| # taz.de -- Prozess Helge Achenbach: Geldbedarf in Düsseldorf | |
| > Der Prozess gegen Helge Achenbach wird fortgesetzt. Er handelte mit Kunst | |
| > und Kultur und verschleierte Geschäfte als „Freundschaftsdienst“. | |
| Bild: Helge Achenbach im Landgericht Essen. | |
| Ernst Ludwig Kirchner, Roy Lichtenstein, Pablo Picasso – für die | |
| Kunstsammlung des Aldi-Erben Berthold Albrecht konnten die Werke gar nicht | |
| erlesen genug sein, die Käufer Helge Achenbach für ihn auftrieb. 28 Objekte | |
| hat Achenbach zwischen 2009 und 2011 für Albrecht besorgt, bei 14 Werken | |
| soll er viel Geld für sich abgezweigt haben. | |
| Vor dem Landgericht Essen, vor dem er sich dafür verantworten muss, wirkt | |
| Achenbach am Dienstag angeschlagen. Die goldfarbene Brille mit den runden | |
| Gläsern, die der 62-Jährige im Laufe der Verhandlung abnimmt, ist der | |
| letzte Hinweis auf sein einst so glamouröses Dasein. Er sieht viel älter | |
| aus, als er ist. Ob er heute bereit sei, Fragen zu beantworten, will | |
| Richter Johannes Hidding wissen. „Nein“, sagt der Angeklagte knapp und | |
| leise. | |
| Bis zum vergangenen Juni war Helge Achenbach eine große Nummer im | |
| internationalen Kunsthandel. Er ging bei Reichen und Mächtigen ein und aus, | |
| hielt Kontakte zu Museen und Künstlern. Als er im Juni aus Brasilien | |
| zurückkehrte – dort hatte er das WM-Quartier der deutschen | |
| Fußballnationalmannschaft mit Kunst ausgestattet –, wurde er am Flughafen | |
| verhaftet. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. | |
| ## Mimosengelber Jaguar | |
| Achenbach ist angeklagt wegen Betrug, Urkundenfälschung und Untreue. Seine | |
| Geschäftsbeziehung zu dem inzwischen verstorbenen Berthold Albrecht wurde | |
| ihm zu Verhängnis. Kunstwerke mit einem Wert im zweistelligen | |
| Millionenbereich und Ferrari, Bugatti und andere Luxusschlitten hat | |
| Achenbach für den Sohn des Aldi-Gründers Theo besorgt, für dessen Frau | |
| Babette einen mimosengelben Jaguar. | |
| Weil er sich bei den Einkäufen von Kunst und Autos insgesamt mit 22,5 | |
| Millionen Euro bereichert haben soll, steht er jetzt vor Gericht. Am | |
| Dienstag war der letzte Verhandlungstag in diesen Jahr. Für 2015 sind | |
| weitere sechs Termine anberaumt. Dann wird auch Babette Albrecht als Zeugin | |
| geladen. Achenbach hat in der vorherigen Sitzung ein Teilgeständnis | |
| abgelegt. | |
| Mit Berthold Albrecht habe ihn eine „Männerfreundschaft“ verbunden, | |
| berichtete Achenbach. Das Ehepaar Albrecht wollte mit seiner Hilfe eine | |
| Kunstsammlung mit Werken des 20. und 21. Jahrhunderts aufbauen. Achenbach | |
| sollte Bilder kaufen und 5 Prozent des Einkaufspreises als Honorar | |
| bekommen. Für Luxusautos, die er ebenfalls beschaffen sollte, gab es 3 | |
| Prozent. | |
| ## Gefälschte Rechnungen | |
| „Die Prozentangaben klingen niedrig, aber in absoluten Zahlen sind es hohe | |
| Summen“, sagt Richter Johannes Hidding am Dienstag. Doch die Provisionen | |
| reichten Achenbach nicht. Als er Kirchners „Mutter und Sohn“ und Kokoschkas | |
| „London, Tower Bridge II“ für die Albrechts kaufte, schickte er ihnen zum | |
| ersten Mal eine gefälschte Rechnung mit fingierten Einkaufspreisen. | |
| „Collagen“ nannte er die. Für das Bild „Maria“ von Gerhard Richter | |
| verlangte Achenbach 4,5 Millionen Euro, obwohl es nur 3,7 Millionen Euro | |
| gekostet hat. Den Gewinn habe er sich mit dem Galeristen geteilt, sagte er. | |
| Betrügereien bei den Autokäufen bestreitet er. | |
