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# taz.de -- Eon-Chef über die Energiewende: „Die Ambition ist beschleunigt“
> Für den neuen Konzernchef Johannes Teyssen gewinnt die Energiewende an
> Fahrt. Eine Rückkehr zu Atomkraftwerken sieht er nicht.
Bild: „Amrumbank West“: E.ons erster Offshore-Windpark.
taz: Herr Teyssen, was sagen Sie denn zu der Reform des frisch gewählten
Energieministers Sigmar Gabriel?
Johannes Teyssen: Den ersten Aufschlag hat er anspruchsvoll schnell
gemacht. Respekt. Ich glaube, jetzt sollte er noch mal vielen Leuten
zuhören, gerne auch uns, und dann weiterhin ohne Rücksicht auf
Einzelinteressen eine gerade Linie fahren, um eine bezahlbare
Energieversorgung zu gewährleisten. Wenn er dieses Jahr für die nötigen
Reformen nutzt, dann haben wir alle etwas gewonnen.
Der Energieminister macht eine große Reform, und Sie haben ihn vorab nicht
gesprochen?
So ist es. Ich hab ihn kürzlich auf Helmut Schmidts 95. Geburtstag von
Weitem gesehen, aber ihm weder die Hand geschüttelt noch mit ihm geredet.
Das werden wir sicher demnächst nachholen.
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, bis 2030 nur 40 Prozent weniger CO2
auszustoßen, aber einzelnen Staaten keine Ziele für erneuerbare Energien
vorgegeben. Gut für Ihren Gesamtmix mit 80 Prozent Kohle und Atom. Gut,
dass die Energiewende langsamer geht?
Sie irren sich: Die Energiewende geht jetzt doppelt so schnell. Wir haben
für minus 20 Prozent Treibhausgase 20 Jahre Zeit gehabt, jetzt für die
nächsten 20 Prozent zehn Jahre. Die Ambition ist beschleunigt, das halte
ich für richtig. Wir haben dafür plädiert, das Klimaschutzziel auf 45 bis
50 Prozent zu setzen. Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssen das Ziel sein,
alles andere sind Hilfsmittel dorthin. Wir wollen aber keine Planwirtschaft
bei der Umsetzung.
Die Konsequenz könnte sein: Deutschland baut die Erneuerbaren aus, die
anderen nicht.
Das ist doch gut so.
Warum? Wenn nur die Hälfte mitmacht, werden wir die Klimaziele nicht
erreichen.
Woher wissen Sie oder ich denn, welche Technologien oder Effizienzmaßnahmen
morgen den Durchbruch bringen, so dass Klimaschutz auch für sozial
Schwächere bezahlbar ist? Es ist gut, nur ein Klimaschutzziel und nicht den
Weg dahin zu beschreiben. Wer das tut, kann nämlich auch die falschen Wege
aussuchen. Ich glaube noch an Markt und Innovation und meine, dass die
besten Wege vielleicht noch gar nicht bekannt sind.
Gibt es in Deutschland überhaupt eine Energiewende? Oder ist es nur ein
Atomausstieg plus Zubau von Erneuerbaren?
Das Wort Energiewende ist bei uns politisch überzeichnet. Es gibt nicht
eine deutsche, sondern eine weltweite Energiewende weg von den komplexen
Großkraftwerken und weg von der Macht ihrer Eigentümer. Diese Macht
verschiebt sich zu den Nutzern und Verbrauchern, getrieben durch neue
Technik in der Energieerzeugung, durch die Digitalisierung und durch
soziale Medien. Der Einfluss der Kunden nimmt überall zu. Das kann man
nicht stoppen. Egal, was sich Energiepolitik so ausdenkt.
Schlecht für Ihren Einfluss?
Das ist eben so, wie es ist.
Sie sind weltweit aus dem Neubau von Atomkraftwerken ausgestiegen. Würden
Sie es noch irgendwo versuchen?
In überschaubarer Zeit nicht. Ohne dass ein Staat wesentliche Risiken
übernimmt, wäre ein Kernkraftwerk nur schwer umzusetzen. Wir wollen im
Augenblick kleinere Investitionen mit schnelleren Rücklaufzeiten. Aber ich
respektiere Parlamente und Unternehmen, die sich anders entscheiden.
Also keine AKWs mehr und fossile Kraftwerke, die immer weniger laufen. Was
wird da aus Eon?
