| # taz.de -- Kolumne Roter Faden: Nabelschaujagd auf Islamisten | |
| > Durch die Woche gesurft: Der Innenminister verbietet den Islamischen | |
| > Staat in Deutschland und Obama führt wieder offiziell Krieg. | |
| Bild: Die Nabelschaujagd der Deutschen auf die Islamisten... | |
| Jetzt kommen die Verbote. Innenminister de Mazière will sich keine Faulheit | |
| nachsagen lassen und verbietet den Islamischen Staat. Also den deutschen | |
| Ableger davon. | |
| Manche Kritiker befürchten, das ginge nicht, denn womöglich habe dieser gar | |
| keine Postadresse in Deutschland oder sie sei nicht bekannt ist. Doch de | |
| Maziere bleibt dabei: Das Anwerben von Mitgliedern und die IS-Propaganda | |
| ist jetzt strafbar: die Fahnen, die Videos im Internet – auch die Bärte? | |
| Das dürfte auch Hipster belästigen. Oje. Auf die Terrorliste kann IS | |
| übrigens nur per Gerichtsentscheid gesetzt werden. | |
| De Mazière will wissen, dass von den rund 320 nach Syrien entschwundenen | |
| Islamisten, 100 wieder zurück und im Lande seien. Zum Vergleich: Die Zahl | |
| gewaltbereiter Rechtsextremisten in Deutschland liegt nach Auskunft des | |
| Innenministeriums in diesem Jahr bei etwa 9.600 Personen. | |
| ## Jetzt kommen die Verbote | |
| Die hierzulande viel beschworene Gefahr, die von den islamistischen | |
| Rückkehrern ausgehen soll, dürfte die von den christlichen oder ungläubigen | |
| Rechtsradikalen und ihren Helfershelfern im Sicherheitsapparat also kaum | |
| übertreffen. Stichwort NSU und tiefer Staat. Gleichwohl stürzt sich nun | |
| alles auf die Islamisten. | |
| Auch die Geheimdienste. Vielleicht wissen sie mehr, wer weiß? Oder sie | |
| nutzen die Gelegenheit, ihren im Zuge der NSU- und der NSA-Affäre doch böse | |
| ramponierten Ruf aufzupolieren. Ein verhinderter Anschlag, das wär doch | |
| was! Ob ein solcher wirklich in Planung war, kann die Öffentlichkeit | |
| ohnehin nicht nachprüfen. Und auch so ein paar IS-V-Leute wären zweifellos | |
| schick. | |
| ## Deutsche bei IS in Syrien? Nie gehört | |
| Verweigert man sich versuchsweise der Nabelschau und findet nicht, dass | |
| Deutsche die durch Islamisten zentral Gefährdeten sind, fragt man gar | |
| syrische Aktivisten in den von IS besetzten Städten Deir ez-Zor oder auch | |
| ar-Raqqa, der Hochburg – per Skype sind die Leute, die man hier so gerne | |
| kommentarlos verhungern und ausbomben lässt, durchaus zu erreichen –, fragt | |
| man also die noch Lebenden nach Europäern bei IS, ist die höfliche Antwort | |
| folgende: Ihrer Erfahrung nach kommen die meisten Ausländer bei IS aus | |
| Russland, aus Tschetschenien oder aus Turkmenistan. Auch Tunesier und ein | |
| paar jordanische Geheimdienstler mischen mit. Doch Deutsche? Nie gesehen, | |
| nie gehört. | |
| Unterdessen verkündete US-Präsident Obama diese Woche das Ende seiner | |
| Außenpolitik der militärischen Nichteinmischung. Die USA ziehen erneut in | |
| den Krieg. Sie werden die Luftangriffe vom Irak auf Syrien und auch den | |
| Jemen ausweiten. | |
| Gleichzeitig arbeiten sie intensiv daran, eine Allianz der Willigen zu | |
| formieren. Frankreich und Großbritannien schließen flankierende | |
| Luftangriffe auf die genannten Ziele nicht mehr aus. Außenminister | |
| Steinmeier glücklicherweise schon. Glücklicherweise, weil damit zumindest | |
| ein deutscher Regierungspolitiker nicht ins Horn der Militarisierung oder | |
| Überwachung als Allheilmittel bläst. | |
| Es wird nicht mehr lange dauern, und der Kampf gegen IS wird wieder zur | |
| schaurigen, bei Medien und Konsumenten beliebten Menschenjagd werden. Wie | |
| schon bei Osama bin Laden oder Saddam Hussein. Den Terror hat die Exekution | |
| der Führer nicht eingedämmt. Sei’s drum. Vizepräsident John Biden brüstet | |
| sich damit, IS bis „zu den Toren der Hölle“ verfolgen zu wollen. Weiter | |
| geht er aber nicht. | |
| Eine Analyse, warum die Islamisten solchen Zulauf haben, sucht man dieser | |
| Tage vergebens. Wenn das militärische Denken gefeiert wird, bleibt für | |
| politische Bestandsaufnahmen und Konzepte immer wenig Raum. Selbst für | |
| geografische Grundkenntnisse nicht. Auf Twitter lachen einige gerade | |
| darüber, dass ein Sprecher des Weißen Hauses behauptete, Syrien habe eine | |
| „extensive“ Grenze mit Saudi-Arabien. Hat Syrien nicht, der Irak liegt | |
| dazwischen. | |
| ## Die Krux mit der Weltläufigkeit | |
| Erinnert sich noch jemand an Quentin Tarantinos Komödie „Inglourious | |
| Basterds“? Hier unterliegen die Amis immer wieder gegen Nazis, weil sie ums | |
| Verrecken keine Fremdsprachen lernen wollen und ihnen auch sonst | |
| Weltläufigkeit ein Gräuel ist. | |
| Und wo wir schon einen Fuß in die Welt der lustigen Fiktionen gesetzt | |
| haben, darf die Empfehlung der gegenwärtig laufenden französischen Klamotte | |
| „Monsieur Claude und seine Töchter“ nicht fehlen. Mit einem stets passenden | |
| schulterzuckenden „Phhh“ werden alberne Witze über die Gutsituierten | |
| gemacht. Über ihren Rassismus, ihre Depressionen, ihre Freude am Essen und | |
| ihre Zukunftsvisionen: biohalal. | |
| Alle sind bekloppt, kleinlich und infantil. Und liebenswert, irgendwo. | |
| Wie schade, dass das für die wirkliche Welt, die sich so gerne in einfach | |
| gestrickten Geschichten vom bösen anderen verliert, so gar nicht zutrifft. | |
| 13 Sep 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Kappert | |
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