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# taz.de -- Dokumentation über einen Kunstfälscher: Von der Spezialanfertigung
> „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ ist dort spannend, wo die
> systematische Liebe des Kunsthandels für die Fälschung deutlich wird.
Bild: Da malt er wieder: Wolfgang Beltracchi.
Ist es nicht eine wirklich hübsche, für die Betroffenen freilich
unerträgliche Ironie? Diejenigen, die schon immer glaubten, sich mit nicht
weniger zufriedengeben zu dürfen als Spezialanfertigungen – sie haben sie
nun wirklich bekommen.
Ihren ganz besonders exquisiten Heinrich Campendonk, Max Pechstein, Max
Ernst, Fernand Léger oder auch ihre Marie Laurencin; begutachtet und für
echt erklärt von Experten, für die, wie für sie selbst, private
Museumsbesuche während der Schließzeiten so selbstverständlich sind wie das
Netzwerk gerne hilfreich einspringender Promifreunde.
Bilder, angefertigt im Stil des jeweiligen Künstlers von einem 1952 in
Höxter geborenen Malertalent von hohen Graden, Wolfgang Beltracchi, der
eine nicht weniger anspruchsvolle Vorstellung vom guten Leben pflegte,
allerdings mit einer etwas lässigeren, entspannteren Akzentuierung auf
gutem Dope, Familie, gutem Essen, dem Mittelmeer und vielen Sonnentagen.
Wolfgang Beltracchi hat seine Sache als Fälscher ziemlich gut gemacht. Er
hat wie Niklas Maak, Kunstkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in
einem Westernheldenvergleich sagt, einen Experten nach dem anderem
herausgefordert und niedergestreckt. Beltracchi hätte einen so grandiosen
Film wie „F für Fake“ von Orson Welles verdient.
## Blamiertes Expertentum
Leider ist es nun ein Film von Arne Birkenstock, in dem Niklas Maak als
kritischer Beobachter des Falls auftritt. Der Film ist nicht gut. Was nicht
daran liegt, dass Arne Birkenstock der Sohn von Reinhard Birkenstock ist,
dem Anwalt von Wolfgang Beltracchi, und die Dokumentation eine Fortsetzung
von dessen Verteidigung mit filmischen Mitteln wäre.
Arne Birkenstock ist kein Neuling im Filmgeschäft. Fast zeitgleich mit
„Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ kommt Milo Raus Dokumentation „…
Moskauer Prozesse“ ins Kino, in der Rau die Protagonisten der großen
Kunstprozesse der Putinära anlässlich etwa der Ausstellung „Vorsicht!
Religion!“ oder der Pussy-Riot-Aktion in der Erlöserkirche noch einmal
gegeneinander antreten lässt. Produzent ist Arne Birkenstock.
Seine „Kunst der Fälschung“ ist auch nicht deshalb schlecht, weil er
Beltracchi zu viel Raum zur Selbstdarstellung gibt und ihn nicht als den
Scheißhippie denunziert, als den ihn das bürgerliche Publikum zu sehen
wünscht, wie aus den Kommentaren in FAZ, Spiegel oder taz hervorgeht.
Unbegreiflicherweise scheint es sich stark mit dem Expertentum zu
identifizieren, das durch Beltracchis Entlarvung nun bis auf die Knochen
blamiert ist.
„Beltracchi – die Kunst der Fälschung“ ist fad, weil sein Sujet nicht
interessiert. Denn nicht um den Fälscher geht es, auch wenn er im Fall von
Wolfgang Beltracchi ein gut aussehender, mit einer wunderbaren Hakennase
gesegneter Hallodri ist, dem man ganz gerne durch seine Besitzungen und
Abenteuer folgt, wie sie Birkenstock mit dem Fälscher und dessen Frau
Helene reinszeniert.
## Werk des Kunsthandels
Beltracchi als den großen Ausnahmefall des Kunstbetriebs, den absolut
genialischen oder – wem’s lieber ist – als den absolut verwerflichen,
niederträchtigen Fälschers zu inszenieren verfängt nicht. Der Kunsthandel
fällt ja alle naselang auf mehr oder minder begabte Fälscher herein. Kaum
war Beltracchi abgehakt, flog 2013 ein Ring auf, der mehr als 400
gefälschte Gemälde im Stil der russischen Avantgarde in den Kunsthandel
brachte.
„Die Kunst der Fälschung“ ist das Werk des Kunsthandels und seiner
wesentlichen Akteure. Systematisch, wie Niklas Maak richtig anmerkt, muss
der Handel nicht an Falsifizierungen, sondern an der Euphorie der positiven
Zuschreibung interessiert sein. An ihr verdienen am Ende alle, an
Abschreibungen und Zweifeln aber nicht. Dazu kommt, dass mehr Geld für
Arbeiten der klassischen Moderne auf dem Markt drängt als Bilder.
Birkenstocks Dokumentation nimmt also dort Fahrt auf, wo der ermittelnde
Kriminalkommissar René Allonge den ehemals renommierten Max-Ernst-Experten
Werner Spies kritisiert, der, weil er seine Schwarzmarktkonten nicht
offenlegen wollte, zunächst die Ermittlungen behinderte. Oder dort, wo die
Galeristin Sofia Komarova erzählt, dass der erste Kontakt zwischen Wolfgang
und Helene Beltracchi und Henrik Hanstein, dem Chef des Kölner
Auktionshauses Lempertz, über ein Gemälde von Hans Purrmann erfolgte, das
dessen Witwe aber als Fälschung erkannte.
Eigentlich kein guter Start, sollte man denken, in all die guten Geschäfte,
die Lempertz und die Beltracchis in der Folge miteinander tätigten.
6 Mar 2014
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Kunstfälscher
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