Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dokumentarfilm über "Mietrebellen": „Der Markt ist eine Zumutung…
> In „Mietrebellen“ zeichnen Matthias Coers und Gertrud Schulte Westenberg
> die Mieterproteste der letzten Jahre nach – und räumen mit Klischees über
> Betroffene auf.
Bild: Lassen sich auch nicht mehr alles bieten, diese Mieter
taz: Frau Schulte Westenberg, Herr Coers, wer sind eigentlich die
„Mietrebellen“ Ihres gleichnamigen Films?
Matthias Coers: Wir haben mit dem Titel auf den Begriff der Mietnomaden
reagiert, der von der Wohnungswirtschaft erfolgreich lanciert wurde. Damit
wurde ein absolutes Nebenproblem aufgeblasen, um MieterInnen als
BetrügerInnen zu diffamieren. Wir bezeichnen die MieterInnen als
RebellInnen, die sich gegen Mieterhöhungen und Vertreibungen solidarisch
wehren.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Gertrud Schulte Westenberg: Das betrifft alle MieterInnen, die wir im Film
zeigen. Ich will exemplarisch die Rentnerin Rosemarie Fließ nennen, die
sich wenige Tage vor ihrer eigenen Räumung an einer Demonstration gegen die
Räumung der Familie Gülbol in Kreuzberg beteiligte, obwohl sie sich nur
noch mit Mühe bewegen konnte.
Die Beerdigung von Rosemarie Fließ, die zwei Tage nach ihrer Zwangsräumung
starb, ist ein zentrales Element des Films.
Coers: Der Tod von Rosemarie Fließ hat die Dramaturgie des Films verändert.
Meine Grundidee war zunächst, in dem Film die unterschiedlichsten Menschen
zu zeigen, die sich gegen ihre Vertreibung wehren und so den Zuschauern Mut
zu machen. Dieses Konzept war durch den Tod von Rosemarie Fließ nicht mehr
aufrechtzuerhalten. Wir setzten die Beerdigung an den Anfang und wollten
damit deutlich machen, dass Zwangsräumungen keine Seltenheit sind – und
mitunter auch tödlich sein können. Doch so wie die meisten Zwangsräumungen
ohne öffentliche Aufmerksamkeit über die Bühne gehen, werden auch
Krankheit, Trauer und Tod der Mieter nach dem Verlust der Wohnung in der
Regel nicht wahrgenommen.
Schulte Westenberg: Ich war als Mieterin von einer
Modernisierungsankündigung mit angedrohter Mieterhöhung konfrontiert,
schloss mich meinen NachbarInnen zusammen – und wir hatten Erfolg. Diese
eigene Erfahrung hat mich sensibel für den MieterInnenprotest gemacht. Ich
habe Menschen kennengelernt, die sich gegen Mieterhöhung und Verdrängung
engagieren und war davon stark beeindruckt. Ich dachte mir, dass die eine
Arbeit machen, für die eigentlich die Politik zuständig ist. Das war meine
zentrale Motivation für den Film.
Der Film konzentriert sich sehr stark auf die einzelnen Protagonisten.
Warum fokussieren Sie sich so auf die einzelnen Charaktere, auf das
Persönliche des Protests?
Coers: Damit wollten wir die Unterschiedlichkeit der Mietrebellen deutlich
machen. Die migrantische Rentnerin gehört genauso dazu wie der
Fahrradkurier aus der autonomen Szene. Wir wollten so auch der Vorstellung
entgegentreten, dass Menschen, die ihre Wohnung verlieren, mit den
finanziellen Realitäten nicht zurechtkommen. In Wirklichkeit sind die
ökonomischen Realitäten auf dem Mietenmarkt eine Zumutung für immer größere
Teile der Menschen, bis hin zur Mittelschicht. Wir haben MietrebellInnen in
Pankow und Spandau ebenso kennengelernt wie in Kreuzberg und Neukölln.
„Mietrebellen“ läuft morgen in den Kinos an – ist das Thema nun für Sie
auserzählt?
Schulte Westenberg: Mich würde ein investigativer Film reizen, der
nachzeichnet, wie der soziale Wohnungsbau in Berlin von der Politik
zielstrebig gegen die Wand gefahren wurde.
Coers: MieterInnen als selbstbewusste TeilnehmerInnen in gesellschaftlichen
Auseinandersetzungen werden mich auch weiter beschäftigen.
„Mietrebellen“. Von Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers. Zu sehen
ist der Film ab heute im Lichtblick-Kino (18 Uhr) und im Moviemento (18.30
Uhr). Weitere Termine: [1][mietrebellen.de]
23 Apr 2014
## LINKS
[1] http://mietrebellen.de
## AUTOREN
Peter Nowak
## TAGS
Film
Mietenprotest
Filme
Miete
Mietenpolitik
Lesestück Interview
Drohungen
Zwangsräumung
Gentrifizierung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verdrängungsopfer Ali Gülbol: „Ich habe erlebt, was Justiz bedeutet“
Ali Gülbol ist ein Symbol des Kampfs gegen Gentrifizierung. Ein Gespräch
über alte Heimaten, neue Wohnsituationen und seine Kandidatur für die DKP.
Kahlschlagsanierung in Berlin: Bis die letzten Mieter flüchten
Die Christmann GmbH saniert Häuser in Prenzlauer Berg ohne Rücksicht auf
die Bewohner. Es werden Räume verwüstet und lebensgefährliche Umbauten
getätigt.
Mieter muss weichen: Land lässt räumen
Am Donnerstag sollen ein schwerbehinderter Mieter und seine Familie in
Charlottenburg zwangsgeräumt werden – vom landeseigenen Wohnungsunternehmen
Gewobag.
Aktivist über Zwangsräumungen: „15 Räumungen haben wir verhindert“
Das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ versucht seit zwei Jahren genau
das. Ein Gespräch über erfolgreiche Verhandlungen und den Nutzen von
Blockaden.
Protest gegen Zwangsräumungen: Anecken – und dafür bezahlen
Vor einem Jahr starb die 67-jährige Rosemarie Fliess. Ist sie Einzelfall
oder Symbol für die Brutalität von Zwangsräumungen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.