| # taz.de -- NRW-Landesmutter will nie nach Berlin: Keinerlei Kraftmerkelei | |
| > Träumt nie von der Spree, will nur ihre Ruhe haben. Hannelore Kraft sagt, | |
| > was sie über die Bundes-SPD denkt. Dabei läuft sie Gefahr, ihren Einfluss | |
| > zu beschränken. | |
| Bild: Will nicht nach Berlin: Hannelore Kraft. | |
| Der SPD geht es im Bund nicht gut. Schon lange nicht. Das hat viele | |
| komplizierte Gründe. Einer ist die Ministerpräsidentin von | |
| Nordrhein-Westfalen. Hannelore Kraft ist die Einzige in der | |
| Sozialdemokratie, die Angela Merkel ernsthaft gefährden könnte. Sie ist | |
| Merkel in manchem ähnlich. Beide sind keine typischen Parteipolitikerinnen. | |
| Kraft trat sehr spät in die SPD ein, Merkel erklärte freimütig, sie hätte | |
| 1990 auch eine andere Partei als die CDU erwählen können. Diese Ferne zum | |
| Parteipolitischen kommt an. Kraft versteht sich zudem darauf, eine | |
| Nach-Schröder-Sozialdemokratie mit menschlichem Antlitz zu verkörpern: | |
| irgendwie behütend und sozial, ohne links zu sein. | |
| Vor allem aber verkörpern beide einen modernen, weiblichen politischen | |
| Führungsstil, der beim für Konsensbotschaften empfänglichen Publikum | |
| blendend ankommt. Deshalb auch sind launisch wirkende, aufbrausende, | |
| polarisierende Figuren wie Peer Steinbrück oder Sigmar Gabriel so | |
| chancenlos gegen Angela Merkel. | |
| Es ist ein Teil des machtpolitischen Dramas der SPD, dass ihre womöglich | |
| einzig brauchbare Waffe partout nicht nach Berlin will. Dutzende von | |
| Journalisten und auch Genossinnen haben Kraft gefragt, immer wieder. Es war | |
| fast eine Art politisches Stalking. Vielleicht, so die Vermutung, wartet | |
| sie ja insgeheim nur auf den richtigen Moment, in dem alles wie von selbst | |
| auf sie zuläuft. Vielleicht ist die stetige Bekundung, dass ihr Job in | |
| Nordrhein-Westfalen „viel wichtiger ist“ als alles, was in Berlin so | |
| passiert, doch nicht in Stein gemeißelt. Würde sie wirklich Nein sagen, | |
| wenn die Partei sie bräuchte und man ihr in Berlin den roten Teppich | |
| ausrollte? | |
| Ja, das würde sie. Bei einem Termin – nein, nicht in Berlin vor der | |
| Hauptstadtpresse, sondern in der sachsen-anhaltischen Provinz – hat sie die | |
| Spekulationen, ob nicht doch vielleicht unter Umständen eine Karriere im | |
| Bund in Betracht käme, endgültig beendet. Noch mal. „Meine Stärke ist | |
| nicht, bei irgendwelchen G-20-Runden in Europa am Tisch zu sitzen“, so | |
| Kraft. Wer so redet, liefert freiwillig Munition für die politische | |
| Konkurrenz. Wer so redet, will sich nicht taktisch ein Türchen offen | |
| halten. Wer so redet, will einfach nur in Ruhe gelassen werden. | |
| ## Die Bundes-SPD – eine Schlangengrube | |
| Kraft schreckt in Berlin nicht nur die Aussicht auf langwierigen | |
| G-20-Gipfel, sie schreckt vor allem die ungehobelte Bundes-SPD. 2008 war | |
| sie dabei, als Müntefering am Schwielowsee Kurt Beck als Parteichef | |
| stürzte. Das war für sie „der schwärzeste Moment der Parteigeschichte“. … | |
| Bundes-SPD ähnelt, von Düsseldorf aus betrachtet, einer Art Schlangengrube, | |
| das Willy-Brandt-Haus können wir uns als intrigantes Schauspiel | |
| shakespearehaften Ausmaßes vorstellen. „Mich bekämpfen in der Regel die | |
| eigenen Leute“, so Kraft. | |
| Das mag ehrlich sein. Aber Ehrlichkeit ohne Zweck ist im politischen | |
| Geschäft oft schädlich. Mit solchen Sätzen läuft Kraft Gefahr, ihre eigene | |
| Gegnerin zu werden. Offenbar verfolgt sie mit so markigen Sätzen kein Ziel. | |
| Sie will keine Gefolgschaft organisieren, sie will nur mal auf den Gong | |
| hauen. Und das in einem Augenblick, in dem es in der SPD gesittet wie lange | |
| nicht mehr zugeht. | |
| Die Macht von Politikern bemisst sich nach ihrem Status, und nach dem, was | |
| sie noch werden können. Kraft ist Nummer eins in NRW, dem Bundesland, das | |
| für die SPD wichtiger ist als für alle anderen. Kraft ist in der SPD | |
| mächtig – noch. Denn sie ist gerade dabei, eigenhändig ihren Einfluss zu | |
| beschränken. Das ist der Unterschied zwischen Kraft und der Kanzlerin. | |
| Merkel wollte die Macht, Kraft will sie nicht. Es ist ein Unterschied ums | |
| Ganze. | |
| 15 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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