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# taz.de -- Tag der Arbeitslosen: „Dem Paradies näher kommen“
> Zum zehnten Mal rufen Lesebühnen-Autoren den Internationalen Tag der
> Arbeitslosen aus. Sie demonstrieren heute für ein Leben ohne
> Arbeitszwang.
Bild: Nicht arbeiten ist auch nicht schlecht
taz: Herr Hennig, Sie veranstalten mit anderen Lesebühnen-Kollegen am
Freitag eine Demo zum Internationalen Tag der Arbeitslosen. Haben Sie sonst
nichts zu tun?
Falko Hennig: Doch, wir sind alle sehr beschäftigt. Die meisten von uns
sind Freiberufler. Wir finden aber, dass Arbeitslose, Freiberufler und
sonstige Arbeitende sehr viele gemeinsame Interessen haben.
Nämlich?
Was uns eint, ist der Wunsch nach mehr Einkommen. Ich zum Beispiel bin
Freiberufler, bekomme unterstützende Hartz-IV-Leistungen, bin also
irgendwie nicht arbeitslos. Das, was ich an Unterstützung erhalte, ist
zusammen mit meinen Einnahmen aber viel zu wenig. Ein bedingungsloses
Grundeinkommen, mit dem man nicht mehr derartig an der Grenze des
Existenzminimums laborieren müsste, wäre durchaus in meinem Interesse.
Unsere Demo ist heiter. Aber wir haben ein ernstgemeintes Anliegen, das in
unterhaltsamer, satirischer Weise präsentiert wird.
Der Aktionstag wurde vor zehn Jahren von einer Gruppe um die Lesebühne der
Surfpoeten ins Leben gerufen, um die Abschaffung des Arbeitszwangs zu
fordern.
Genau. Wir sind gegen den Zwang zur Lohnarbeit. Wir finden es ausdrücklich
legitim, wenn Leute arbeiten. Aber wir sind gegen den Zwang, dem alle
ausgesetzt sind. Und wir finden, es ist an der Zeit, den zu mildern oder
abzuschaffen.
Sie haben ein ziemlich negatives Verständnis von Arbeit. Mir macht es zum
Beispiel gerade Spaß, Sie zu interviewen.
Insofern ist auch die Angst unberechtigt, dass mit einem Grundeinkommen die
Leute nicht mehr arbeiten würden. Arbeit ist mehr als Mühsal und Not. Aber
das ist sie auch. Die vielen, die durch Arbeit krank werden, kann man nicht
ignorieren. Wir wollen, dass viel mehr Spaß in die Arbeit zurückkehrt.
Wenn alle nur noch lustige Jobs machen, wer putzt dann nachts die
Bürogebäude oder schlachtet Schweine?
Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen müssten unangenehme Arbeiten
besser honoriert werden. Heute ist es so, dass Menschen aus blanker Not zu
erschreckend schlechter Bezahlung diese Jobs machen.
Wie hoch sollte das Grundeinkommen Ihrer Meinung denn sein?
Uns schwebt ein auskömmliches Grundeinkommen vor. Es war die Rede von 2.500
Euro.
Wow!
Wenn ich meine konkrete Lebenswirklichkeit anschaue, wäre so etwas wie
1.000 Euro auch denkbar. Wir finden jedenfalls, dass das Grundeinkommen
höher sein muss als der Hartz-IV-Satz. Der reicht nicht aus.
Und wie sollte ein Grundeinkommen zwischen 1.000 und 2.500 Euro finanziert
werden?
Es gibt sehr verschiedene Rechenmodelle. Man müsste das Steuersystem und
die Arbeitsämter umbauen und vereinfachen, dann wäre die Finanzierung
unproblematisch. Ich denke, solange die deutsche Regierung und die EU
Garantien zu unabsehbaren Beträgen abgeben können für die Spekulationen der
Großbanken, solange ist auch die Finanzierung eines Grundeinkommens
möglich.
Sie haben vor 10 Jahren angefangen mit dem Aktionstag. Fand seitdem
wirklich an jedem 2. Mai eine Demo statt?
Ja. Ich habe mich gerade mit Mitveranstalter Ahne darüber unterhalten. Der
sagte, die Demos bei Regen waren besonders schön. Aber bei Sonne ist die
Stimmung natürlich besser.
Als Sie anfingen, lag die Arbeitslosenquote bei über 10 Prozent. Heute sind
wir bei 7 Prozent. Ist so ein Aktionstag überhaupt noch nötig?
Ich würde meine Seele darauf verwetten, dass wir Vollbeschäftigung nicht
mehr erreichen. Ich finde sie auch nicht besonders prickelnd als Ziel. Weil
sie verbunden ist mit einem starken Wirtschaftswachstum, mit verheerenden
Auswirkungen auf die Psyche und auf die Umwelt.
Was heißt das für den Aktionstag?
Dass er nach wie vor seine Berechtigung hat. Wir tun das unsere, um einem
uralten Traum der Menschheit näher zu kommen: dem vom Paradies, von einem
Leben ohne Zwang zur Arbeit. Einem Leben, in dem man freiwillig und aus
Freude arbeitet.
Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie zum Demo-Jubiläum?
Wir hoffen, unsere besten Zahlen noch deutlich zu übertreffen. Wir haben
mit 30 angefangen. Im vergangenen Jahr waren es 300 Teilnehmer. Natürlich
wäre es sehr erfreulich, wenn es über 1.000 würden. Keiner, der jemals
daran teilgenommen hat, hat es bereut.
##
2 May 2014
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Protest
Berlin
Arbeitslosigkeit
Hartz IV
Klaus Lederer
Jobcenter
Bedingungsloses Grundeinkommen
Schule
Tag der Arbeit, Tag der Proteste
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