# taz.de -- Produzent über Wulff-Film: „Scheitern ist definitiv möglich“ | |
> Nico Hofmann verfilmte in „Der Rücktritt“ das Ende des Bundespräsidenten | |
> – recherchiert von „Bild“. Sein Ziel: Das Räderwerk der Dynamik zu | |
> zeigen. | |
Bild: Keine Schmonzette über das zusammenbrechende Eheleben der Wulffs: Kai Wi… | |
taz: Herr Hofmann, nach diesem Interview reisen Sie beruflich nach | |
Südafrika. Was machen Sie da? | |
Nico Hofmann: Wir bereiten einen Zweiteiler über den deutschen Tierfilmer | |
Bernhard Grzimek vor. Uli Tukur spielt Grzimek, Roland Suso Richter | |
inszeniert. Dafür haben wir ein Budget von knapp 6 Millionen Euro, das | |
Drehbuch ist aber noch zu teuer. Ich habe also 48 Stunden Zeit, um das | |
Drehbuch ans Budget anzupassen und dabei den Bedürfnissen aller Beteiligten | |
Rechnung zu tragen. Da hilft es, dass ich früher selbst Regie geführt habe. | |
Ich sehe meine Rolle ein bisschen als Dirigent mit | |
geschäftsführerisch-kaufmännischer Gesamtverantwortung, der von jedem | |
Instrument Ahnung haben muss, von der Partitur, der Interpretation und in | |
unserem Fall leider auch vom Budget. | |
Warum möchten Sie einen Film über Grzimek machen? | |
Weil er ein Pionier des Natur- und Tierschutzes war, der allererste Grüne. | |
Das hat mich interessiert, aber auch seine unglaubliche Familiengeschichte | |
und seine Vergangenheit im Dritten Reich. Als Produzent musst du ja immer | |
eine klare Idee davon haben, was für einen Film du mit welchen Partnern | |
warum machen willst. | |
Wie war das bei „Der Rücktritt“? | |
Mich hat das Sittengemälde interessiert, das sich in jenen 68 Tagen der | |
Affäre Wulff offenbart hat. Das war ein für diese Republik einmaliger | |
politischer Vorgang: Ein Bundespräsident verliert seine Immunität und dann | |
sein Amt, weil seine moralischen Kategorien nicht mehr einordenbar waren. | |
Christian Wulffs Rücktritt wurde unausweichlich, weil verschiedene | |
Schneeballsysteme zu einer großen Lawine wurden: ein | |
Medienschneeballsystem, ein Bellevueschneeballsystem, ein | |
Politikschneeballsystem. Der Ansatz des Films war, die Dynamiken | |
nachzuzeichnen, die Wulff isolierten, wie er sich aber auch selbst | |
zunehmend ins Abseits stellte. | |
Was kann Ihr Dokudrama den bekannten Fernsehbildern der Affäre hinzufügen? | |
Eine ganze Menge. Die Fernsehbilder waren es, die meine dramaturgische | |
Fantasie angeregt haben. Ich saß da und fragte mich: Was genau bespricht er | |
mit seinen Vertrauten Hagebölling und Glaeseker und wie ist die Stimmung | |
bei diesen Gesprächen? Das Spannende an diesem Projekt war für mich, dass | |
wir es nicht dabei haben bewenden lassen, die Rechte am Buch „Affäre Wulff“ | |
der beiden Bild-Journalisten Nikolaus Harbusch und Martin Heidemanns zu | |
kaufen … | |
… die für ihre Recherche 2011 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet | |
wurden … | |
… Meiner Meinung nach zu Recht, wie ich schon mehrfach gesagt habe. Jede | |
andere Zeitung hätte diese Recherche auch mit Kusshand gedruckt. Der | |
Regisseur Thomas Schadt und ich haben mit Unterstützung der Bild-Kollegen | |
und Jan Fleischhauer vom Spiegel noch weiter recherchiert, sodass „Der | |
Rücktritt“ mein von der Herangehensweise bislang journalistischster Film | |
geworden ist. Vor allem die Engländer machen schon seit Jahren großes, | |
wichtiges Fernsehen mit politischen Themen. Mich hat gereizt, | |
auszuprobieren, ob das hier in Deutschland auch funktioniert. Und gemessen | |
an dem engen Budgetrahmen von 1,2 Millionen Euro bin ich mit dem Ergebnis | |
zufrieden. | |
Hatten Sie gar keine Bedenken, den Film auf Grundlage der Recherchen von | |
Bild zu drehen, die ja Partei in der Wulff-Affäre war? | |
Nein. Mit führenden Journalisten des Landes zusammenzuarbeiten, wie es | |
übrigens in England und Amerika gang und gäbe ist, kann doch der Qualität | |
eines Projekts nur nutzen. Das Buch von Heidemanns und Harbusch war in | |
erster Linie eine richtig gute Grundlage. Und ich war dankbar, dass die | |
beiden sich im Film haben darstellen lassen. | |
Kein Wunder, die Art der Darstellung der beiden als aufrechte | |
Investigativwühler schmeichelt doch deren Egos ungemein. | |
Das ist Ihre Interpretation. Ich würde nicht sagen, dass Thomas Schadt | |
(Regisseur von „Der Rücktritt“, d. Red.) sie wie die | |
Washington-Post-Journalisten bei Watergate inszeniert hat. Das hätte auch | |
nicht zur der dokumentarischen Bewertung der politischen Vorgänge im Film | |
gepasst. | |
Hätte der Film nicht ein bisschen weniger Doku und ein bisschen mehr Drama | |
vertragen? Er bleibt sehr eng an der Chronologie der Ereignisse, traut sich | |
