# taz.de -- Repression in der Türkei: Tränengas gegen Proteste | |
> Während die Demonstranten gegen das Internetgesetz protestieren, ist | |
> schon ein neues repressives Gesetz in Vorbereitung. | |
Bild: Demonstranten in Istanbul bei einer Pause im Cafe. | |
ISTABUL taz | Zum dritten Mal innerhalb eines Monats hat die türkische | |
Polizei am vergangenen Wochenende Proteste gegen ein neues Internetgesetz | |
brutal niedergeschlagen. Wieder hatte eine breite Koalition von | |
Regierungsgegnern am Samstag in Istanbul und anderen großen Städten des | |
Landes zu Demonstrationen gegen das Internetgesetz aufgerufen, mit dem | |
staatlichen Behörden weitgehende Zensur- und Kontrollmöglichkeiten | |
eingeräumt werden. | |
Vor allem die Enttäuschung über Staatspräsident Abdullah Gül trieb die | |
Menschen dieses Mal auf die Straße. Gül hatte in den vergangenen Wochen | |
mehrfach durchblicken lassen, er werde das auch international heftig | |
kritisierte Gesetz wohl nicht unterzeichnen. Doch dann setzte er seine | |
Unterschrift vor wenigen Tagen unter das Papier der Regierung, wohl aus | |
Angst, eine Ablehnung würde der herrschenden AKP und Ministerpräsident | |
Recep Tayyip Erdogan bei den bevorstehenden Wahlen schaden. | |
Da die Polizei bereits Tränengas und Wasserwerfer einsetzte, ehe sich auf | |
dem zentralen Taksimplatz überhaupt ein Demonstrationszug richtig formieren | |
konnte, verlagerten sich die Proteste von Beginn an in die Seitenstraßen | |
des Istanbuler Zentrums. Als einige Demonstranten als Reaktion auf die | |
Polizeirepression einige Feuerwerkskörper zündeten, schwärmten zivile | |
Greiftrupps aus und nahmen zahlreiche Demonstranten fest. | |
## Tränegasgranaten landeten auch in Kneipen | |
Bei der Verfolgung einzelner Protestteilnehmer kam es zu zahlreichen | |
Zwischenfällen, bei denen auch völlig Unbeteiligte in Mitleidenschaft | |
gezogen wurden. So durchschlug ein Tränengasgeschoss der Polizei die | |
Scheibe eines städtischen Linienbusses und setzte sämtliche Fahrgäste unter | |
Tränengas. Andere Tränengasgranaten landeten in Cafés und Restaurants am | |
Straßenrand. Eine Touristin musste verletzt in ein Krankenhaus | |
transportiert werden. | |
Nachdem das Inkrafttreten des Internetgesetzes trotz aller Proteste nicht | |
verhindert werden konnte, bereitet die Regierung Erdogan bereits einen | |
neuen Repressionsschritt vor. Die AKP-Fraktion brachte vor wenigen Tagen | |
einen Gesetzentwurf im Parlament ein, durch den die Befugnissen des | |
nationalen Geheimdienstes MIT erheblich erweitert werden sollen. | |
## Der Geheimdienst soll freie Hand bekommen | |
Wird das Gesetz verabschiedet, darf der Geheimdienst bei Verdachtsmomenten, | |
die so umfassend sind, dass sie praktisch niemanden mehr ausschließen, | |
sämtliche Bankdaten, Telefon- und Internetverbindungen einsehen, nach denen | |
dem Dienst verlangt. Das wäre dann nach dem Gesetz zur Kontrolle der Justiz | |
und dem Internetzensurgesetz das dritte Vorhaben in wenigen Wochen, mit dem | |
Rechtssicherheit und die Freiheit des Einzelnen massiv eingeschränkt | |
werden. | |
Während die Opposition gar nicht mehr so schnell protestieren kann, wie die | |
Regierung ihre Kontrollgesetze ins Parlament bringt, tourt | |
Ministerpräsident Erdogan über die Marktplätze des Landes. Dort hämmert er | |
den Menschen in der Provinz ein, dass seine Gesetze lediglich der Abwehr | |
des äußeren und inneren Feindes der Türkei dienen. Von den | |
Korruptionsskandalen und Protesten gegen seine autoritäre Politik | |
geschwächt, setzt Erdogan nun alles daran, seine Anhänger noch einmal zu | |
mobilisieren: zunächst für die Kommunalwahlen Ende März und dann für die | |
Präsidentschaftswahlen im Sommer. | |
23 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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