| # taz.de -- Kolumne Roter Faden: Spaß an der Farce | |
| > Durch die Woche gesurft: Snowden im russischen Fernsehen, Kerry in Genf, | |
| > das Wahlbusiness der Diktatoren und Vergewaltigung in Deutschland. | |
| Bild: Es werden mehr Vergewaltigungen denn je angezeigt – doch in nur 8 Proze… | |
| Nichts als Außenpolitik und böse Überraschungen dieser Tage: Allen voran | |
| Putin weiß den Spielraum zu nutzen, den ihm die verwirrte EU und der | |
| Demokratieverfall in den USA – siehe Snowden – eröffnen. Der nun wurde von | |
| Putin zu dessen TV-Spektakel zugeschaltet und stellt fest, dass die | |
| Ausspähung in Russland längst kein amerikanisches Ausmaß erreicht habe. | |
| Wir wissen nicht, was Snowden denkt. Aber wir wissen, dass Putin sich | |
| mühelos Personen entledigt, die ihm in die Quere kommen. Insofern zeigt das | |
| Statement, wie erpressbar Snowden ist. Höchste Zeit, ihn nach Deutschland | |
| zu holen, um ihn sowohl vor den USA als auch Russland zu schützen. Ob sich | |
| das deutsche Parlament zu einer solchen Verteidigung der Demokratie | |
| durchringen kann? Immerhin ist sie mit einem Risiko behaftet. Vielleicht | |
| reagieren die Großmächte verärgert. | |
| Putin verkündete diese Woche auch, das russische Parlament habe ihn | |
| ermächtigt, gegebenenfalls militärisch in der Ostukraine zu intervenieren. | |
| Das liest sich wie eine augenzwinkernde Inversion von Obamas vergeblichem | |
| Versuch, sich im US-Kongress Unterstützung für eine Intervention in Syrien | |
| zu holen. | |
| Ein Putin aber scheitert nicht am Parlament, wie auch? Jeder einzelne | |
| Minister hängt am seidenen Faden, dessen Enden er in den Händen hält. | |
| Nähmen es die hiesigen Medien mit Worten etwas genauer, dürften sie das | |
| Gremium im Kreml niemals Parlament nennen und die alle paar Jahre | |
| wiederholte Stimmzettelabgabe nicht Wahlen. Dass die Sprachregelungen der | |
| Machthaber gern distanzlos übernommen werden, ist ein Symptom einer | |
| grassierenden Fantasielosigkeit, die zwischen Diktatur und Demokratie nicht | |
| mehr unterscheidet, sich aber stets an den Autoritäten ausrichtet. | |
| ## Wahlen im Bombenregen | |
| Ja, und auch Assad bereitet dieser Tage seine Wiederwahl vor. Am Spaß an | |
| der Farce mangelt es weder ihm noch seinen Kollegen im Diktaturengeschäft. | |
| Indessen lässt das syrische Militär Fassbomben auf die noch Lebenden in | |
| Aleppo und Homs regnen, und es wurde diese Woche in einem Dorf in der Nähe | |
| der syrischen Stadt Hama wieder Giftgas eingesetzt. Kein Diktator, wohl | |
| aber ein Präsident hat eine Schutzverantwortung für die Bevölkerung. Doch | |
| an dieser Selbstverständlichkeit werden Putin und Assad nicht gemessen, wer | |
| wird denn blauäugig sein? | |
| Das hat Folgen auch für die Demokratien. Der hilflose Umgang mit der | |
| Ukraine und mit Syrien zeigt, wie weit die Orientierungslosigkeit reicht, | |
| in der sich die Demokratien befinden. Von der Orientierungslosigkeit der | |
| Linken nicht zu reden. | |
| In Syrien selbst fragen sich viele, wer eigentlich noch wählen gehen soll: | |
| 9 Millionen, also knapp jeder Zweite, ist auf der Flucht, grob geschätzte | |
| 150.000 SyrerInnen wurden bereits ermordet. Übrigens kontrolliert Assad nur | |
| noch knapp die Hälfte des Landes. In diesen Gebieten könnte es allerdings | |
| sein, dass die Bevölkerung gezwungen wird, wählen zu gehen. In Damaskus zum | |
| Beispiel geht es heute wieder zu wie in den 1980er Jahren. Alle mussten | |
| ihre Fensterläden in den Farben der syrischen Flagge anmalen, da hat der | |
| Geheimdienst ein Auge drauf. Auch die Altstadt leuchtet nun in Schwarz, | |
| Grün, Rot – mit weißen Sternchen. | |
| ## Auf zu viel Brot steht Gefängnis | |
| Weniger lustig sind die zahllosen Checkpoints, die den Damaszenern den | |
| Alltag verelenden. Immer mühseliger wird es, sich von A nach B zu bewegen, | |
| und sei es nur, um Brot zu kaufen. „Sie haben haben fünf Laibe dabei, | |
| braucht Ihre Familie so viel oder helfen Sie jemandem?“ Humanitäre Hilfe | |
| hat Assad zum terroristischen Akt erklärt. Da kennt er keinen Spaß. | |
| Und was gab es Erfreuliches diese Woche? Immer mehr Frauen erstatten in | |
| Deutschland bei Vergewaltigung Anzeige. Die Emanzipation schreitet voran. | |
| Gleichzeitig werden immer weniger Verfahren zugunsten der Klägerin | |
| entschieden. Der durchaus umstrittene Direktor des Kriminologischen | |
| Instituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, hat eine Studie vorgestellt. | |
| ## Emanzipation in Deutschland | |
| In den 1990er Jahren wurden noch knapp 22 Prozent der Beklagten verurteilt. | |
| Im Jahr 2012 waren es rund 8 Prozent. Diese Zahl blieb bislang | |
| unwidersprochen. Womöglich seien Polizei und Staatsanwaltschaft überlastet. | |
| Dank der 1997 durchgesetzten Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe hat | |
| sich etwas verändert: Frauen zeigen Männer an, mit denen sie in einer | |
| Beziehung stehen. Da steht dann häufig Aussage gegen Aussage, und die | |
| Beschuldigten leugnen auch gar nicht, Sex gehabt zu haben – nur sei der | |
| eben einvernehmlich gewesen. | |
| DNA-Analysen helfen da bei der Klärung der Schuldverhältnisse nicht weiter. | |
| Es ist komplizierter geworden. Und für die betroffenen Frauen fast | |
| aussichtslos. Denn noch immer hat man keine Fragetechnik entwickelt, die | |
| den Zeitpunkt, an dem Einvernehmlichkeit in Gewalt kippte, juristisch | |
| eruierbar macht. | |
| Zeit, sich den Ostereiern zuzuwenden. So viel Elend erträgt ja niemand ohne | |
| irgendetwas Nettes im Bauch. | |
| 18 Apr 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Kappert | |
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