| # taz.de -- Debatte Klimaschutz: Die Irren der Energiewende | |
| > Wird von Klimaschutz und erneuerbaren Energien geredet, dann ist oftmals | |
| > Verlogenheit im Spiel. Gerechnet wird so lange, bis die Ergebnisse ins | |
| > Bild passen. | |
| Bild: Ob diese Windräder in der Spiegelwelt artgerecht gehalten werden? | |
| Die Geschichte der Energiewende ist voller Irrtümer. Die meisten | |
| Entscheidungen fallen aufgrund falscher oder kaum nachvollziehbarer | |
| Annahmen. Auch gibt es keine anerkannte Kosten-Nutzen-Analyse von | |
| Klimaschutz und Energiewende. Heraus kommen meist Schlagworte von | |
| Lobbyverbänden, in den Medien dumpf wiederholte und in die Köpfe gehämmerte | |
| Parolen. | |
| Wer die Energiewende teuer machen will, rechnet die Einsparungen klein, die | |
| der niedrigere Verbrauch von Kohle, Öl und Gas mit sich bringt und | |
| ignoriert Umwelt- und Gesundheitsschäden dieser Energieträger. | |
| Arbeitsplätze und Wertschöpfung durch erneuerbare Energien werden | |
| regelmäßig ausgeblendet. | |
| Manchmal muss man an die nordischen Schöpfungsmythos um die Urkuh Audhumbla | |
| denken: Aus deren Euter fließen offenbar permanent Stromkabel, Kraftwerke, | |
| Pipelines, Tankstellen, Straßen und Häfen. Das ist zumindest die einzige | |
| Erklärung, warum alle Studien ignorieren, dass die bisherige fossile | |
| Infrastruktur nicht vom Himmel gefallen ist. Eine faire Vergleichsrechnung | |
| zu einem neuen Energiesystem fehlt. | |
| ## Falsche Prämissen | |
| Andererseits wird auch die Energiewende schöngerechnet: Es wird einfach | |
| ignoriert, dass dadurch auch Arbeitsplätze und Werte vernichtet werden, | |
| nämlich bei den fossilen Energien. Das Problem, dass man Wind- und | |
| Solarstrom noch nicht kostengünstig speichern kann, wird mit dem Hinweise | |
| auf immer billigere Batterien oder norwegische Seen abgetan, in denen man | |
| Windstrom speichern könnte. | |
| Im Ergebnis kann sich in Deutschland jeder sein Weltbild zusammenzitieren. | |
| Das müsste nicht so sein. Die UN haben es geschafft, mit dem | |
| „Intergovernmental Panel on Climate Change“ eine weltweit anerkannte | |
| Institution zum Thema Klimawandel zu etablieren. Warum keinen „Intergerman | |
| Panel on Energiewende“ gründen, in dem sich alle Experten auf von allen | |
| anerkannte Szenarien über Kosten und Nutzen der verschiedenen | |
| Energiesysteme einigen? Stattdessen definiert die große Koalition einen | |
| „Ausbaupfad“, ohne zu erklären, aufgrund welcher Überlegungen 45 Prozent | |
| erneuerbare Energien bis 2025 vernünftig sein sollen. | |
| Schlimmer noch, viele Prämissen sind schlicht falsch. Erstens: die | |
| angeblich „explodierenden“ Kosten. Energieministers Sigmar Gabriel erzählt | |
| uns diese Geschichte, weil er Kanzler werden will. Dazu braucht er eine | |
| Story: Energiewende in Deutschland litt bisher unter „Anarchie“ und war | |
| unglaublich teuer. Das ist auch das Bürgerbauchgefühl. Jetzt kommt er, | |
| Gabriel, stoppt die Kostenexplosion und sorgt für Ordnung. Allerdings: | |
| Erneuerbare Energien sind billig geworden, die Kostensenkung ist schon da. | |
| ## Macht der Monopole | |
| Zweitens: Als Kronzeuge dafür, dass wir hier alles schrecklich teuer | |
