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# taz.de -- Patricia-Highsmith-Verfilmung: Grimmig in Griechenland
> Düsterer Plot und sonnige Mittelmeeransichten streiten sich in „Die zwei
> Gesichter des Januars“, dem Regiedebüt des Drehbuchautors Hossein Amini.
Bild: Das waren noch Zeiten, als US-Touristen in Abendrobe dinierten: Viggo Mor…
Frauen in Etuikleidern, Männer mit Strohhüten, eine Akropolis, auf der es
nicht wie in einem Ameisenhaufen zugeht, und Restauranttische, an denen
amerikanische Touristen in Abendkleidung dinieren: Manche Filme spielen
nicht nur in einer anderen Zeit, sie scheinen wie aus der Zeit gefallen.
„Die zwei Gesichter des Januars“, das Regiedebüt des namhaften
Drehbuchautors Hossein Amini („Drive“, „Snow White and the Huntsman“)
spielt Anfang der 60er Jahre in Griechenland, als Reisen noch ein Privileg
und kein Massenphänomen war und sich Touristen durch eine gewisse
Vornehmheit absetzten. Wenn der Film mehr als altmodisch wirkt, so liegt
dies nicht nur daran, dass dieses Konzept uns heute fremd erscheint. Auch
nicht allein daran, dass Amini hier einen weniger bekannten und weniger
geschätzten Roman von Patricia Highsmith adaptiert.
Von Anfang an gibt es zum Beispiel dieses Licht, das wie mit betonter
Nostalgie auf das Geschehen fällt. Das Weiß wird cremefarben, und ein
rotgoldener Sonnenuntergang scheint als ewiges Versprechen über dem Meer zu
hängen. Weil es eine Highsmith-Geschichte ist, liegt zum Kontrast schon
über der ersten Begegnung der Figuren auch der Schatten des
Unausgesprochenen und der Täuschung. Wer genau hier wen täuscht, das wird
erst sehr viel später klar.
Zunächst scheint es der amerikanische College-Drop-out Rydel (Oscar Isaac)
zu sein, der seiner Umwelt etwas vormacht. Er verdingt sich als Reiseführer
in Athen und weiß mit gewinnendem Wesen ganz offensichtlich diesen Status
für romantische Eroberungen einzusetzen. Gleichzeitig gibt es Anzeichen
dafür, dass er in seinen Lebensentscheidungen nicht so frei und zwanglos
ist, wie er vorgibt.
## Unhandliche Koffer, unendlich viel Zeit
Ähnliches gilt für seine Bekanntschaft mit dem Ehepaar Colette und Chester
MacFarland (Kirsten Dunst und Viggo Mortensen): Als Zuschauer erkennt man
kaum, wer ihn mehr anzieht, die schöne junge Frau oder der unnahbare, sehr
selbstsichere ältere Mann. Während er fast ein wenig zu höflich mit Colette
flirtet, wandert sein Blick jedenfalls immer wieder zu ihrem Ehemann, als
erkenne er jemand in ihm.
Die MacFarlands gehören jener Spezies an, die man heute in Europa nicht
mehr trifft: reisende Amerikaner mit unhandlichen Koffern und unendlich
viel Zeit. Doch auch bei ihnen gibt es von Anfang an Hinweise darauf, dass
etwas mit ihnen nicht stimmt.
Sie sind ein ausnehmend schönes Paar, die junge Blondine und der elegante,
gesetzte Herr, aber wenn man sie gemeinsam am Tisch sitzen sieht, meint man
eine gewisse gegenseitige Enttäuschung zu erkennen, die sich in ihre schon
nicht mehr ganz frische Ehe eingeschlichen hat. Der Eifer, mit dem sie sich
auf Rydel als Reisebekanntschaft einlassen, legt nahe, dass hier eine
Beziehungsleerstelle gefüllt wird. Dann aber geschieht etwas, und sie
brauchen Rydel wirklich.
## Flucht nach Kreta
Gemeinsam flieht das Trio nach Kreta, wo während des Wartens auf gefälschte
Pässe erst richtig Dynamik in die jeweiligen Relationen kommt. Die zutage
tretenden Risse in der Ehe von Colette und Chester sind da noch die
uninteressantesten, spannender wird es zwischen Rydel und Colette, als der
junge Mann merkt, dass es mehr als nur das Äußere an ihr zu bewundern gibt.
Richtig fesselnd aber wird die Beziehung zwischen Rydel und Chester, vor
allem, als sie das Vater-Sohn-Territorium verlassen.
Auf einmal stehen sich da zwei Trickbetrüger gegenüber, die beide ungeheuer
geschickt darin sind, janusartig ihr Gesicht zu wechseln. Statt der „Zwei
Gesichter des Januars“ müsste der Filmtitel eigentlich mindestens vier
aufzählen.
Wie gesagt, Landschaft, Sonne, Meer, Leinenanzüge und -kleider, es könnte
alles so schön sein – und ist es vielleicht zu sehr. So grimmig sich
nämlich die Handlung entwickelt, so sehr lenkt das nostalgische
Griechenlandurlaubs-Setting immer wieder davon ab. Als Zuschauer weiß man
nie wirklich, ob man den Blick nun schweifen lassen soll über pittoreske
Ruinen in frühlingshafter Mittelmeerumgebung oder ob man besser
konzentriert jeden neuen Trick verfolgt, mit dem Rydel und Chester sich
jeweils selbst befreien und den anderen weiter verstricken wollen.
Allein schon wegen der Schauspieler Dunst, Isaac und Mortensen, die alle
drei auf ihre Weise ganz großartig sind, würde man sich wünschen, dass
Amini weniger Mühe auf das Setting und mehr auf seine Figurenzeichnung
verwandt hätte.
29 May 2014
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Albert Camus
Biografie
Literatur
Film
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