Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Disput um Ausländerwahlrecht: Hauptsache Deutsch
> Der Staatsgerichtshof Bremen verhindert das Ausländerwahlrecht auf
> Landesebene. Bereits der in erster Lesung im Parlament beratene Entwurf
> sei verfassungswidrig.
Bild: Auch künftig nur für Deutsche: Landtagswahlen.
BRMEN taz | Auch in Zukunft dürfen mehr als zwölf Prozent der BremerInnen
nicht wählen. Das hat der Staatsgerichtshof am Montag entschieden – und
damit einen Gesetzentwurf der Bremischen Bürgerschaft kassiert, der eine
Ausweitung des Wahlrechts auf Bürger ohne deutschen Pass vorsah. Dieser sei
„mit der Bremischen Landesverfassung nicht vereinbar“. Die
Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen quittierten das Urteil mit
Enttäuschung.
Daran, dass der Gesetzentwurf vom Bremer Landtag angenommen worden wäre,
bestand kein Zweifel: Eine Dreiviertelmehrheit aus SPD, Grünen und
Linkspartei hatte ihm in erster Lesung zugestimmt. Und die
Rahmenbedingungen für die Einführung des Ausländerwahlrechts schienen
gerade in der Freien Hansestadt Bremen günstig, weil deren Landesverfassung
als Wahlvolk „die ganze Bevölkerung“ bestimmt – also alle Einwohnerinnen.
Das zählt aber nach Auffassung der Mehrheit des Staatsgerichtshofs nicht:
Verbindlich sei allein das Grundgesetz und dessen an die Staatsbürgerschaft
geknüpfte Bestimmung des Wahlvolks, weil, so der Urteilsvortrag der
Vorsitzenden Ilsemarie Meyer, laut Grundgesetz „das Volk in den Ländern
eine Vertretung haben muss“: Das aber setze einen einheitlichen „homogenen�…
Begriff vom Volk voraus. Für rund sieben Prozent der BremerInnen und
BremerhavenerInnen bedeutet das nun, dass sie auch auf Stadtteil-Ebene von
der Mitbestimmung und Mitwirkung durch die sogenannten Ortsbeiräte
ausgeschlossen sind.
Denn, so verlas Meyer, „die Beiräte üben Staatsgewalt aus“. Das täten si…
führt das Urteil näher aus, indem sie beispielsweise „über den Standort f�…
die Aufstellung von Kunstwerken im Raum“ entschieden oder gar über die
„Benennung von öffentlichen Wegen, Plätzen, Grün und Parkanlagen“.
Klar, darüber können eigentlich nur von deutschen Staatsangehörigen
gewählte Deutsche ordnungsgemäß befinden. Dass mittlerweile auch dauerhaft
hier lebende EU-Ausländer auf dieser Ebene mitwirken dürfen, dafür hatte es
1992 immerhin einer Grundgesetzänderung bedurft: Die damalige Ergänzung des
Artikels 28 liest der Bremer Staatsgerichtshof nun – mit in der
Gesetzgebungsdiskussion gut dokumentierten Gründen – als zähneknirschendes
Zugeständnis an die EU und die vom Maastrichter Vertrag formulierten
Kriterien als Ausnahme.
Die Regel, die sie bestätigt, stammt vom Bundesverfassungsgericht, das 1990
die Versuche Schleswig-Holsteins und Hamburgs verbot, ein
Ausländerwahlrecht einzuführen – weil „das Staatsvolk, von dem die
Staatsgewalt ausgeht, von den Deutschen gebildet“ werde. Diesen
altertümlichen Volksbegriff wieder infrage zu stellen, war ein legitimer
Versuch.
Immerhin war 1992 das Kommunalwahlrecht für in Deutschland ansässige
EU-Ausländer geöffnet worden – und zwar durch Änderung des mittels der
sogenannten Ewigkeitsklausel geschützten Artikels 28 des Grundgesetzes:
Durch die damalige Ergänzung habe sich gezeigt, dass die Bestimmung des
Staatsvolkes von dieser Veränderungssperre ausgenommen ist, so hatte im
Vorfeld der Entscheidung der Osnabrücker Staatsrechtslehrer Thomas Groß der
taz.nord mögliche Spielräume aufgezeigt.
Wenn es diese Spielräume gebe, liege es aber „in der Kompetenz der Länder,
zu definieren, wer in ihnen wahlberechtigt ist“. Schließlich schreibe ihnen
das Grundgesetz „nur vor, das Demokratieprinzip zu verwirklichen“.
In diesem Sinne hatte auch die Staatshofrichterin Ute Sackofsky für eine
Neubewertung des Volksbegriffs plädiert. Und in ihrer vom Urteil der
Mehrheit abweichenden rechtlichen Würdigung betonte sie die Dringlichkeit
des Anliegens: Die Beschränkung des Wahlrechts auf Staatsangehörige bedeute
ja „eine Einschränkung des aus der Menschenwürde abzuleitenden Anspruchs
auf Teilhabe an Wahlen“ – sprich: eine Menschenrechtsverletzung.
24 Mar 2014
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Wahlrecht
Ausländer
Urteil
Bremen
Bremen
Kenan Kolat
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ohnmächtige Bürgervertreter: Baubehörde blockiert Beiräte
Seit 2010 gilt das Beirätegesetz – mehr Rechte haben die Beiräte dennoch
nicht bekommen, sagt Hucky Heck, Beiratsvertreter und früherer
Ortsamtleiter.
Einigung zum Doppelpass: Integrationsfeindliches Monster
Der halbherzige Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft stößt auch
innerhalb der SPD auf Kritik. Voll zufrieden hingegen ist die Union.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.