# taz.de -- Angespannte Lage in Kiew: Buhrufe für Oppositionsführer | |
> Janukowitsch hat sich mit einigen seiner Gegner auf einen | |
> Übergangsprozess geeinigt. Auch Julia Timoschenko könnte bald frei sein. | |
> Doch viele Maidan-Aktivisten wollen mehr. | |
Bild: Nicht einverstanden mit dem Kompromiss: Janukowitsch-Gegner auf dem Maida… | |
KIEW dpa/rts | Mit lautstarker Ablehnung haben Zehntausende ukrainische | |
Regierungsgegner in Kiew die Oppositionsführer nach der Einigung auf eine | |
Krisenlösung empfangen. Der Anführer der radikalen Splittergruppe Rechter | |
Sektor, Dmitri Jarosch, kündigte an, nicht die Waffen niederzulegen, bevor | |
der Staatschef zurücktrete. | |
Andere Redner drohten damit, die Präsidialverwaltung zu stürmen. Der | |
Opposition um Vitali Klitschko warfen sie „Verrat“ vor. Die Menge auf dem | |
Unabhängigkeitsplatz forderte in Sprechchören den Kopf des Präsidenten: | |
„Tod dem Knastbruder!“ Janukowitsch hatte als Jugendlicher wegen | |
Raubüberfalls in Haft gesessen. | |
Zuvor hatten Janukowitsch und drei Vertreter der Demonstranten am Freitag | |
in Kiew ein Abkommen unterzeichnet, das unter Vermittlung europäischer | |
Außenminister ausgehandelt worden war. | |
Im Anschluss an die Einigung votierte das Parlament für die Entlassung des | |
Innenministers Vitali Sachartschenko wegen des Gewalteinsatzes während der | |
Massenproteste auf dem Maidan. Er ist die Hassfigur der Demonstranten. | |
Zudem änderten die Abgeordneten am Abend das Strafrecht, so dass die | |
inhaftierte frühere Regierungschefin und [1][Oppositionsführerin Julia | |
Timoschenko freigelassen werden könnte]. | |
Die ausgehandelte Einigung sieht neben einem Ende der Gewalt unter anderem | |
Neuwahlen und die Bildung einer Übergangsregierung vor. Das waren | |
Kernforderungen der pro-europäischen Opposition, deren Anhänger seit | |
Monaten gegen den Russland-Verbündeten Janukowitsch auf die Straßen | |
gegangen sind. Westliche Politiker appellierten an beide Seiten, sich an | |
die Abmachungen zu halten. „Die Umsetzung ist der Schlüssel - und sie ist | |
sehr herausfordernd“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. | |
Einen Termin für die vorgezogenen Wahlen gibt es noch nicht. Janukowitsch, | |
der speziell im Osten des Landes viele Anhänger hat, unterzeichnete die | |
Verträge mit versteinerter Miene. In dem Abkommen erklärt sich der | |
Staatschef auch bereit, zur Verfassung von 2004 zurückzukehren, die dem | |
Präsidenten weniger Rechte gibt. | |
## Weg nach Europa offen | |
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte: „Wir werden ein Auge | |
darauf haben, dass aus der Vereinbarung, die hier getroffen wurde, auch | |
Politik wird.“ Er hatte zusammen mit seinen Kollegen aus Frankreich und | |
Polen, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski, den Kompromiss in einem | |
30-stündigen Verhandlungsmarathon ausgehandelt. | |
Während die EU-Außenminister das Abkommen mit unterzeichneten, verzichtete | |
der russische Gesandte Wladimir Lukin darauf. Dies bedeute aber nicht, dass | |
Russland nicht an einem Kompromiss interessiert sei, erklärte das russische | |
Außenministerium noch am Abend. Polens Außenminister erklärte, mit dem | |
Kompromiss werde der Ukraine der Weg nach Europa geöffnet. | |
Auf dem Maidan war die Lage am Freitag weitgehend friedlich geblieben. | |
Tausende Oppositionelle riefen Parolen gegen die Regierung oder sangen | |
patriotische Lieder. Die Polizei meldete nur vereinzelte Schusswechsel | |
zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, für die es aber von | |
unabhängiger Stelle keine Bestätigung gab. | |
Am Donnerstag hatte es die bislang schwersten Kämpfe rund um den Maidan und | |
vor dem Präsidentenpalast gegeben. Nach Regierungsangaben wurden 47 | |
Menschen getötet, so viele wie an keinem Tag seit dem Ausbruch der Proteste | |
vor drei Monaten. In der Woche starben damit mindestens 77 Menschen. | |
Scharfschützen hatten auf beiden Seiten gezielt Menschen getötet und | |
verwundet. | |
Unklar ist noch, wie die aus verschiedenen Gruppen zusammengesetzte | |
Opposition weiter vorgehen wird. Sie ist vor allem durch den gemeinsamen | |
Widerstand gegen Janukowitsch geeint. Es ist aber fraglich, ob die | |
Regierungsgegner auch deckungsgleiche Vorstellungen über die Zukunft ihres | |
Landes haben. | |
Entzündet hatten sich die Proteste an dem pro-russischen Kurs von | |
Janukowitsch. Die Demonstranten auf dem Maidan und im Westen des Landes | |
fordern stattdessen eine engere Anbindung an die Europäische Union. | |
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 21.15 Uhr. | |
21 Feb 2014 | |
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