# taz.de -- Eltern fordern bessere Bedingungen: Ganztag soll kindgerecht sein | |
> Bei der schulischen Ganztagsbetreuung fehlt es an Personal und | |
> kindgerechten Räumen. Die Linke fordert ein kostenloses Mittagessen. | |
Bild: Müssten aus Sicht der Linksfraktion verbessert werden: Nachmittage in de… | |
HAMBURG taz | In Hamburg hat sich der Alltag der Kinder schlagartig | |
geändert. Seit diesem Schuljahr bieten 200 der 204 Grundschulen | |
Ganztagsschule (GTS) oder Ganztägige Bildung und Betreuung (GBS) an. 65 | |
Prozent aller Grundschulkinder verbringen seither auch den Nachmittag im | |
Schulgebäude. SPD-Schulsenator Ties Rabe findet, für eine Reform solchen | |
Ausmaßes gebe es erstaunlich wenig Anlaufprobleme. | |
Das sieht Ronald Prieß ganz anders. „Diese Reform wurde nicht vom Kind her | |
gedacht“, sagt der ehemalige Leiter einer Kita und Referent des | |
Linken-Abgeordneten Mehmet Yildiz. Schon zum zweiten Mal hat Yildiz nun | |
einen Antrag für Verbesserungen gestellt, den die SPD-Mehrheit in der | |
Bürgerschaft abgelehnt hat. | |
Das Thema bleibt der Stadt erhalten: Die Grüne Sava Stomporowski hat eine | |
Online-Petition initiiert. „Seit Beginn von GBS stoßen selbst erfahrene | |
Kräfte an die Grenze ihrer Belastbarkeit“, schreibt sie. Schuld seien die | |
Bedingungen. Die Petition, die bislang 4.788 Personen und 25 Elternräte | |
unterstützen, fordert vor allem mehr Personal und geeignete Räume. | |
„Es gibt definitiv ein Aufsichtsproblem“, sagt der Vater Oliver Hilgers. | |
Der Betreuungsschlüssel von einem Erzieher auf 23 Kinder sei zu schlecht. | |
Es passiere sogar, dass Kinder verloren gingen. Als er seinen Sohn abholen | |
wollte, sei dieser einmal nicht da gewesen. „Er ist nach Hause gegangen und | |
das hatte keiner mitbekommen.“ | |
Hilgers engagiert sich beim Landeselternausschuss der Kitas, der die | |
Forderungen von Yildiz unterstützt. So sei bei den weit verteilten | |
Räumlichkeiten an den Schulen gerade in der offenen Betreuung „nur noch ein | |
Verwalten der Kinder möglich“. | |
Die Schulbehörde macht eine andere Rechnung auf. Denn es gibt für jede | |
Gruppe auch noch eine Vertretungsreserve von 17,45 Prozent und ein | |
„pädagogisches Budget“ von rund 7.500 Euro im Jahr, um Kurse zu bezahlen. | |
Von diesen Kursen, in denen die Kinder am Nachmittag eine Stunde etwa | |
malen, kochen, backen oder reiten, gibt es hamburgweit 2.500. Pro Gruppe | |
seien im Schnitt weniger als 15 Kinder angemeldet, so die Behörde. „Der | |
Personalschlüssel entspricht den früheren Hortangeboten“, sagt Rabe. | |
Die Realität sei damit nicht erfasst, hält Hilgers dagegen. Es bleibe | |
dabei, dass ein Betreuer vor und nach diesen einstündigen Kursen auf zu | |
viele Kinder achten müsse. | |
Jens Kastner von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht das | |
Problem darin, dass die Behörde die Erzieher nur für täglich drei Stunden, | |
von 13 bis 16 Uhr, bezahlt, sodass Elternarbeit und andere „mittelbare“ | |
Pädagogik nicht finanziert sind. Da dies unattraktive 15-Stunden-Verträge | |
ergebe, würden die Träger ihren Mitarbeitern eine 20-Stunden-Woche | |
bezahlen, unter Ausschöpfung der Vertretungsreserve. Dies führe zu | |
Engpässen, wenn Mitarbeiter krank sind. Kastner: „Es fehlt pro Erzieher | |
eine Stunde pro Tag.“ Würde die Stadt das bezahlen, wäre die Lage | |
entschärft. | |
Mehmet Yildiz hat weitere Vorschläge, die Geld kosten: Auch am Nachmittag | |
müssten zusätzliche Mittel für die Inklusion vorhanden sein. Das Essen | |
solle beitragsfrei sein (siehe Kasten). Und es müsse eine Evaluation geben, | |
um weitere Schwachstellen „zeitnah abzustellen“. | |
„Es wäre besser gewesen, die Reform schrittweise umzusetzen“, sagt Prieß. | |
Nun müsse die Stadt aber alles tun, um kindgerechte Bedingungen zu | |
schaffen. Für die Raumfrage hat er eine radikale Lösung: Verlagerte man die | |
Vorschule in die Kitas, würde Platz für Rückzugsräume frei. | |
26 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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