# taz.de -- Film „Im August in Osage County“: Ungemütliches Beisammensein | |
> So weit der Horizont, aber kein Ort, an den man fliehen könnte: John | |
> Wells’ hochkarätig besetztes Familiendrama hat keine Angst vor | |
> Bitterkeit. | |
Bild: Julianne Nicholson, Meryl Streep und Margo Martindale: Eine stinknormale,… | |
Den Filmen, die als sogenannte Oscar-Köder ihren Weg in die | |
nordamerikanischen Kinos finden, eilt bei ihrer Ankunft in Europa | |
logischerweise ein Ruf voraus. Im Fall von „Im August in Osage County“ ist | |
es der, eine Enttäuschung zu sein. Nun gehört zu den Voraussetzungen einer | |
Enttäuschung, dass vorher etwas erwartet wurde. | |
Bei einem Pulitzer-Preis-gekrönten Theaterstück, das mit einem Ensemble | |
verfilmt wird, zu dem außer Meryl Streep und Julia Roberts in | |
unvollständiger Aufzählung auch noch Sam Shepard, Ewan McGregor, Margo | |
Martindale, Chris Cooper und Juliette Lewis gehören, besteht diese | |
Erwartung in einem steten, dichten Preisregen, dessen krönender Abschluss | |
eine ganze Reihe von Oscar-Statuen bildet. Daraus wurde offensichtlich | |
nichts. Und das ist eigentlich ganz gut so. | |
Denn befreit von der Last der Erwartungen lässt sich in „Im August in Osage | |
County“ etwas anderes entdecken; kein „Oscar-gekröntes Meisterwerk“, daf… | |
ein Film, der sich dem Trend der süßlich-launigen Familiendramen mutig | |
widersetzt. Enttäuschung erweist sich als eines seiner großen Themen, aber | |
nicht in der narzisstisch-kleingeistigen Art, wie sie der Oscar-Abend | |
hervorbringt, sondern viel bitterer, schmerzlicher und existenzieller. | |
In etwa das, was Meryl Streeps Figur der krebskranken Violet empfindet, als | |
sie in einer Szene vor einem Familienkonflikt davonlaufen will in die | |
endlose Weite der flachen Felder Oklahomas. Ihre von Julia Roberts | |
gespielte Tochter holt sie dann mit den Worten ein: „There is no place to | |
go“. So weit der Horizont, aber kein Ort, zu dem man fliehen könnte. Es | |
schnürt einem als Zuschauer die Kehle zu, und dabei mag man die | |
spitzzüngige Alte noch nicht einmal. | |
## Endlich mal keine Liebeserklärungen | |
Der Grundton des Theaterstücks von Tracy Letts ist nachhaltig bitter; John | |
Wells' Verfilmung hat ihn erstaunlicherweise beibehalten. Violet bildet das | |
eiskalte Zentrum einer stinknormalen, unglücklichen Familie. Ihr Mann | |
Beverly (Sam Shepard) verschwindet nach der Eröffnungsszene, die die beiden | |
im routinierten Ehekleinkrieg zeigte. Die drei erwachsenen Töchter (Julia | |
Roberts, Juliette Lewis, Julianne Nicholson) reisen mit ihrem jeweiligen | |
Anhang an, und als schließlich die Leiche des Vaters im See gefunden wird, | |
kommen zur Beerdigung auch noch Violets Schwester (Margo Martindale), deren | |
Mann (Chris Cooper) und deren Sohn (Benedict Cumberbatch) hinzu. | |
Als Zuschauer kann man das ungemütliche Beisammensein dieser vom Leben | |
wenig verwöhnten Gestalten genießen, gerade weil hier einmal nichts mit | |
„Ich liebe dich“-Erklärungen übertüncht wird. Letts' Dialoge funkeln mit | |
kleinen Gemeinheiten. Sei es das naive Vegetariertum der Enkelin, das | |
Ungeschick des Sohnes oder das Altern der Töchter – nichts ist vor dem | |
erbarmungslosen Mob, den die versammelte Familie bildet, sicher. | |
Auf die dramatische Enthüllung diverser Geheimnisse, die das Stück im | |
letzten Akt präsentiert, könnte man gut verzichten. Die Stärke des Films | |
besteht in der präzisen Darstellung einer Familientradition von galligem | |
Unmut, die gerade deshalb so schwer zu überwinden ist, weil sie | |
gleichzeitig eine wichtige Überlebenstechnik aus früheren, harten und | |
bitterarmen Zeiten bildet. In ihren sich gegenseitig in Uneitelkeit | |
ausstechenden Auftritten bringen dies Julia Roberts und Meryl Streep mit | |
atemberaubender Klarheit rüber. | |
6 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
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