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# taz.de -- 86. Oscar-Verleihung: Die Schwerkraft siegt
> „And the Oscar goes to ...“: Sieben Mal wurde dieser Satz mit „Gravity�…
> beendet. Bester Film wurde aber „12 Years a Slave“. Jared Leto wird
> politisch.
Bild: Siegerlächeln: Matthew McConaughey, Cate Blanchett, Lupita Nyong'o und J…
In den Schlagzeilen mögen die Gewinner dominieren, doch es geht bei jeder
Oscar-Verleihung ebenso um die Verlierer. Schließlich gibt es ganze
Jahrgänge, die heute vor allem für die Filme berüchtigt sind, die nicht
ausgezeichnet wurden. Das bekannteste Beispiel dafür stellt wohl das Jahr
1942 dar, als statt Orson Welles' „Citizen Kane“ John Fords „How Green Was
My Valley“ („Schlagende Wetter“) die Top-Trophäen gewann.
Womit bewiesen wäre, dass die begehrte Gold-Statuette keinen Film vor dem
Vergessen bewahren kann, während ein „Verlierer-Film“ noch über Jahrzehnte
hinaus die Möglichkeit hat zu triumphieren. Diesen Ausgang im
Langzeitgedächtnis der Filmgeschichte vorherzusagen, das wäre die
eigentliche Herausforderung unserer Tage.
Dass „American Hustle“ von zehn Nominierungen keine einzige in Gold
verwandeln konnte, spielt im Moment zwar jenen in die Feder, die David O.
Russels Trickbetrüger-Drama mit seinen gewagten Frisuren und tiefen
Dekolletees als überschätzt abkanzeln.
Mit seinem verheerenden Nominierungs- zu Gewinnverhältnis befindet sich
„American Hustle“ zumindest nicht in schlechter Gesellschaft: Steven
Spielbergs „Die Farbe Lila“ konnte einst von elf möglichen keinen Oscar
gewinnen, genauso wenig wie Martin Scorseses „Gangs of New York“ und Ethan
und Joel Coens „True Grit“ von zehn. Noch weniger muss sich Martin Scorsese
deshalb in diesem Jahr grämen, in dem sein „Wolf of Wall Street“ in den
fünf Top-Kategorien Bester Film, Regisseur, Drehbuch, Haupt- und
Nebendarsteller nominiert war und ein ums andere Mal unterlag: Die
Konkurrenz war eben doch ausgesprochen stark.
## Strapaziöse Verwandlungen werden honoriert
Womit wir bei den Gewinnern wären. Da lief eigentlich alles nach Plan, soll
heißen, wie von der Mehrheit der darüber obsessierenden Fachmenschen
vorhergesagt. „Gravity“ stand mit sieben Oscars am Ende als großer zweiter
Sieger dar, sozusagen in der Rolle desjenigen, der mit den technischen
Preisen die Fleißpunkte einsammelte, wo es um die Schönheit, sprich: Kunst
ging, aber „nur“ im Regie-Fach gewinnen konnte.
Mit den Oscars für Matthew McConaughey und Jared Leto für ihre jeweilige
Haupt- und Nebenrolle im Aids-Drama „Dallas Buyers Club“ zeigte die
Academy, dass sie am liebsten strapaziöse Verwandlungen honoriert. Oder wie
im Fall von Cate Blanchett, dass sie ein Herz hat für Frauen, die Mut zur
Hässlichkeit beweisen. Ach, und Spike Jonze gewann seinen ersten Oscar für
sein sehr schönes Originaldrehbuch zu „Her“.
Zu alledem gab es bewegende und/oder nett verwirrende Reden wie zum
Beispiel die von Jared Leto, der vom Dank an Mutter und Bruder, die ihn bei
der Verfolgung seiner Träume unterstützten, nahtlos zu den Träumen der
„Menschen in Venezuela und der Ukraine“ hinüberschweifte. Die einzige, die
ähnlich explizit auf Menschen außerhalb von Hollywood Bezug nahm, war die
in Kenia geborene Lupita Nyong'o, als sie ihren Nebendarstellerpreis für
„12 Years A Slave“ in Empfang nahm – in einer perfekten Mischung aus
innerlich völlig außer sich und äußerlich ganz bei sich, rief sie denen da
draußen zu, dass alle Träume gültig sind, egal woher man kommt.
## Pointe gut platziert
Zusammen mit dem Oscar fürs beste adaptierte Drehbuch, der an John Ridley
ging (als erst der zweite Schwarze, der in dieser Kategorie gewann), war
Lupita Nyong'os einer von nur drei Oscars für den Hauptpreisträger „12
Years a Slave“. Ganz zu Anfang hatte Moderatorin Ellen DeGeneres noch
gescherzt, dass der Abend auf zwei Weisen enden könnte: „1. Möglichkeit:
,12 Years a Slave' gewinnt. 2.: Ihr seid alle Rassisten.“ So gewagt es
schien, damit zu eröffnen, war die Pointe doch gut platziert, weil sie auf
einen Witz reduzierte, was als reale Spannung in der Luft lag.
Zwar ging in dieser Hinsicht alles noch einmal gut: Mit Alfonso Cuaron
(immerhin der erste Latino) als bestem Regisseur für „Gravity“ und „12
Years a Slave“ als bestem Film schien die gerechte Lösung gefunden zwischen
dem Kinovergnügen und dem Film mit Botschaft. Und doch hat die „Niederlage“
von Steve McQueen als Regisseur hier noch eine andere Bedeutung. Abgesehen
davon, wie es ausgesehen hätte, wenn er am Ende nicht als Produzent
(unglaublicher Weise als erster Schwarzer) auf der Bühne gestanden und in
einem bizarr-rührenden Moment seiner Mutter in der hintersten Reihe hätte
zuwinken können, scheint diese Aufteilung wie ein subtiles Mittel, um „12
Years a Slave“ auf den Status des „Films mit Botschaft“ zu reduzieren.
Dabei hätte McQueen nicht nur als Regisseur mit eigener ästhetischer Vision
geehrt gehört, sondern auch für seinen ungeheuer vitalen Luftsprung, mit
dem er den passenden Schlusspunkt setzte.
3 Mar 2014
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
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