# taz.de -- Politologe über Finanzkrise: „Die Armen müssen früher sterben�… | |
> Der Politologe Hermann Adam ist trotzdem optimistisch, weil Kapital und | |
> Unternehmen an Macht verlieren würden. Grund sind knapper werdende | |
> Arbeitskräfte. | |
Bild: Arbeitnehmer. Sie werden, so hofft Hermann Adam, den Unternehmen künftig… | |
taz: Herr Adam, seit den 1980er Jahren steigen Gewinne und Einkommen aus | |
Vermögen. Sie nehmen zulasten der Arbeitseinkommen zu. Wo sehen Sie die | |
Ursachen? | |
Hermann Adam: Zum einen in der Änderung der Machtverteilung zwischen | |
Kapital und Arbeit durch den demografischen Wandel. Zum anderen im Wechsel | |
von einer nachfrageorientierten zu einer angebotsorientierten | |
Wirtschaftspolitik. | |
Der demografische Wandel erklärt die politische und ökonomische | |
Machtverschiebung? | |
Immer mehr Menschen wuchsen in das erwerbsfähige Alter hinein. Das hat das | |
Verhältnis von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage zu Ungunsten der | |
Beschäftigten verändert, die Kapitalseite wurde übermächtig. | |
Wie kommen Sie von dort zur Finanzkrise? | |
Die oberen Einkommen haben einen höheren Anteil am Bruttoinlandsprodukt | |
erzielt. Gleiches gilt für die Unternehmen. Dieses Geld mussten die Banken | |
weltweit rentabel anlegen. Sie haben dann die risikoreichen Produkte | |
kreiert, die zum Crash führten. | |
Sie sagen, das sei auch ein gesundheitliches Problem: Beispielsweise hat | |
Karies bei Kindern wieder zugenommen. | |
Je ungleichmäßiger die Einkommensverteilung in einem Land ist, desto größer | |
werden auch die gesundheitlichen Probleme der Bevölkerung. | |
Putzen arme Kinder weniger die Zähne? | |
Das hat nicht alleine mit Zähneputzen zu tun. Schlechter Gesundheitszustand | |
ist vielfach eine Folge des Frusts sozial Benachteiligter über ihre | |
ausweglose Lage. Da treten über kurz oder lang physische und psychische | |
Erkrankungen auf. Wie viel Gesundheit kann man sich leisten, wenn die | |
Mittel im Gesundheitswesen gekürzt werden? Es ist eine alte und statistisch | |
belegbare Weisheit: Wenn du arm bist, musst du früher sterben! | |
Ein bitterer Befund, trotzdem bleiben Sie optimistisch. | |
Ja, weil ich eine Umkehr der demografischen Entwicklung auf dem | |
Arbeitsmarkt erwarte. Arbeitskräfte werden wieder knapper. Das verschafft | |
den Gewerkschaften neue Stärke. Der Anteil der Arbeitseinkommen am BIP wird | |
wieder steigen. Und dann kann sich die seit den 1980er Jahren eingetretene | |
Entwicklung umdrehen. Die Arbeitgeber sind schon voller Sorgen, dass | |
Fachkräfte fehlen. | |
Das beruflich kaum qualifizierte Viertel der Jugendlichen wird nichts davon | |
haben. | |
Im Vergleich zu früher ist das ein großes Problem. In der industriellen | |
Massenproduktion gab es viele Arbeitsplätze für gering Qualifizierte. Diese | |
Arbeitsplätze sind inzwischen fast alle wegrationalisiert worden. Der | |
richtige Ansatzpunkt ist Bildung. Auch wenn man eingestehen muss, dass | |
nicht alle Menschen die notwendige Bildung für die moderne Arbeitswelt | |
erreichen können. Es bleibt eine wichtige Aufgabe der Sozialpolitik, diese | |
Menschen nicht von der übrigen Gesellschaft abzuhängen. | |
Wird sich auch die ökonomische Denke demokratisieren? | |
Das wird mit einiger Zeitverzögerung kommen, bis die andere Machtverteilung | |
auf dem Arbeitsmarkt auch zu einer neuen Denke führt. Eine neoliberale | |
Wirtschaftspolitik löst so viele soziale Fehlentwicklungen aus, dass man | |
damit die Wirtschaft nicht länger steuern kann. | |
7 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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