| # taz.de -- Einigung zum Doppelpass: Integrationsfeindliches Monster | |
| > Der halbherzige Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft stößt auch | |
| > innerhalb der SPD auf Kritik. Voll zufrieden hingegen ist die Union. | |
| Bild: Hätte sich mehr gewünscht: Malu Dreyer. | |
| BERLIN taz | Der große Wurf ist es nicht, das können selbst SPD-Politiker | |
| nicht verhehlen. „Es ist kein Geheimnis, dass ich eine vollständige | |
| Abschaffung der Optionspflicht bevorzuge“, sagte Baden-Württembergs | |
| Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) am Freitag zur taz. Auch Malu | |
| Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, hätte sich „eine | |
| weitergehende Regelung gewünscht“. | |
| Als „sehr unbefriedigend“ hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident | |
| Torsten Albig (SPD) den geplanten Gesetzentwurf zur doppelten | |
| Staatsbürgerschaft von Migrantenkindern in der FAZ bezeichnet: Es bleibe | |
| bei „einem riesigen integrationsfeindlichen Bürokratiemonster“. Sein | |
| Bundesland hat gemeisam mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im | |
| Bundesrat beantragt, die Optionspflicht ganz abzuschaffen. | |
| Doch nach dem Gesetzentwurf, auf den sich Bundesinnenminister Thomas de | |
| Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach mehrwöchigem | |
| Koalitionsstreit am Donnerstag geeinigt haben, sollen sich | |
| Einwandererkinder, die seit Geburt neben der deutschen die | |
| Staatsangehörigkeit ihrer Eltern besitzen, demnach nur dann nicht mehr | |
| zwischen den beiden Pässen entscheiden müssen, wenn sie mindestens acht | |
| Jahre in Deutschland gelebt haben. Gleiches gilt, wenn sie sechs Jahre in | |
| Deutschland die Schule besucht haben oder einen deutschen Schul- oder | |
| Ausbildungsabschluss vorweisen können. | |
| „Ich freue mich, dass wir dem Ziel, die Optionspflicht abzuschaffen, ein | |
| großes Stück näher gekommen sind“, gab sich die Integrationsbeauftragte der | |
| Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), verhalten zufrieden. Immerhin sei die | |
| Beweislast jetzt umgekehrt: Nicht die betroffenen Jugendlichen müssten ihr | |
| Aufwachsen in Deutschland nachweisen, sondern die Behörden müssten im | |
| Zweifelsfall das Gegenteil beweisen, hob sie das Positive hervor. | |
| ## „Einstieg in den Ausstieg aus der Optionspflicht“ | |
| Etwas zurückhaltender zeigte sich ihre Parteikollegin in Baden-Württemberg, | |
| Bilkay Öney: „Der jetzt gefundene Kompromiss muss in der Praxis beweisen, | |
| dass er Betroffenen und Behörden tatsächlich Erleichterungen gegenüber dem | |
| Status quo bringt“, schränkte sie ein. Einen „Fortschritt“ sieht | |
| Ministerpräsidentin Malu Dreyer in der Regelung: „Er bedeutet einen | |
| Einstieg in den Ausstieg aus der Optionspflicht.“ | |
| Voll und ganz zufrieden zeigte sich dagegen die Union: „Die Einigung beim | |
| Doppelpass trägt die Handschrift der Union“, sagte der stellvertretende | |
| Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Strobl: „Wir verlangen | |
| weiterhin ein Mindestmaß an Integration.“ | |
| Die Opposition hingegen lässt kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf. Die | |
| Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen sprach von einem „kleingeistigen, | |
| engstirnigen und faulen Kompromiss“. Und der innenpolitische Sprecher der | |
| Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, urteilte, die Optionspflicht werde | |
| anders als von Union und SPD behauptet gar nicht abgeschafft, sondern | |
| weitergeführt. Auch Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, | |
| sprach von einer „Optionspflichtverlängerung“. | |
| ## „Eher kompliziert und halberzig“ | |
| Kolat kritisierte außerdem, dass es keine Regelung zu jenen Fällen gebe, | |
| die die deutsche Staatsbürgerschaft durch den Optionszwang bereits verloren | |
| haben. Mindestens 248 Betroffene haben im vergangenen Jahr ihre deutsche | |
| Staatsbürgerschaft verloren – meist, weil sie die Frist versäumt hatten. De | |
| Maizière hatte zugesagt, dass sie auf einfachem Weg wieder eingebürgert | |
| werden können. Das bleibe aber weiter eine Ermessenentscheidung der | |
| Behörden, kritisierte Kolat. Auch von wissenschaftlicher Seite kam Kritik. | |
| Christine Langenfeld vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen | |
| Integration und Migration (SVR) sprach von „einer komplizierten und | |
| halbherzigen Regelung“. | |
| Die SPD hatte in den Koalitionsverhandlungen darauf gedrungen, die | |
| sogenannte Optionspflicht für Kinder von Einwanderern abzuschaffen. Bislang | |
| müssen sich Jugendliche spätestens bis zum 23. Geburtstag entscheiden, | |
| welche Staatsbürgerschaft sie haben wollen, weil die Mehrstaatlichkeit im | |
| deutschen Staatsbürgerschaftsrecht nach dem Willen der Union grundsätzlich | |
| weiter eine Ausnahme bleiben soll. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hatte | |
| behauptet, er werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, wenn die | |
| doppelte Staatsbürgerschaft nicht gewährt werde. Das gilt jetzt nur noch | |
| mit vielen Einschränkungen. | |
| 28 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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