| # taz.de -- Die Wahrheit: Helvetias Lack ist ab | |
| > Wenn der Exodus der deutschen Gastarbeiter nach der Volksabstimmung | |
| > einsetzt, müssen die Schweizer sich mit sich selbst herumschlagen. | |
| Bild: Im Bett mit Eidgenossen. | |
| Welche Botschaft haben die Schweizer am vergangenen Sonntag an Europa | |
| gesandt? Sie haben sich der amerikanischen Diplomatin Victoria Nuland | |
| angeschlossen: „Fuck the EU!“ Wenn ihr meint … | |
| Aber jetzt ist genug. Jahrelang haben wir, die von den Schweizern „Schwobe“ | |
| genannten Germanen, wenn wir unser Auto mit dem deutschen Kennzeichen auf | |
| helvetischem Grund und Boden parkten, einen Zettel aufs Armaturenbrett | |
| legen müssen: „Nur zu Besuch!!!“ Mit drei Ausrufezeichen. Bloß damit uns | |
| der Lack nicht zerkratzt wird. Jetzt ist der Lack endgültig ab! Schweizer, | |
| wir gehen. Das wird eine Massenauswanderung! | |
| Viele von uns sind einsam geworden, manche betrachten den Aufenthalt bei | |
| euch als Isolationsfolter. Selbst Selbsthilfegruppen der Schwobe in Zürich | |
| klagen über Mitgliederschwund. Viele Deutsche geben Heimweh als Grund an. | |
| Die Kliniken im Bodenseeraum suchen an Schweizer Spitälern schon gezielt | |
| nach deutschen Ärzten mit Heimweh, von einigen Krankenkassen wird das | |
| längst anerkannt, wie Kopfweh. Titel der Kampagne: „Denken Sie an | |
| Deutschland in der Nacht?“ | |
| Dabei solltet ihr nie vergessen: Lange waren es deutsche Ärzte, die für | |
| innige Verbundenheit mit Schweizern gesorgt haben, in vielen Skiorten hat | |
| deutsches Personal unermüdlich helvetische Unfallopfer verbunden – wenn das | |
| jetzt wegfällt, habt ihr ein Problem. Frau Merkel konnte von Glück reden, | |
| dass ihr Unfall in St. Moritz nur ein unvollständiger Bruch war. Nebenbei – | |
| nicht mal das kriegt sie vernünftig hin! | |
| Man darf nie vergessen: Es waren Schweizer Banker, die in Deutschland | |
| reihenweise Anwälte oder Zahnärzte zwangen, ihre Ersparnisse auf Schweizer | |
| Bankkonten zu transferieren. Wir wären doch selbst nie auf die Idee | |
| gekommen! Es waren Mitglieder des Mobilen Einsatzkommandos der | |
| Schweizergarde, die arglose deutsche Arbeitskräfte kidnappten, um sie in | |
| obskuren Grandhotels zu versklaven. | |
| Jahrelang habt ihr uns gepiesackt und uns zu diesen schrecklichen | |
| Schwingfesten mitgeschleppt, bei denen tumbe Männer sich an ihren Hosen | |
| packen und in den Sand werfen. Diese Brachialintegration ist gründlich | |
| schiefgegangen. Euer Vereinsleben haben wir nie kapiert. So steht auf der | |
| Homepage der Gemeinde Lachen im Kanton Schwyz zum Beispiel: „Vor allem die | |
| Schützen treffen sich regelmässig.“ | |
| Wir Deutschen und Schweizer verstehen uns einfach nicht: Eure ständige | |
| Kompromissbereitschaft gilt bei uns als Duckmäusertum. Was bei uns als | |
| Durchsetzungsvermögen gepriesen wird, ist bei euch wiederum Ellenbogen. Wir | |
| haben Kostenexplosionen, ihr als Älpler natürlich Kostenlawinen. | |
| Es ist Zeit, zu gehen. Was aber macht die nationalistische SVP, wenn sie | |
| uns nicht mehr als Feindbild hernehmen kann? Dann muss sie sich tatsächlich | |
| ein richtiges Thema ausdenken, die „Unterfremdung“ etwa. Vergesst bitte | |
| nicht: Rund 77 Prozent aller Schweizer sind Inländer. Ihr werdet schon | |
| sehen, was ihr davon habt, wenn ihr auf niemandem mehr herumhacken könnt. | |
| 12 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas C. Breuer | |
| ## TAGS | |
| Schweiß | |
| Gastarbeiter | |
| Volksabstimmung | |
| Natur | |
| Kalter Krieg | |
| Glühwein | |
| Valentinstag | |
| Vegetarismus | |
| Sprache | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Hacke dich selbst! | |
| Früher war Wandern das Allerletzte, heute soll es cool sein. Doch in der | |
| Natur herrschen neuerdings die Timbersportler. | |
| Die Wahrheit: Kalter Krieg? Ja, bitte! | |
| Die Politik und die Eiszeit sollten es noch einmal miteinander versuchen. | |
| Sie könnten diesmal alles viel besser machen. Das wäre verdammt cool. | |
| Die Wahrheit: Manche mögen’s glüh | |
| Von wegen „Social Freezing“! Der heiße Strudel des gewürzten Süßweins, … | |
| zur Zeit millionenfach gepüttkert wird, beschert uns „Social Glowing“. | |
| Die Wahrheit: Neun Minuten Trieb | |
| Flirten schwer gemacht: Beim süßlich-scharfen Speed-Dating am Valentinstag | |
| kommen sowohl Beklemmungen als auch Erinnerungen an Verflossene hoch. | |
| Die Wahrheit: Schiefstand im Hirn | |
| Die Bahn. Die Rüstungsindustrie. Remoulade auf belegten Brötchen. Für | |
| Hochleistungsneurotiker lauert die alltägliche Paranoia allüberall. | |
| Die Wahrheit: Leben ohne Leberwurst | |
| Abgewöhnen geht nicht immer ohne Probleme ab – auch nicht zum | |
| Jahreswechsel. Von einem, der aufhört, weil es am schönsten ist. | |
| Die Wahrheit: Letternwirtschaft | |
| Vertuschte Bachstuben: Wir windeln auf dem schalen Grat der Winzigkeit. |