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# taz.de -- Der Protestsong im 21. Jahrhundert: Alles könnte anders sein
> „Libertatia“ ist der Titelsong des neuen Albums von Ja, Panik. Im
> Internet ist er bereits ein Hit. Was das Lied so besonders macht.
Mit dem Titelsong ihres letzten Albums „DMD KIU LIT“ hatte die
[1][österreichisch-berliner Band Ja, Panik] 2011 den besten
Über-13-Minuten-Song der letzten Jahre hingelegt – klar vor Bob Dylan
(„Tempest“) und sogar noch vor Neil Young („Walk Like a Giant“). Das nu…
damit die Güteklasse schon mal klar ist.
Was macht den Song so großartig? Man kann in ihn eintauchen wie in eine
US-Fernsehserie, fühlt sich individuell und politisch angesprochen,
integriert, inspiriert, verstört, unterhalten und aufgehoben in seiner
Melancholie. Und am Ende geht man mit dem Gefühl raus: Das kann es noch
nicht gewesen sein.
Und nun ist „Libertatia“ da, Titelsong ihres nächste Woche erscheinenden
neuen Albums. Sein Video wird im Netz wie verrückt geklickt. Die Musik
verhält sich zu „DMD KIU LIT“ wie „You’re the Best Thing“ von Style …
zu „Going Underground“ von Paul Wellers Vorgängerband The Jam. Also
Groovy-Pop statt Sinister-Rock.
Die erste Songzeile lautet: „Ich wünsch’ mich dahin zurück, wo’s nach v…
geht“. Das ist smart. Und bringt den kulturell-mentalen Irrealismus von
traditionell-larmoyanten Grünen- und SPD-Milieus genauso auf den Punkt wie
ihre Unfähigkeit einzusehen, dass uns in einer komplizierten Welt plötzlich
das reparieren kann, was uns grade noch zerstört hat.
Und weiter: „Wo wir nicht sind, woll’n wir nicht hin“. Das ist nicht
defätistisch, denn jetzt kommt der Refrain: „Wo wir sind, ist immer
Libertatia“. Wobei Libertatia eben nicht ein utopisch-fernes Sozialparadies
meint, sondern zum einen ein von anachronistischem Nationalverständnis
(„Dieses Land hier ist es nicht“) emanzipiertes Europa. Zum anderen ein von
Anachronismen des 20. Jahrhunderts befreites Denken. Also die Grundlage für
individuelle und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit.
Insofern markiert „Libertatia“ nicht das Ende des Protestsongs, sondern
seine Ankunft im 21. Jahrhundert. Es geht nicht um die gute alte Anklage
der Schweine und schon gar nicht um selbstgefälligen Aufruf zur
Weltrevolution. Ja, Panik sind in ihrem Ansatz eher beim Philosophen Harald
Welzer und das übrigens auch in der lässigen Herangehensweise: Alles könnte
anders sein. Es geht jetzt darum, realistisch zu sein und das Unmögliche zu
wagen: Widerstand neu zu denken. Und sich erstmal bei sich selbst
einzumischen. „Libertatia“ ist der Leitartikel des Jahres.
24 Jan 2014
## LINKS
[1] http://ja-panik.com/
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Protestsong
Anarchisten
Protestsong
Popmusik
Indietronic
Messer
Postpunk
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