# taz.de -- Energetische Kläranlagen-Optimierung: Schmutzwasser als Energieque… | |
> Kläranlagen sind große Stromfresser. Nun, da sie endlich beginnen selbst | |
> Strom zu erzeugen und Energie sparen, schießt die Politik quer. | |
Bild: 4,4 Milliarden Kilowattstunden Strom werden laut Umweltbundesamt in den 1… | |
Kläranlagen brauchen viel Energie, in Deutschland so viel wie etwa 600.000 | |
Menschen. In den Kommunen sind die Abwasseranlagen oft der größte | |
Einzelverbraucher. Aber Kläranlagen können andererseits auch viel Strom und | |
Wärme erzeugen, indem sie nämlich den Klärschlamm zu Biogas vergären. Also | |
setzten in jüngster Zeit die Kommunen in ihren Kläranlagen verstärkt auf | |
Stromerzeugung für den Eigenbedarf. | |
Doch jetzt sollen die Projekte erheblich an Attraktivität einbüßen – die | |
Bundesregierung will es so. Ab August sollen die Betreiber von | |
Blockheizkraftwerken nach dem Willen der Großen Koalition auch für den | |
selbst verbrauchten Strom die Hälfte der EEG-Umlage bezahlen. Die | |
Kilowattstunde Eigenstrom wird damit auch für die Kläranlagen mit gut drei | |
Cent belastet. Das heißt: An einer Stelle werden die erneuerbaren Energien | |
verteuert, um sie an anderer Stelle zu fördern. | |
Dabei entdecken die Kommunen die energetische Optimierung von Kläranlagen | |
gerade erst als großes Thema – nachdem die Energiepreise lange Zeit | |
schlicht zu niedrig dafür waren. Entsprechend neu ist das Thema auch für | |
die einschlägigen Fachgremien. Die Deutsche Vereinigung für | |
Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall zum Beispiel begann erst um 2010, | |
sich intensiv mit der Energieeffizienz zu beschäftigen. Seit April 2013 | |
liegt immerhin ein Entwurf eines technischen Arbeitsblatts zu diesem Thema | |
vor. Titel: „Energiecheck und Energieanalyse – Instrumente zur | |
Energieoptimierung von Abwasseranlagen“. | |
Treiber der Innovationen ist der Kostendruck; Strom für die Klärwerke ist | |
in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden. Der Zweckverband | |
Lollar-Staufenberg in Hessen zum Beispiel, der den Energieverbrauch seiner | |
Kläranlage im Rahmen einer Masterarbeit untersuchen ließ, berichtet von | |
einem Anstieg des Strompreises von 5,7 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2000 | |
auf 20,5 Cent im Jahr 2013. Viele Investitionen in Effizienz, die bisher | |
nicht rentabel waren, rechnen sich damit. | |
## Fast ein Prozent des Stromverbrauchs | |
Bundesweit betrachtet, summiert sich der Energieverbrauch der Kläranlagen | |
auf stattliche Werte: 4,4 Milliarden Kilowattstunden Strom, immerhin 0,7 | |
Prozent des nationalen Strombedarfs, werden nach Zahlen des | |
Umweltbundesamtes in den 10.200 Kläranlagen im Land jährlich verbraucht. | |
Das entspricht statistisch dem Verbrauch von 600.000 Deutschen. Der Anteil | |
der Energiekosten an den Betriebskosten liegt in den Abwasseranlagen bei 15 | |
bis 30 Prozent. | |
Allerdings schwankt die Höhe des Verbrauchs von Anlage zu Anlage erheblich. | |
Ein Musterbeispiel wurde im Februar von der Energieagentur NRW mit dem | |
Siegel „Projekt des Monats“ gewürdigt: In Bad Oeynhausen wurde die | |
städtische Kläranlage, ein bislang nur durchschnittliches Klärwerk aus dem | |
Jahr 1972 mit einer Größe von 63.000 Einwohnerwerten (EW, da werden auch | |
