkeit für Alkohol und Drogen“, das Risiko psychischer Erkrankungen | |
| sei bei ihnen höher und also auch die Suizidgefahr. Im Klartext: Zu ihrem | |
| eigenen Wohl sollten die Kinder heterosexuell sein oder werden. | |
| ## Kirche hetzt ebenfalls | |
| Dass dies nicht die Einzelmeinung eines Hinterwäldlers ist, zeigt nicht nur | |
| der immense Zuspruch im Internet. Auch Vertreter der christlichen Kirchen | |
| hetzen mit ähnlichen Schriften. Gemeinsam erklären sie, dass sie den Aspekt | |
| der sexuellen Vielfalt ablehnten, da die „Prinzipien auf der Grundlage des | |
| Menschenbildes des Landesgesetzes verfasst sein müssten“. Kinder und | |
| Jugendliche dürften bei der Suche nach ihrer sexuellen Identität nicht | |
| beeinflusst werden. | |
| Sie behaupten damit, dass schwule und lesbische Schülerinnen nicht dem | |
| Menschenbild der Landesregierung entsprächen. Und fordern gleichzeitig, | |
| Jugendliche dürften in der Findung ihrer sexuellen Identität nicht | |
| beeinflusst werden. Wie verlogen. | |
| Doch was sind die Ursachen für diese Zeitgleichheit von Jubelstürmen über | |
| das Coming-out des Profisportlers und der homofeindlichen Hetze gegen einen | |
| Lehrplan, der Toleranz ernst nimmt? | |
| ## Weiter aufklären | |
| Ein Hitzlsperger ist schön weit weg, bei ihm kann man sich in seiner | |
| Toleranz feiern. Bei einem Lehrplan aber geht es um das ganz Nahe, das | |
| eigene Kind, die eigene Familie. Und es rührt an die immer noch verbreitete | |
| Grundannahme, dass am Ende doch das Elternhaus schuld sei, wenn das Kind | |
| nicht heterosexuell ist. Was als Angst vor Umerziehung durch die Doktrin | |
| des Regenbogens daherkommt, ist also das genaue Gegenteil. Es soll | |
| verhindert werden, dass das eigene Kind leichter den Weg in die Erkenntnis | |
| findet, homosexuell zu sein. | |
| Entsprechend wichtig ist es, nicht aufzuhören, weiter aufzuklären, dass man | |
| nicht schwul oder lesbisch gemacht wird, sondern einfach so geboren ist. In | |
| der aktuellen Debatte wird dabei wie so oft durcheinander gebracht, dass es | |
| nicht um Sexualpraktiken geht, sondern um Toleranz. | |
| In besagtem Lehrplan geht es darum zu vermitteln, dass kein Mensch besser | |
| ist oder wichtiger, weil er oder sie einer bestimmten Religion angehört | |
| oder eine bestimmte Hautfarbe hat. Und eben auch nicht, weil er oder sie | |
| heterosexuell ist. | |
| Die Argumente aus Baden-Württemberg erinnern in fataler Weise an die | |
| Verqueerung der Pädophilie-Debatte, mit der in der Endphase des Wahlkampfes | |
| gegen die Grünen recht erfolgreich Stimmung gemacht wurde. Fällt | |
| reaktionären Kreisen eigentlich nichts anderes mehr ein, als eine | |
| vermeintliche Umerziehung von Kindern oder direkt ausgeübte sexuelle Gewalt | |
| ins Feld zu führen, um den nächsten Schritt in eine moderne, aufgeklärte, | |
| tolerante Gesellschaft zu verhindern? Noch ist nicht klar, inwieweit diese | |
| Taktik in Baden Württemberg – erneut – verfängt. | |
| Was wir aber jetzt schon wissen, ist, dass es noch ein langer Weg ist, bis | |
| auch die Mehrheit der Konservativen endlich respektiert, dass Menschen zwar | |
| nicht gleich, aber gleichwertig sind. | |
| 22 Jan 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Pohl | |
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