Es wird weiter Spezialisten geben, auch für Kernkraftwerke. Die werden
nicht in meiner Lebenszeit aussterben. Andere werden gezielt Ökoenergie
machen. Und solange es keine bezahlbaren Energiespeicher gibt, wird es auch
fossile Großkraftwerke geben, sonst können Sie keine Industriegesellschaft
aufrechterhalten. Wir werden uns also als Unternehmen nicht in der gleiche
Breite aufstellen wie früher. Das Modell, wie wir Geld verdienen, wird sich
sehr stark ändern. Ich halte es aber für wenig intelligent, in Medien
anzukündigen, wie genau.
Aber die Zeit drängt. Wir sind bereits an den Punkt, an dem Solarstrom in
Deutschland billiger ist als der aus der Steckdose.
Woran bemessen Sie das? Wenn die Betreiber von Solaranlagen weiterhin keine
Stromsteuer und keine EEG-Umlage zahlen und fast nichts für das Netz, dann
sind wir sicher bald so weit. Aber dann zahlen Sie das mit dem Geld anderer
Leute. Nämlich dem der Oma aus Marzahn, die keine Solarzelle auf dem Dach
hat und Stromsteuer und Netzentgelte künftig allein zahlt. Das ist weder
sozial noch ökonomisch.
Selbst wenn man Steuern und Abgaben auf Solarstrom draufschlagen würde, ist
er bald billiger als der aus der Steckdose.
Ja gut, dann wird es eben so sein. Aber Ihre Argumentation ist eine rein
kapitalistische. Nur, ist die Summe der Einzelinteressen der Hausbesitzer
wirklich das Beste für die Volkswirtschaft?
Reden wir über Ihr Einzelinteresse: Ihre Kraftwerke laufen aufgrund der
Energiewende immer weniger. Das wird auch nicht besser. Keine guten
Aussichten für Eon, oder?
Wie viele Stunden meine Kraftwerke laufen, ist mir künftig egal. Wir bieten
als Produkt nicht mehr Strom an, sondern Versorgungssicherheit, wenn
erneuerbare Energien trotz gigantischer Überkapazitäten keinen Strom
liefern. Das muss bezahlt werden. Weil die Sicherheit sonst weg ist, nicht
mehr angeboten wird, und zwar von niemandem. Ich werbe nicht dafür, dass
alle Kraftwerke zu einem festen Preis als Reserve erhalten werden sollen.
Was benötigt wird, sollte europaweit auktioniert werden, und der Günstigste
erhält den Zuschlag. Dann werden wird sehen, wie viel Geld herauskommt.
Dann gehen Sie mit den ältesten, bereits abgeschriebenen Kohlekraftwerken
ins Rennen, weil sie am billigsten sind?
Werden wir nicht. Die legen wir gerade still, weil die jüngeren Kraftwerke
effizienter und besser anzufahren sind. Das wird alles kein „Bonanza“
werden. Wenn der Markt überversorgt ist, muss man eben weiterhin
stilllegen. So lange, bis wir wenigstens unsere Kosten decken. Niemand
redet hier von Traummargen.
Sehnen Sie sich nach den guten alten Zeiten zurück? Da gab es in
Deutschland ein gemütliches Oligopol aus vier Konzernen, die Stromnetze
hatten sie auch noch …
Ich fand das wirklich richtig schrecklich damals.
Weil es so langweilig war?
Jetzt im Ernst: Natürlich ist ein kalkulierbares, berechenbares Umfeld
grundsätzlich angenehm. Aber sehne ich mich danach? Vielleicht, aber das
ist Unfug. Ich sehne mich manchmal auch nach meiner Jugend zurück, aber das
hilft auch nichts. Im Augenblick Chef eines deutschen Energieversorgers zu
sein, ist wahrscheinlich eine der schwierigsten Aufgaben, die man sich
aussuchen kann. Aber es ist, wie es ist. Andere Branchen haben sich auch
geändert. Wir müssen uns auf die Situation von heute einrichten und Erfolg
haben. Ich will nicht den ganzen Tag jammern und in der taz um
Spendengelder bitten.
26 Jan 2014
## AUTOREN
Ingo Arzt
Bernhard Pötter
## TAGS
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Energie
Schwerpunkt Klimawandel
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