| machen, dienen die USA. Dort kostet Strom maximal die Hälfte. Das sagt die | |
| EU-Kommission bei jeder Gelegenheit, die deutsche Industrie sowieso. | |
| Niemand erwähnt: Die US-Volkswirtschaft subventioniert ihre Energie. 2010 | |
| waren es nach einem Bericht der US-Energieagentur 37 Milliarden Dollar. | |
| Hinzu kommen großzügige Steuererleichterung bei der Öl- und Gasförderung. | |
| Erneuerbaren Energien, von denen in den USA übrigens mehr zugebaut werden | |
| als hierzulande, werden über Steuervergünstigungen gefördert und nicht über | |
| die Stromrechnung wie in Deutschland. Während also in den USA der Staat den | |
| Strom bezuschusst, wird er bei uns zusätzlich besteuert. | |
| Im Prinzip ist das gut, weil teurer Strom der Wirtschaft einen Anreiz gibt, | |
| effizienter damit umzugehen. Nur, wenn die Politik der Meinung ist, dass | |
| die Preisdifferenz zu den USA zu hoch ist, dann müsste sie – sehr unbequem | |
| – die Steuerpolitik ändern. Dritter Irrtum ist der „Markt“. Dem sollen s… | |
| die erneuerbaren Energien jetzt stellen. Welcher Markt? Stromversorgung | |
| kennt in Deutschland seit Erfindung der Glühbirne keinen Markt. Im 20. | |
| Jahrhundert war das Land in Gebiete aufgeteilt, in denen Monopolisten die | |
| Preise bestimmten. Noch vor wenigen Jahren gehörten über vier Fünftel der | |
| Kraftwerke und das gesamte Übertragungsnetz in Deutschland vier Konzernen. | |
| Erst in den letzten Jahren hat sich das geändert. Dank erneuerbarer | |
| Energien. | |
| Und weltweit? In Frankreich, Russland, China, Japan und den Golfstaaten | |
| sind die Energiekonzerne Staatsunternehmen. In den USA machen allein Exxon | |
| Mobile und Chevron 700 Milliarden Dollar Umsatz. Das | |
| niederländisch-britische Unternehmen Royal Dutch Shell bringt es auf rund | |
| 470 Milliarden Dollar. Das ist kein Markt, das ist ein globales Kartell. | |
| Der Wettbewerb im Öl- und Gassektor besteht darin, in Entwicklungsländern | |
| die höchsten Bestechungsgelder zu zahlen, um an Rohstoffe zu kommen. | |
| ## Globale Klimapolitik | |
| Ausgerechnet die erneuerbaren Energien, die erstmals seit der industriellen | |
| Revolution die Abhängigkeit von diesen wenigen Konzernen aufbrechen, sollen | |
| sich jetzt dem „Markt“ stellen. Im Energiesektor haben sich noch nie die | |
| innovativen Unternehmen durchgesetzt, sondern die mit dem besten Draht zum | |
| zuständigen Minister. Deshalb ist auch der Beschluss der EU, den | |
| Mitgliedsländern keine konkreten Ziele zum Ausbau erneuerbarer Energien | |
| mehr vorzugeben, eine Katastrophe. Sie zementiert die alten Strukturen. | |
| Viertens arbeitet die EU-Klimapolitik am eigentlich Problem vorbei. Was für | |
| einen Sinn hat es, in einer globalen Weltwirtschaft nur die eigenen | |
| CO2-Emissionen daheim zu senken? Relativ wenig. Der Smog in den | |
| Entwicklungsländer kommt aus Fabriken, die für uns produzieren. Für den | |
| reichen Teil der Welt. Seit Jahren fordern Ökonomen aller Couleur deshalb | |
| eine Steuer auf die CO2-Emissionen, die ein Produkt verursacht. Egal wo. | |
| Das wäre allerdings kaum mit den gegenwärtigen Regeln des Welthandels zu | |
| vereinbaren. Aber Regeln lassen sich ändern. | |