| Ins Rollen gekommen ist die Sache durch eine Anzeige der Erben von Berthold | |
| Albrecht, nicht seiner Witwe. Sie sei aber die maßgebliche | |
| Belastungszeugin, sagt der leitende Ermittlungsbeamte am Dienstag. Andere | |
| Superreiche und Unternehmen, die von Achenbach mit Kunstwerken versorgt | |
| worden sind, stellen mittlerweile ebenfalls Ansprüche an ihn. Seine | |
| Kunstsammlung und Luxusautos wurden beschlagnahmt. | |
| Achenbach pflegte das Image, selbst nicht an Geld, sondern vor allem an | |
| Kunst interessiert zu sein. Seine Kunden behandelte er aber | |
| selbstverständlich wie Kapitalanleger, die einen Wertzuwachs des gekauften | |
| Objekts erwarten – und für die er als Kenner des Kunstmarktes seine | |
| exzellenten Kontakte nutzte. | |
| ## Die Firmenvielfalt bleibt verwirrend | |
| Achenbach unterhielt viele Firmen, über die er seine Geschäfte abwickelte | |
| und verschleierte. Allein an seinem Düsseldorfer Büro hingen vier Schilder. | |
| „Wir konnten die einzelnen Firmen in den Büroräumen nicht zuordnen“, sagt | |
| der Beamte, der auch die Durchsuchung der diversen Unternehmen leitete, die | |
| Achenbach gehören oder an denen er beteiligt ist – etwa ein Haus, das auf | |
| seine Vermittlung Luxusautos erwarb, die Achenbach dann quasi von sich | |
| selbst kaufte, um sie an seine Kunden weiterzugeben. | |
| Sichergestellt wurde bei den Durchsuchungen unter anderem ein Dokument über | |
| eine Vereinbarung zwischen Albrecht und Achenbach über die | |
| Rücknahmegarantien für Oldtimer, berichtet der Zeuge. Achenbach bestätigt | |
| darin Albrecht mit „lieben Grüßen“, dass er Luxusautos auf Wunsch innerha… | |
| von fünf Jahren zurücknimmt und ihm mindestens den Einkaufspreis zuzüglich | |
| 4 Prozent zahlt. Albrecht hat nichts zurückgegeben. | |
| Für diese Garantie habe er Rücklagen bilden müssen, begründete Achenbach | |
| seinen immensen Geldbedarf. Außerdem schrieben seine drei Düsseldorfer | |
| Restaurants rote Zahlen. In sie steckte Achenbach 5 Millionen Euro aus den | |
| Kunst- und Autohandelseinnahmen. Die Rückgabegarantie kann man auch als | |
| Rückversicherung für Achenbach verstehen. Wären Berthold Albrecht | |
| Unstimmigkeiten bei seinen Erwerbungen aufgefallen, hätte er Objekte und | |
| Oldtimer einfach zurückgegeben und sein Geld zuzüglich Zinsen bekommen – | |
| und seinen „Männerfreund“ nach der Wiedergutmachung wohl nicht angezeigt. | |
| 18 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
| ## TAGS | |
| Aldi | |
| Prozess | |
| Betrug | |
| Schadensersatz | |
| Kunstfälscher | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Urteil im Achenbach-Prozess: Der falsche Kunstfreund | |
| Das Landgericht Essen hat Helge Achenbach zu sechs Jahren Haft verurteilt. | |
| Auch das Eigentum von Superreichen wird vom Strafgesetzbuch geschützt. | |
| Haftstrafe für Kunstberater Achenbach: Absturz des Strippenziehers | |
| Es war einer der spektakulärsten Prozesse der deutschen Kunstszene: | |
| Kunstberater Helge Achenbach wurde zu einer sechsjährigen Haftstrafe | |
| verurteilt. | |
| Urteil gegen Helge Achenbach: 19,3 Millionen an Aldi-Erben | |
| Kunsthändler Helge Achenbach soll Millionen an Schadenersatz an die Familie | |
| des Aldi-Erben Berthold Albrecht zahlen. Parallel läuft der Strafprozess | |
| weiter. | |
| Dokumentation über einen Kunstfälscher: Von der Spezialanfertigung | |
| „Beltracchi – Die Kunst der Fälschung“ ist dort spannend, wo die | |
| systematische Liebe des Kunsthandels für die Fälschung deutlich wird. |