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# taz.de -- Fuzzy-Logic-Pop von Avey Tare's Slasher Flicks: Baustellen des Unbe…
> Angenehm verwaschen: Animal-Collective-Mitglied Avey Tare und sein Album
> „Enter the Slasher House“. Eine musikalische Reminiszenz an Horrorfilme.
Bild: Ist jemand zu Hause? Avey Tare's Slasher Flicks im Anmarsch.
„Nun ist die wahre Spukezeit der Nacht, / Wo Grüfte gähnen und die Hölle
selbst / Pest haucht in diese Welt. Nun tränk ich wohl heiß Blut / Und täte
Dinge, die der bittre Tag / Mit Schaudern säh.“
William Shakespeare, „Hamlet“ 3. Akt, zweiter Aufzug.
Nachts, wenn es dunkel ist, regiert der blanke Horror. Was in den Dramen
William Shakespeares begann, setzt sich in den „Midnight Movies“ genannten
Filmen des Trashkinos fort, die in den Siebzigern im Spätprogramm der New
Yorker Off-Kinos zu sehen sind. Jason Hoberman und Jonathan Rosenbaum haben
darüber ein wunderbares Buch geschrieben. Und der New Yorker Musiker Avey
Tare beschwört diese jenseitige Atmosphäre nun mit seinem Projekt Slasher
Flicks und dem Album „Enter the Slasher House“ aufs Neue.
Im Foyer riecht es nach abgestandenem Bier und kaltem Rauch. Bloß nicht
wegdämmern bei den alten Streifen mit den schlierigen Bildern und
übersteuerten Tonspuren auf den unbequemen Sitzen, sonst schlafen erst die
Glieder ein und dann droht die Apokalypse. Auf der Leinwand im
Schattenreich der „Slasher Flicks“, bei den Monstern und Mad Scientists,
den feisten Freaks und lebenden Toten, kann böse auch gut heißen.
Da ist ein bisschen crazy völlig normal und richtig schlimm bedeutet immer
auch Schweinchen Schlau. Avey Tare ist sich wohl bewusst, dass in jedem ein
kleiner Gremlin steckt. Oder warum hat er sich im Videoclip zu dem Song
„Little Fang“von „Muppet-Show“-Erfinder Jim Henson einen kuscheligen
Wolpertinger designen lassen, der mit einem VW-Käfer durch eine
Spiegelkabinett-Welt fährt?
Unabhängig von seinem erfolgreichen Engagement bei der Band Animal
Collective hat Avey Tare für „Slasher Flicks“ New York gegen Los Angeles
getauscht, um den Schneid der Ostküste in der smogverhangenen Sonne
Südkaliforniens auszubleichen. „Enter the Slasher House“ ist kein Soloalbum
im klassischen Sinne, bei dem er nur Werbung in eigener Sache betreibt.
Avey Tare hat sich mit der Keyboarderin Angel Deradoorian von den Dirty
Projectors und dem Schlagzeuger Jeremy Hyman für das Projekt zusammengetan.
Und zusammen kreieren sie garagenpunkige Songscapes, so wie in dem
Fuzzylogic-Pophit „Little Fang“, aber auch hinterlistige Collagen, die von
den vielen Baustellen des Unbewussten zeugen. Entstanden sei die Musik „an
einem Ort, fern menschlichen Lebens“.
## Fleischgewordene Horror-Comicfiguren
Auch optisch inszenieren sich die drei Musiker als
Sci-Fi-Horror-Comicfiguren: Tare, ein ledermaskierter Gitarrenschwinger,
Deradoorian, Messer wetzend wie ein Vampir, und Hyman in der Rolle des
untoten Opa-Kannibalen.
Ihr Reigen beginnt mit „A Sender“, einem darmspiegelnden Keyboard-Blubbern.
Gesangshooklines setzen ein, sind aber durch Effekte unkenntlich gemacht,
dasselbe gilt für die Gitarrenriffs, die verkleistert klingen. Oftmals
stehen Töne allein, bis sie von gurgelnden Stimmen eingefangen oder von
Hymans Powerdrumming dem Erdboden gleichgemacht werden. Über den Kopfhörer
kommt die Hölle direkt nach Hause.
„Enter the Slasher House“ ist ein Lavastrom aus Geräuschen, Feedback und
Stimmen, der sich nur langsam zu Musik entwickelt. Denn es hagelt Breaks
und V-Effekte. Ablenkungsmanöver mit keulenartigen Primitive-Drumming und
Unisono-Melodien, die Grandioses antäuschen, aber ins Nichts führen.
Es wird wie wild zitiert, die Klangsignatur der frühen Kraftwerk etwa, aber
auch der saturierte Kokain-Funk der Siebziger. Verniedlicht und geschönt
wird dieses Ausgangsmaterial nicht, der Grusel haftet all diesen Verweisen
an. „Es geht uns um die Erzeugung von purem emotionalen Space“, sagt Avey
Tare. Und schielt wahrscheinlich auf seine Playstation. Dann schiebt er
hinterher, die Musik sei „von der Geste her Jazz“.
6 Apr 2014
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
New York
Los Angeles
Avantgarde
Panda Bear
Chorgesang
China
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