die Industrieabwässer einberechnet), zu einer | |
[1][„Energie-Plus-Kläranlage“] umgebaut. | |
Seither wird das anfallende Klärgas vollständig für die Erzeugung von Wärme | |
und Strom mittels Kraft-Wärme-Kopplung genutzt. 113 Prozent des | |
Energiebedarfs würden damit gedeckt, rechnet die Energieagentur vor. Und | |
nebenbei wurde durch Verbesserungen im Prozessablauf auch noch die | |
Reinigungsleistung erhöht. Nach Zahlen der Energieagentur rentiert sich das | |
enorm: Durch Investitionen von 200.000 Euro seien die jährlichen | |
Energiekosten um rund 250.000 Euro reduziert worden. | |
## Leider ein Faulturm nötig | |
Für die Energiegewinnung ist allerdings ein Faulturm nötig. Dort vergären | |
Bakterien den Schlamm zu Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas. Doch die | |
Mehrzahl aller Kläranlagen hat bislang keinen. Vor allen natürlich die | |
kleinen Anlagen sind noch ohne. Laut einer Studie des Wupperverbandes wird | |
in Deutschland erst in 1.150 Kläranlagen – das sind etwa 11 Prozent – der | |
anfallende Schlamm zu Klärgas vergoren. Man verzichtete beim Bau der | |
Anlagen oft auf die Faulung, weil die Energiepreise niedrig waren. | |
Doch die Kalkulationen sind heute andere. „Durch die ständig ansteigenden | |
Stromkosten könnte sich die Investition in eine Klärschlammfaulung heute | |
rechnen“, bilanziert das Umweltministerium Thüringen und schlägt vor, | |
mindestens in allen Kläranlagen mit mehr als 40.000 EW Ausbaugröße das Gas | |
zu nutzen. Unterdessen hat auch die Biogasbranche das Thema für sich | |
entdeckt, denn die mikrobiellen Prozesse im Faulturm sind den Prozessen im | |
Biogasfermenter ähnlich. | |
## Optmierer aus Bad Oeynhausen | |
Der Strombedarf einer ineffizienten Kläranlage lässt sich mit einem | |
Klärgaskraftwerk im Schnitt zu 40 bis 70 Prozent decken. Wer noch mehr | |
will, muss auch die Anlagentechnik auf maximale Effizienz trimmen – wofür | |
es in der Regel aber erhebliche Spielräume gibt. Im Fall von Bad Oeynhausen | |
wurde nicht nur die Gaserzeugung optimiert, sondern auch der Verbrauch | |
vieler Anlagenteile drastisch gesenkt. | |
Der meiste Strom wird zum Beispiel von den Belüftern im Belebungsbecken | |
verbraucht, also durch das Einblasen von Sauerstoff für die | |
Mikroorganismen. Insgesamt entfallen auf diese biologische | |
Abwasserreinigung 50 bis 80 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der | |
Kläranlage. Durch optimale Steuerung der Belüftung lässt sich der | |
Strombedarf nach Erhebungen des Umweltbundesamtes mitunter halbieren. | |
Und dennoch: Selbst Effizienzverbesserungen, die wirtschaftlich attraktiv | |
sind, müssen nicht unbedingt ein Selbstläufer sein. Denn sogar | |
Investitionen, die sich in weniger als zwei Jahren auszahlen, sind oft | |
politisch schwer durchzusetzen, wenn Kommunen knapp bei Kasse sind. | |
So scheitern Fortschritte am Ende manchmal weder an der Technik noch an der | |
Wirtschaftlichkeit – sondern an der kommunalen Politik. Und wenn dann auch | |
noch der Eigenverbrauch mit Abgaben belastet wird, wird sich manche Kommune | |
noch mehr schwertun. | |
4 May 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stadtwerke-badoeynhausen.de/badoeynhausenGips/Gips;jsessionid=0F… | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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