| # taz.de -- Debütfilm „Love Steaks“: Es scheppert, klirrt und zischt | |
| > „Love Steaks“ von Jakob Lass ist mit Heißhunger, Liebe und Sinn für | |
| > burleske Szenen improvisiert – und das ist diesem Erstlingswerk gut | |
| > bekommen. | |
| Bild: Clemens (Franz Rogowski), der Tolpatsch, am Strand der Ostsee. | |
| Auch eine Art, eine Romanze zu beginnen: „Boah, du schwitzt. Riecht man. | |
| Ist aber nicht schlimm.“ Die das im Fahrstuhl zu ihrem Gegenüber sagt, ist | |
| Lara (Lana Cooper), Köchin in einem Wellness-Hotel an der Ostseeküste, | |
| mitten im Nirgendwo – und Lara ist taff, aufbrausend, sie säuft gern. | |
| Wenn Lara mit ihrem Wagen auf den Straßen im Umland die Aufmerksamkeit | |
| zugeknöpfter Polizisten auf sich zieht, hört sie dabei krachig-dreckigen | |
| Punk. Er wiederum, der so schwitzt, ist Clemens (Franz Rogowski), ein neuer | |
| Masseur im Hotel und so unsicher im Auftritt wie tollpatschig im Gebaren. | |
| Untergebracht hat man Clemens in einer Wäschekammer in den oberen Etagen | |
| des Betriebs. Morgens holen ihn die Putzfrauen mit einem „Guten Morgen!“ | |
| aus den Federn, und wenn beide hier am Abend miteinander rummachen, zieht | |
| das den Unmut der Gäste aus dem gegenüberliegenden Flügel auf sich, die | |
| mangels Vorhänge unfreiwillige Zeugen des schönen Spaßes werden. | |
| ## Derbe was auf die Backen | |
| Ungleiche Partner also in einer Boy-meets-Girl- oder gleich | |
| Girl-gets-herself-a-Boy-Geschichte und damit beste Voraussetzungen für eine | |
| Liebesgeschichte am Strand, bei der es am Ende mitunter auch derbe was auf | |
| die Backen gibt. Das ist, in a nutshell, „Love Steaks“, der großartige | |
| Debütfilm von Jakob Lass, und ihm geht ein enormer Ruf voraus: Kaum eine | |
| zweite deutsche Produktion hat zuletzt auf so vielen Festivals abgeräumt | |
| und Preise eingefahren. | |
| Und das sehr zu Recht, denn diesem Film sind die Bräsigkeiten des deutschen | |
| Bescheidenheits- und Konsensfilmemachens gehörig ausgetrieben: Schön flink, | |
| geradezu lebensbejahend ekstatisch saust die Kamera (Timon Schäppi) durch | |
| die Bedienstetenwelt hinter den Kulissen eines tristen, betäubend auf | |
| Wohlgefühl getrimmten Hotels. Der Schnitt (Gesa Jäger) stückelt den Film | |
| hektisch und roh, mitunter auch unter unbekümmerter Missachtung dessen, was | |
| das Lehrbuch rät. | |
| ## Aufregend anders klingt dieser Film | |
| Dann ist da noch der Ton: Aufregend anders, dreckig klingt dieser Film – | |
| eine Wohltat nach den sterilen Klangwelten des deutschen Förderkinos, der | |
| wahrgewordene Albtraum jedes Fernsehredakteurs. Die Leute nuscheln, wie | |
| Leute eben nuscheln. Es scheppert, klirrt und zischt, wie es in einem | |
| Betrieb eben scheppert, klirrt und zischt. Immer wieder durchfahren harte | |
| Sounds das Geschehen. Wenn Clemens seufzenden älteren Damen den Rücken | |
| massiert, ist es dem Film noch eine ganz besondere Freude, sich auf der | |
| Tonspur von miesem New-Age-Klangschrott verunreinigen zu lassen. | |
| Schön, ja toll, was dieser Film sich traut. Er beweist in seinen Episoden | |
| und Vignetten erfrischenden Mut zum Humor: Mal ist er ganz lakonisch, | |
| trocken, ohne sich gemütlicher Skurrilität oder einlullender | |
| Beschaulichkeit zu beugen. Dann wieder ist er voll auf Slapstick gebürstet | |
| oder prüft die unterschiedlichen Weisen des Sprechens – etwa, wenn ein | |
| Manager Lara und Clemens tadelnd zurechtweist, dass die Hinterräume des | |
| Betriebs zu romantischen Tändeleien während der Arbeitszeit nicht zu | |
| missbrauchen sind – auf komisches Potenzial. | |
| Burlesk anarchisch wird es schließlich, wenn Lara ihrem Clemens in den | |
| Tiefkühlräumen allerlei kaltes Fleisch in den Schritt hängt, weil sie | |
| seinen vor Frost eingefahrenen Minischwanz sehen will. Überhaupt, die | |
| beiden Hauptdarsteller: Selten hat man zuletzt im deutschen Kino zwei junge | |
| Darsteller mit derart ausgeprägter Freude am Spiel gesehen. Auch das, wie | |
| alles andere: ein tolles, schönes Kinoglück. | |
| ## Laufender Hotelbetrieb | |
| Von weit weg weht da der Geist der klassischen Komödien von Klaus Lemke | |
| herüber, man denkt kurz an „Sylvie“ oder „Amore“, mit denen „Love St… | |
| zumindest entfernt verwandt ist. Und das nicht zuletzt wegen vergleichbarer | |
| Produktionsbedingungen: „Love Steaks“ liegen Skizzen, aber kein festes | |
| Drehbuch zugrunde, einige Szenen entstanden aus dem Moment heraus. Gedreht | |
| und improvisiert wurde während des laufenden Hotelbetriebs unter | |
| Bedingungen, die notgedrungen erfinderisch machen. | |
| Schon mit diesem Konzept steht man außerhalb der rigiden Vorgaben des | |
| hiesigen Fördersystems: Dem Film tut das in jeder Hinsicht gut. „Love | |
| Steaks“ atmet weder den Geist von Kultur mit großem K noch den des im | |
| deutschen Kino so nervigen Professionalismus-Gehampels von Berufszynikern. | |
| Stattdessen drehen hier Leute mit ordentlich Heißhunger ihren ersten großen | |
| Film – mit nichts als reiner Hingabe. Das macht zwar nicht reich und | |
| Sicherheiten schafft es auch nicht. Aber es macht sehr, sehr frei. | |
| 27 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Groh | |
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