| Momentan verhandeln die USA und die EU ein Freihandelsabkommen. Es wäre | |
| tatsächlich eine Revolution, wenn derartige Überlegungen einbezogen würden. | |
| Um Stück für Stück den globalen Klimaschutz von einem Kostenfaktor in einen | |
| Wettbewerbsvorteil umzuwandeln. Das wäre eine schöne Utopie. | |
| 4 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
| ## TAGS | |
| Erneuerbare Energien | |
| Energiewende | |
| Sigmar Gabriel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| China | |
| Erneuerbare Energien | |
| Smog | |
| China | |
| Erneuerbare Energien | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Energiewende | |
| Energiewende | |
| Energiewende | |
| Ökostrom | |
| E.on | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Umweltzerstörung in China: Autoshow vor dem Ende | |
| Nirgends verdienen die deutschen Autobauer so viel Geld wie in China. Und | |
| sie wollen weiter investieren. Dabei steht ein Ende des Booms unmittelbar | |
| bevor. | |
| Kommentar Ausstieg aus Desertec: Das Gazprom der Erneuerbaren | |
| Bestens: Mit dem Ausstieg von immer mehr europäischen Firmen wächst die | |
| Wahrscheinlichkeit, dass Europa keinen Solarstrom aus Nordafrika beziehen | |
| wird. | |
| Smog in China: Selbst die Hunde tragen Masken | |
| In Wohnungen riecht es nach Schwefel und Kohle. Chinas Nordosten ist | |
| eingehüllt in Smog. Da helfen nur Masken, Luftreiniger – und das Auto. | |
| Smogalarm in China: Atemmasken und volle Hospitäler | |
| China bleibt die Luft weg. Pekings Krankenhäuser sind voll. Verzweifelt | |
| greifen die Menschen zu Atemschutzmasken. Betriebe werden geschlossen. Es | |
| gibt auch Kritik. | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetz: Keine Nettigkeiten von Herrn Gabriel | |
| Der Entwurf für ein neues EEG hält an Kürzungen bei Wind und Sonne fest. | |
| Die energieintensive Industrie muss hingegen kaum bluten. | |
| Streit um Klimapolitik in der EU: CO2-Reduktion um 40 Prozent | |
| Das Europaparlament findet die Klimaschutzvorschläge der EU-Kommission | |
| unzureichend. Gefordert werden drei verbindliche Klimaziele bis 2030. | |
| Kommentar EEG-Ausnahmen: Widersprüchliche Propaganda | |
| Der BDI kämpft für die Privilegien der energieintensiven Industrie - und | |
| schadet damit der Mehrheit seiner Mitglieder. | |
| Gabriels Pläne für die Energiewende: Es weht von allen Seiten | |
| Sigmar Gabriel will Obergrenzen für Solarkraft und Windenergie einführen. | |
| Den Ländern passt das nicht. Doch der Minister zeigt sich kompromissbereit. | |
| Stellenabbau in Solarindustrie: Voll der Schatten | |
| Alle Welt entdeckt die Solarenergie, nur die Deutschen vergessen sie | |
| wieder. Das ist industriepolitisch so sinnvoll wie Ananas am Nordpol. | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetz: Strompreis-Senkung möglich | |
| Durch weniger Industrie-Ausnahmen könnte die EEG-Umlage deutlich sinken. | |
| Dem Energieministerium dürften die Pläne bekannt vorkommen. | |
| Eon-Chef über die Energiewende: „Die Ambition ist beschleunigt“ | |
| Für den neuen Konzernchef Johannes Teyssen gewinnt die Energiewende an | |
| Fahrt. Eine Rückkehr zu Atomkraftwerken sieht er nicht. |