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# taz.de -- Neues Album von Panda Bear: „Das klingt sehr mächtig“
> Der US-Künstler Panda Bear über Swingbeats, die Magie des Chorgesangs auf
> seinem neuen Album und den Charme seiner Wahlheimat Lissabon.
Bild: Schickes Kachelmuster: Noah Lennox alias Panda Bear.
taz: Noah Lennox, „Pandabear meets the Grim Reaper“, Ihr Zusammentreffen
mit dem Sensenmann als Titel Ihres neuen Albums hat unheimliche Anklänge.
Nehmen Sie damit Bezug auf den Horrorfilm?
Panda Bear: Ich dachte eher an Comics. Für mich hat der Albumtitel einen
fast lächerlichen Unterton. Da einigen meiner Songs durchaus ernste Themen
zugrunde liegen, habe ich sie musikalisch in unbeschwerte Arrangements
eingebettet. Dadurch wirkt es so, als habe sich das Düstere unbemerkt in
die Musik eingeschlichen.
In Ihrer Musik kommen Elemente älterer Stile zum Tragen, Vokalharmonien und
mehrstimmiger Chorgesang. Was liegt Ihnen daran?
Ich mag die unterschiedlichsten Musiken aus allen möglichen Epochen, wobei
mein Fokus immer auf moderner Musik liegt. Sie haben insofern recht, dass
ich mich zurückbesinne und darüber wundere, wieso ich immer wieder bei den
gleichen Tonfolgen lande. Ich kann das nicht musiktheoretisch einordnen,
aber es gibt bei mir die Tendenz, dass ich bestimmte Gesangsharmonien
benutze und diese dann in der Produktion umsetze. Chorgesang fasziniert
mich seit Kindheitstagen, besonders wenn viele Stimmen unisono singen.
Daneben gibt es zwei weitere musikalische Konstanten auf Ihrem Album: Beats
und Sequencer-Hooks.
Das ist meine Antwort darauf, wie sich kommerzielle Popmusik heute anfühlt.
Stars platzieren ihre Stimme derart prominent vorne im Mix, dass darunter
gerade noch Platz für einen Beat und sparsamste Melodien bleibt, oftmals
erzeugt von einem Synthesizer. Ich habe mein seltsames Verständnis von
Songwriting genommen und es mit dem kostümiert, was im aktuellen Pop en
vogue ist.
In Ihrem Song „Butcher Baker Candlestick Maker“ singen Sie von einem
bedeutungslosen Plug-in. Meinen Sie das als Kritik an zeitgenössischen
Produktionsstandards?
Sich über den Stand der Musikproduktion Gedanken zu machen, während man
selbst gerade Musik produziert, ist in etwa so, als ob in einem Film eine
Kamera im Bild auftaucht. Und es ist ein Kommentar zum Standing von
Musiksoftware. Sie ist zu einem künstlerischen Ausdrucksmittel geworden, zu
einer Grundlage dessen, wie Musik produziert wird. Aber mit manchen ihrer
Nebenwirkungen werde ich mich nicht abfinden: Musiksoftware automatisiert
bestimmte Prozesse und auf Dauer wird es damit langweilig. Ich mag es
lieber, wenn Delay-Effekte danebenliegen. Wenn sich Spuren einfach nicht
parallelisieren lassen. Ich bin mir auch sicher, dass das menschliche Gehör
sofort merkt, wenn Grooves zu straight und leblos klingen.
Der Auftaktsong heißt „Sequential Circuits“, das wäre eine Interpretation
Ihrer elliptischen Form von Songwriting. Was gefällt Ihnen daran?
Die Ellipse ist meine favorisierte Form, auch beim Songwriting. Es gibt
nichts, was sich für mich harmonischer anfühlt als dieser Soundklumpen.
Vielleicht hat es mit dem zu tun, was in der Mathematik der Goldene Schnitt
heißt. Popmusik ist oft so formelhaft strukturiert:
Strophe-Refrain-Strophe-Bridge-Strophe. Es gibt nur wenige Abweichungen von
dieser Norm. Als ich mit dem Schlagzeugspielen begonnen habe, blieb ich
lange beim archetypischen 4/4-Rockbeat, diesem
Bassdrums-Blechtrommel-Stomp. Und dann kam der Impuls, andere Rhythmen zu
spielen. So war es auch beim Songwriting. Beim Experimentieren mit der
Anordnung von Songteilen habe ich irgendwann alle Strophen rausgeschmissen.
Ich bin beim Refrain geblieben, fand Gefallen daran, Songs zu entwerfen,
die einzig und allein aus Hooklines bestehen. Das klingt sehr mächtig.
Können Sie bitte das Beatdesign Ihres Albums entschüsseln? Für meine Ohren
klingt darin der Sound des britischen Produzenten Soul II Soul an.
Stimmt, auf meinem letzten Album „Tomboy“ habe ich Soul II Soul gesampelt.
