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# taz.de -- Doku „Homs – ein zerstörter Traum“: Erschöpft und bewaffnet
> Die Doku von Talal Derki zeigt einzigartige Szenen von der Front im
> syrischen Krieg. Ein Film über Widerstand, Gewalt und kollektive
> Enttäuschung.
Bild: Aufnahme aus „Homs – ein zerstörter Traum“
„Ich kann nicht sagen, ob das, was wir getan haben, richtig ist. Alles
entwickelt sich anders als geplant und erhofft.“ Die zweifelnde Stimme aus
dem Off gehört dem Regisseur Talal Derki. Ihm ist mit „Homs – ein
zerstörter Traum“ ein spektakulärer Dokumentarfilm gelungen. Spektakulär,
weil er und die Kamera ganz nah dran sind an einer Brigade der Freien
Syrischen Armee, die Homs verteidigt, also die syrische Stadt, die für den
Widerstand gegen die Herrschaft des Assad-Klans steht.
Der Film zeigt Szenen aus dem Krieg in Syrien, die man noch nie in den
deutschen Medien gesehen hat. Er vermittelt eine Vorstellung davon, was
„Front“ in diesem Kampf um Straßenzüge bedeutet. Ein Beispiel für das st…
Ineinander von Brutalität, Banalität und Trauer ist eine Szene, in dem die
Männer durch ihre ehemaligen Wohnungen laufen, die jetzt komplett zerbombt
sind. Einer von ihnen findet in der Küche den noch heilen Kaffeebecher
seiner Schwester, entstaubt ihn sanft und stellt ihn beiseite. Das Schießen
geht weiter.
Doch die Filmemacher begleiten die Kämpfer der Freien Syrischen Armee nicht
nur an die Front und auf die improvisierten Krankenstationen, sie wahren
bei aller Parteinahme auch eine kritische Distanz zu ihnen. So wird es
nicht lange dauern, bis einer der Kameramänner erschüttert feststellt, wie
der Waffenfetischismus unter den Kämpfern zunimmt. Für politische
Überlegungen bleibt kaum noch Raum und die Erschöpfung der Männer nimmt zu.
„Homs – ein zerstörter Traum“ ist auch ein Film über die große kollekt…
Enttäuschung. Trotzdem: Die Rebellen haben sich entschieden, sie werden bis
zum Ende kämpfen. Die einen mit Granaten und Gewehren, die anderen mit der
Kamera. Manche Szenen wurden auch mit dem Handy gefilmt.
Hauptfigur ist der ehemalige zweite Torwart der Jugendnationalmannschaft,
Abdul Baset al-Sarout. Vor drei Jahren stand er am Anfang einer
vielversprechenden Profilaufbahn. Doch dann begann am 15. März 2011 die
Revolution, und der charmante 19-Jährige wurde zur Kultfigur, zunächst des
friedlichen Widerstands. Baset war nicht nur als Sportler ein Idol, sondern
ist auch ein begnadeter Entertainer. Und so sehen wir ihn, wie er auf Demos
selbst improvisierte Revolutionslieder singt und viele, viele Bewohner ihm
zujubeln. In Homs ist Baset die Stimme der Revolution. Heute ist er vor
allem Soldat. In seinen Liedern besingt er nun die vielen Toten.
## Krieg als Männersache
Die Kamera folgt ihm über zwei Jahre hinweg. Dass er noch lebt, ist ein
Wunder. Der junge Mann wird mehrmals verletzt, davon einmal sehr schwer.
Doch obwohl die Widerstandseinheiten stetig kleiner werden, kehrt Baset
immer wieder an die Front zurück. Er kann nicht anders. Homs muss gehalten
werden, das Blut seiner Kameraden einen Sinn gehabt haben.
„Homs – ein zerstörter Traum“ zeigt den Krieg in Syrien als Männersache.
Nur einmal huscht eine Frau durchs Bild, eine Stimme bekommt sie nicht. Der
Produzent des Films, der immer wieder auch Kamera geführt hat und ebenfalls
eine zentrale Figur der syrischen Revolution ist, erklärt: „Das ist ein
Problem. Unseren nächsten Film widmen wir den Frauen in der Revolution.“
## Distanz und Schuldgefühle
Orwa Nyrabia wurde wegen dieses Films vom Assad-Regime verhaftet und
verbrachte drei Wochen in einem der berüchtigten syrischen
Untergrundgefängnisse. Die Intervention der Hollywoodgrößen Robert De Niro
und Martin Scorsese habe ihn gerettet, sagt er. Seit kurzem lebt er mit
seiner Frau in Berlin. Er kann verstehen, warum die Männer alles daran
setzen, Homs nicht zu verlieren: „Geht diese Stadt verloren, breche ich
zusammen.“
Dass andere ihr Leben riskieren und auch verlieren, nicht zuletzt damit er
hier im deutschen Ausland seine Hoffnung auf ein demokratisches Syrien
nicht verliert, ist ihm klar. Mit diesem Dilemma und auch der Schuld haben
wohl die meisten Exilanten zu tun.
Der Film tourte in den letzten Monaten erfolgreich auf internationalen
Festivals. Er erhielt den World Cinema Grand Jury Prize auf dem
Sundance-Filmfestival in San Francisco.
4 Mar 2014
## AUTOREN
Ines Kappert
## TAGS
Homs
Schwerpunkt Syrien
Dokumentarfilm
Arte
Syrischer Bürgerkrieg
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Dokumentarfilm
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Jabrud
Schwerpunkt Syrien
Hans-Georg Maaßen
Jabrud
Genf
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