# taz.de -- Die freie Literaturszene in Berlin: Schluss mit dem Mythos vom Genie | |
> Insgesamt bekommt die Berliner Kultur mehr finanzielle Unterstützung vom | |
> Senat denn je. Manche sind dennoch unzufrieden. | |
Bild: SchriftstellerInnen sind keine Genies, die nur Ideen brauchen. Und auch k… | |
Man könnte meinen, es sei Jammern auf hohem Niveau. Eigentlich erlebt die | |
Berliner Kultur nämlich gerade einen Geldregen: Laut Entwurf für den | |
Doppelhaushalt 2020/21 im Juli wird der Kulturhaushalt von 538,8 Millionen | |
auf 593,2 Millionen im Jahr 2020 und 606,8 Millionen im Jahr 2021 | |
aufgestockt. Auch die freie Szene wird profitieren: Sie wird 2020 immerhin | |
17,8 Millionen und im Jahr darauf 20,6 Millionen mehr bekommen. | |
Trotzdem macht sich derzeit viel Unmut breit. Erst am Freitag protestierte | |
die Tanzszene gegen die Förderpolitik des Senats. Am Dienstagvormittag lud | |
nun das Netzwerk freie Literaturszene im Literaturhaus Lettrétage in | |
Kreuzberg zu einer Pressekonferenz, weil sie sich benachteiligt fühlt. Zwar | |
bekommt auch sie mehr Geld, nur entsprechen die 360.000 Euro mehr jährlich | |
gerade mal 1,7 Prozent des Plus für die freie Szene insgesamt. | |
Man muss einen Schritt zurücktreten, um die Anliegen der Berliner | |
AutorInnen, VerlegerInnen, LiteraturveranstalterInnen, ÜbersetzerInnen zu | |
verstehen. Berlin ist Hauptstadt der Literatur, nirgendwo sonst leben so | |
viele AutorInnen aus so vielen verschiedenen Kulturen wie hier. Trotzdem | |
gibt es in Berlin keine Förderung für ÜbersetzerInnen. Anders als in | |
Hamburg und Köln gibt es auch keine Förderung für Arbeitsräume für | |
AutorInnen. | |
Und anders als in der darstellenden Kunst, so Übersetzerin Lea Schneider | |
und Vorstandsmitglied im Netzwerk am Dienstag, gibt es weder für AutorInnen | |
noch den Literaturbetrieb Basis- und Konzeptförderung. Darunter leiden | |
sowohl AutorInnen wie Doris Anselm, die ebenfalls auf der Pressekonferenz | |
spricht und betont, wie oft sie sich in die „Rolle der | |
Hobbyschriftstellerin“ gedrängt fühlt. Damit hadern auch die vielen | |
Lesebühnen und -reihen, die Literaturzeitschriften und Kleinverlage in | |
Berlin, weil sie so schlecht planen können. | |
## Wenig Luft nach oben | |
„Vielleicht liegt es daran, dass die Strukturen, in denen wir arbeiten, | |
kaum sichtbar sind“, bringt es Andrea Schmidt bei der Veranstaltung auf den | |
Punkt. Im November hat sie den Förderpreis des erstmals verliehenen | |
Berliner Verlagspreises bekommen und schildert anschaulich, wie schnell die | |
15.000 Euro Preisgeld verbrannt waren. Es ist bei Projekten wie ihrem | |
ohnehin wenig Luft nach oben, und dann erschütterten auch noch | |
Rückzahlungen an die VG Wort, die Pleite eines Buchgroßhändlers und die | |
neuen Portopreise der Post die Szene. | |
Es ist gut, dass die sie nun allmählich lauter wird, so der Tenor am Ende. | |
Denn es muss endlich Schluss sein mit dem Mythos vom schreibenden Genie, | |
das wenig mehr braucht als ein paar gute Ideen. | |
13 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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