Man könnte sogar sagen, dass Nellee Hooper von Soul II Soul der Schlüssel
zu meinem Beatdesign ist. Auf dessen Folie habe ich auch die Beats auf dem
neuen Album gebaut. Er gehört zu einer bestimmten Periode von HipHop der
90er, bei der mir die Swingbeats immer gefallen haben. Als in den nuller
Jahren die HipHop-Produktion digitalisiert wurde, mit Midi-Systemen und dem
Step-Sequencing, kam Sampling aus der Mode, und somit ist der Swing
verschwunden. Alles klingt seither robotermäßiger. Das soll jetzt nicht
heißen, dass dadurch keine tolle Musik mehr möglich ist. Aber ich wollte
für dieses Mal zurück zu diesem Sound, der einen swingenden Bounce hat.
Warum gerät dieser swingende Bounce immer wieder mit dem Chorgesang in
Konflikt?
Das ist Absicht und macht mir Spaß. Aber auch viel Arbeit. Die
gegensätzlichen Soundelemente auf dem neuen Album in Einklang bringen, das
erfordert chirurgische Präzision.
Sie leben seit über zehn Jahren in Lissabon. Es gibt dort eine
Dancefloor-Szene, die sich stark am Kuduro-Sound der angolanischen und
mozambikanischen Migranten anlehnt. Auf dem Label Principé erscheinen tolle
Platten, kriegen Sie diese Entwicklungen mit?
Ich kenne die Leute. Sie waren auch dafür verantwortlich, dass meine Band
Animal Collective in Lissabon live gespielt hat. Principé veranstaltet
gelegentlich Raves, und wenn ich dorthin gehe, nimmt mich die
Starkstrom-Atmosphäre sofort gefangen. Das ist fantastisch.
Was war am schwierigsten, als Sie nach Lissabon gezogen sind? Was gefällt
Ihnen dort am besten?
Ich liebe die Stadt. Meine Frau hat mir geholfen, mich schnell dort
heimisch zu fühlen. Schwierig ist, dass ich mit meinen Mitmenschen noch
nicht so kommunizieren kann, wie ich es möchte.
Sprechen Sie Portugiesisch?
Noch nicht gut genug. Ich habe erst dort verstanden, wie selbstverständlich
die sprachlichen Details und Gesten unsere Ausdrucksweise prägen. Am
meisten vermisse ich das Herumblödeln. Besonders gut an Lissabon gefällt
mir, dass es einen Sinn für die kleinen Dinge des Alltags gibt, was ich aus
den USA so nicht kenne. Nehmen wir das Lunch, in der portugiesischen
Mentalität gilt es als selbstverständlich, dass man sich für die
Mittagspause Zeit lässt und anderthalb Stunden isst. Manchmal wirft mich
die lusitanische Gemütsruhe aus dem Konzept. Wenn Sachen schiefgehen, eine
Deadline einzuhalten ist, machen mich die Portugiesen wahnsinnig.
Sie samplen immer wieder Laute von Tieren. Auf dem zweiten Song, „Mr.
Noah“, verwenden Sie Wolfsgeheul. Der heulende Wolf ist ein Symbol der
Subkultur, nehmen wir „Howl“ von Allen Ginsberg als Referenz.
Das Wolfsgeheul ist nicht metaphorisch gemeint. Und doch schwingt in meiner
Musik immer etwas Unbewusstes mit. Ich verarbeite so Emotionen und
Erfahrungen, dabei wird jede Menge Treibgut angeschwemmt. Warum habe ich
das Wolfsgeheul verwendet? Jedenfalls wusste ich nicht, dass es auch ein
Totem der Gegenkultur ist. Aber das gefällt mir jetzt. Ich liebe Wolfs-
oder Seemöwengeheul. Beide rufen eine ganz besondere Stimmung hervor.
Möwengeheul wird mit den Strandregionen assoziiert, einem riesigen Raum der
Weite. Das Wolfsgeheul hat eine ähnliche einsame, verlassene Naturumwelt,
nur dass sie auch mit der Nacht assoziiert wird. Das Geheul fügt „Mr. Noah“
etwas Angstvolles hinzu. Er trägt ja auch Züge eines karikaturhaften
Selbstporträts. Der Text fokussiert auf Facetten meiner Persönlichkeit, die
mir nicht gefallen. So kommen wir wieder zum Anfang: Der dunkle Stoff wird
überzeichnet. Komödianten wirken auf ihre Fans auch angsteinflößend.
Wie stellen Sie sich nun den Sensenmann vor?
Was jetzt seine oder ihre Beteiligung an meinem Album angeht, würde ich
sagen, er/sie ist ein/e Vorbote/in des Wandels: Wenn es zu drastischen
Veränderungen kommt, hat der Tod immer ein Wörtchen mitzureden. Ein Set-up,
in dem jede Aktion sofort zu einer Reaktion führt. Aber der Sensenmann ist
kein Agent des Bösen. Und mit dem Sterben mache ich hoffentlich erst in
ferner Zukunft Bekanntschaft.
16 Jan 2015
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Chorgesang
Lissabon
Panda Bear
Panda Bear
New York
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