# taz.de -- „Lookback“-Video bei Facebook: Bitte like mich! | |
> Facebook schenkt seinen Nutzern ein persönliches Rückblick-Video. Weil es | |
> ihnen einbimsen muss, welch tiefe Freundschaft sie mit dem Portal | |
> verbindet. | |
Bild: Seit vier Jahren nicht gesprochen? Egal! | |
Spätestens nach dem sechsten halben Liter gehen sie los: die Geschichten | |
von damals. Wie man sich kennenlernte. Die Saufgeschichten aus der | |
Schulzeit, die Saufgeschichten aus dem Studium. Die WM 2002, die WM 2006. | |
Die gemeinsame Fahrt nach Schweden, die gemeinsame Fahrt nach Lettland. | |
Ach, was sind wir zwei doch gute Kumpels. | |
Dieses Sich-seiner-ewig-währenden-Freundschaft-Vergewissern mag | |
ausschließlich eine Form der Zuneigung unter Männern sein, aber bei denen | |
kommt sie an. Immer. | |
Dass man sich vorher vier Jahre lang nicht gesehen hat? Dass man die ganze | |
Zeit nicht telefonierte? Dass man nach diesem Abend wohl wieder vier, | |
vielleicht aber auch acht Jahre lang nicht mehr aufeinander zugehen wird? | |
Scheiß drauf. Wer wird denn jetzt hier am Tresen unsere Brüderlichkeit in | |
Frage stellen? | |
Facebook hat nun auch diese Vergewisserung entdeckt. Zum zehnten Geburtstag | |
der Seite hat sie allen Nutzern ein persönliches „Lookback“-Video | |
geschenkt, abrufbar unter [1][facebook.com/lookback]. Mit freundlichen | |
Grüßen: „Mark und das Facebook-Team.“ | |
## Der Daumen im Abspann | |
Da hört man dann Klaviergeklimper, „Ein Rückblick“ huscht hinein, „Du b… | |
2008 beigetreten“ (das erste Profilfoto), „Deine ersten Momente“ (ein paar | |
Fotos von 2009), „Deine Beiträge mit den meisten ’Gefällt mir‘-Angaben�… | |
(irgendwas über Lothar Matthäus), „Fotos, die du geteilt hast“ (mein Brud… | |
und ich in einem Glasgower Pub) – und im Abspann der unvermeidliche | |
hochgereckte Daumen. Ach, Facebook, was sind wir doch gute Kumpels. | |
Die Macher wissen, dass sie dringend derlei Gefühle auslösen müssen. Denn | |
die Liebe ist arg erkaltet. Bei vielen. Sich stundenlang auf dem | |
Facebook-Meer treiben lassen, das macht doch kaum noch jemand. Zu | |
unübersichtlich, zu belanglos. Viele haben mittlerweile eine innigere | |
Beziehung zu ihrem Twitter-Account als zu Mark Zuckerbergs großem | |
Freundschaftsbuch, das mittlerweile nicht mehr ist als ein | |
Kommunikationsmedium ist. | |
Von wem ich keine Handynummer und keine E-Mail-Adresse habe, den kann ich | |
immer noch via Facebook erreichen. Häufig sogar Mama, Papa und Oma. Nur | |
vertrödeln die nicht so wahnsinnig viel Zeit auf der Seite. Mit solchen | |
Schmalspur-Nutzern lässt sich allerdings kaum Werbegeld generieren. | |
Facebook braucht also Zuneigung. Denn sie ist alles, was die Firma hat. | |
Aber sie ist so schwierig zu konservieren. | |
In den Anfangsjahren war Facebook anders, zumindest in der Wahrnehmung: | |
gemacht von Jungs, die auch unsere Kumpels sein könnten, die eine | |
praktische Idee hatten, die vielen gefiel. | |
So beginnt es eigentlich bei allen Unternehmungen: Die Dassler-Brüder | |
hatten die Vision von besseren Sportschuhen, von Fußballtretern mit Stollen | |
darunter. Es ward Adidas. Es ward Puma. Carl Hahn, Heinz Mittag und Judith | |
Esser wollten eine Idee aus den USA kopieren und den Tampon auch | |
hierzulande an die Frau bringen. Es ward o.b. Steve Jobs wollte von | |
jedermann zu bedienende Computer bauen. Es ward Apple. | |
## Wie hält man Liebe wach? | |
Der entscheidende Unterschied zu Facebook: Bei all jenen stand von Beginn | |
an der Verkauf eines Produkts im Mittelpunkt ihres Handelns und im | |
Mittelpunkt der Wahrnehmung durch ihre Nutzer. Bei Facebook war es auf | |
Macherseite womöglich auch so, aber nicht bei den Nutzern. Vielleicht muss | |
deshalb ein Unternehmen, das nichts Physisches herstellt, das nur durch die | |
Anwesenheit und Datenpreisgabe seiner Nutzer Geld verdient, irgendwann den | |
Bach runtergehen – zumindest wenn die Firma es nicht hinbekommt, die Liebe | |
stets wach zu halten. | |
Deswegen braucht Facebook dieses Video viel mehr, als es die Nutzer | |
brauchen. Es braucht diese Tresen-Momente. Wer will, kann sein | |
„Lookback“-Video mit seinen Freunden teilen. | |
Das, was man am Abend zuvor seinem Kumpel ins Ohr gejault hat, würde man | |
wohl nie mit anderen teilen. So ein pathetischer Quatsch, den behält man | |
besser für sich. Wird ja auch nicht so bald wieder vorkommen. Frühestens in | |
vier oder acht Jahren – zumindest mit diesem Freund. | |
6 Feb 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://facebook.com/lookback | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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