kaum ein Urteil über die handelnden Personen zu – möglicherweise auch aus | |
juristischen Gründen? | |
Das geht mir gar nicht so. Es wäre ein Leichtes gewesen, mit Kai Wiesinger | |
und Anja Kling eine Schmonzette über das zusammenbrechende Eheleben der | |
Wulffs zu drehen – darüber hat Bettina Wulff in ihrem Buch und auch in den | |
vielen Interviews dazu ausreichend berichtet, aber es war eben nicht unsere | |
Absicht, das Geschehen empathisch hochzupuschen. Wir wollten schlicht | |
zeigen, was warum passiert ist, ein Räderwerk der Dynamik. Damit ist „Der | |
Rücktritt“ in gewisser Weise das Gegenstück zu „Der Minister“. Da habe … | |
mich bewusst – auch aus juristischen Gründen – vom Fall Guttenberg gelöst | |
und eine grelle satirische Überhöhung gewählt. | |
Wie schon „Der Minister“ läuft auch „Der Rücktritt“ nicht etwa bei den | |
Öffentlich-Rechtlichen, sondern in Sat.1. Sie haben dem Sender bei der | |
Berliner Premiere für seinen Mut gedankt. Warum? | |
Weil ARD und ZDF den Film abgelehnt haben und Sat.1 sich getraut hat, ihn | |
in Auftrag zu geben – ohne zu wissen, wie er laufen wird. Ein Scheitern ist | |
definitiv möglich. Dafür haben wir in Deutschland zu wenig Erfahrung im | |
dramaturgischen Umgang mit politischen Stoffen. Es kann durchaus sein, dass | |
die Deutschen generell keine Lust mehr auf das Thema haben und die | |
Sat.1-Zuschauer im speziellen ihr liebgewonnenes Melodram vermissen. | |
Welchen Einfluss hat der Sender auf die Besetzung genommen? | |
Gar keinen. Mir hat noch nie ein Sender vorgeschrieben, wer zu besetzen | |
ist. | |
Bei der Premiere haben Sie betont, Bild-Chef Kai Diekmann sei mit | |
Hans-Jochen Wagner „liebevoll besetzt“ worden. Warum war es Ihnen wichtig, | |
ihn das wissen zu lassen? | |
Kai Diekmann und ich sind ironiefähig – Kai Diekmann hatte sich per Twitter | |
Matthew McConaughey gewünscht, und ich habe mir erlaubt, ihm in einem | |
humorvollen Tonfall zu antworten. | |
Sie konnten sich für den „Rücktritt“ einige deutsche Schauspieler nicht | |
leisten. Warum konnten Sie bei dem Projekt nicht die üblichen Gagen zahlen? | |
Sat.1 hat für „Der Rücktritt“ gut 1,2 Millionen Euro zur Verfügung geste… | |
und keinen Cent mehr. Wir standen also unter einem enormen Spardruck, erst | |
recht, als klar wurde, dass der Anteil der Spielszenen eher bei 70 als bei | |
50 Prozent liegen würde – und den Druck habe ich an das gesamte Team | |
weitergegeben, nicht nur an die Schauspieler. Die Marktsituation ist | |
einfach viel problematischer geworden. Seit Jahren sinken die Budgets. Die | |
Tagesgagen, die manche Top-Schauspieler fordern, sind damit nicht mehr | |
kompatibel. Ich lege gegenüber den Agenturen das jeweilige Budget offen und | |
bitte darum, zu verstehen, dass wir auch Geld verdienen müssen und nicht | |
unter dem üblicherweise kalkulierten Gewinn produzieren. | |
Wenn in der deutschen Medienbranche vom „Nico“ die Rede ist, weiß jeder | |
sofort, wer gemeint ist. Wie schafft man es, in diesem Geschäft eine | |
Vornamen-Marke zu werden? | |
Ob über mich jeder nur als „Nico“ spricht, weiß ich gar nicht. Ich nehme | |
mich nicht sonderlich wichtig. Das ist auch ein Nachteil, weil ich mich | |
über Erfolg nicht lange freuen kann. Gestern hat jemand zu mir gesagt, wie | |
toll es sei, dass das Plakat vom „Medicus“ nach sieben Wochen noch immer | |
über der Astor Film Lounge hängt. In Deutschland haben den Film | |
mittlerweile 3,5 Millionen Kinobesucher gesehen, in Spanien mehr als eine | |
Million. Über die Weihnachtstage hat mich das noch unglaublich gefreut, | |
aber danach war das schnell komplett passé. | |
Das ist doch auch ein Motor. | |
Stimmt. Das ist wie bei Kai Diekmann, der sich auch nie mit dem Status quo | |
zufrieden gibt, sein Blatt ununterbrochen neu erfindet. Er hat eine | |
permanente Energie-Innovationskraft. Und auch kein Problem damit, zu | |
polarisieren. | |
Das verbindet Sie? | |
Ja. Es geht um Haltung und Energie. Auch eine wochenlange | |
Auseinandersetzung aufgrund unserer Filme bleibt in der Kontroverse immer | |
interessant – auch wenn es nicht immer leicht ist. Wegen „Unsere Mütter, | |
unsere Väter“ kann ich ja fast nicht mehr nach Polen einreisen. Wie sich | |
die Polen durch den Film verletzt fühlen, das kann ich nachvollziehen. Und | |
dennoch: Ich wäre gerne eingeladen worden, um zu den Vorwürfen persönlich | |
Stellung zu nehmen. | |
Sie fühlen sich missverstanden? | |
Ich lerne aus solchen Debatten, dass jedes Land aufgrund seiner Geschichte | |
anders auf einen solchen Film reagiert. | |
25 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
Jürn Kruse | |
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