# taz.de -- Ausstellung „Who creates the City?“: Essen für alle | |
> Die Ausstellung „Weltstadt: Who creates the City?“ in Berlin zeigt neue | |
> Strategien beim Städtebau auf. Sie versammelt Urbanisten und deren | |
> Projekte. | |
Bild: Die lettische Hauptstadt Riga ist schön anzusehen, schrumpft aber. | |
Derzeit leben über sieben Milliarden Menschen auf dem Planeten Erde. Mehr | |
als die Hälfte davon in Städten. Und es werden immer mehr. Die Spezies | |
Mensch schafft sich derzeit einen neuen Lebensraum. Die Menschen müssen | |
sich also irgendwie in der Stadt einrichten. Die große Frage dabei ist: | |
„Wer macht die Stadt?“ | |
Genau dieser Frage widmet sich das Projekt „Weltstadt“. Die Initiative dazu | |
kommt aus Kreisen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und | |
Stadtentwicklung (BMUB). Gemeinsam mit dem Goethe-Institut wurde daraus ein | |
ziemlich umfangreiches und aufwendiges Projekt zur Stadtplanung „von | |
unten“. Denn Fakt ist: Die Akteure, die Macher, die Aktivisten unter den | |
Städtebewohnern rund um den Globus sind meist schon am Werke, bevor | |
behördliche Stadtplaner ihre Pläne machen. | |
Diesen Initiativen, so unterschiedlich sie sind, gilt das Augenmerk von | |
„Weltstadt“. „Weltstadt“ vernetzt weltweit Projekte aus zehn verschiede… | |
Ländern, die vom Goethe-Institut und lokalen Partnern vor Ort ins Leben | |
gerufen wurden. | |
Die Aktivitäten dieser einzelnen Projekte, ob in Indien, in Brasilien, ob | |
in New York oder Seoul, haben auf den ersten Blick wenig gemeinsam und | |
entwickeln sich aus den jeweiligen Umständen, Problemen, Wünschen der | |
beteiligten Menschen: gemeinsames Kochen und kostenloses Essen in Lissabon, | |
umweltfreundliches Design in New York, Kunstprojekte in Belgrad oder | |
Nutzung leer stehender Gebäude in Riga. So unterschiedlich die einzelnen | |
Initiativen sein mögen, gemeinsam ist allen ein Primat der Praxis und des | |
Experimentierens. | |
## Eintägige Tagung | |
Am vergangenen Wochenende wurde das Projekt „Weltstadt“ erstmals öffentlich | |
im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin in einer Ausstellung | |
vorgestellt. Der Eröffnung folgte am Sonnabend eine eintägige Tagung, bei | |
der sich die Initiativen untereinander austauschten. Ziel der Tagung sei | |
es, so die Kuratoren von „Weltstadt“, Angelika Fitz und Matthias Böttger, | |
von lokalen Lösungen zu lernen und sie gegebenenfalls global fruchtbar | |
werden zu lassen. | |
Fragen vonseiten der Veranstalter gab es viele: Denn die „informellen | |
Strategien“, wie man die Praxis der Initiativen auch beschreiben könnte, | |
werden von den Experten der Stadtplanung aus den Behörden oft als Gefahr | |
gesehen. Eine der zentralen Fragen der Tagung lautete daher: Wie kann das | |
Basiswissen „von unten“ mit dem Expertenwissen „von oben“ zusammengehen | |
oder gar verschmelzen? | |
Was passiert, wenn informelle Strukturen allmählich formal werden? Oder: | |
Wie können partizipatorische und kooperative Modelle benutzt werden, um die | |
Lebensbedingungen etwa in Favelas zu verbessern? Und schließlich: Wie | |
können informell-kooperative Modelle in einer kapitalistisch ausgerichteten | |
Gesellschaft überleben? | |
Die letzte Frage ist insofern interessant, als das kapitalistische System | |
inzwischen als Voraussetzung jedweden Handelns gilt. Eine Alternative dazu | |
ist offenbar nicht mehr denkbar. Das wirft natürlich die Frage auf, ob das | |
Interesse der staatlichen Experten vom BMUB und von Politikern an den | |
Initiativen „von unten“ nur dazu dient, die gängige Praxis etwas | |
reibungsloser zu gestalten und Protesten gegen Flughäfen, Autobahnen, gegen | |
Abriss von billigem Wohnraum und Verdrängung durch höherer Mieten möglichst | |
vorzubeugen. | |
## Bewohner sensibilisieren | |
Hierzu müsste aber nicht nur gefragt werden: Wer macht die Stadt, sondern | |
auch: Wem gehört die Stadt? Diese Frage wurde aber auf der Tagung kaum | |
berührt, obwohl gerade diese Frage nach den Eigentumsverhältnissen bei | |
manchen der vorgestellten Beispiele nahegelegen hätte: so bei dem Belgrader | |
Stadtviertel Savamala, wo mit professioneller Hilfe und Finanzierung durch | |
das Goethe-Institut öffentliche Events und Kunstprojekte realisiert wurden. | |
Hier ging es zunächst darum, der Bevölkerung überhaupt erst einmal bewusst | |
zu machen, dass sie einen legitimen Anspruch darauf hat, bei der | |
Stadtplanung angehört zu werden, um sich vielleicht irgendwann sogar daran | |
zu beteiligen. | |
Während also die Stadtbewohner von Belgrad nunmehr mithilfe des | |
Goethe-Institutes in gewohnter sozialistischer Tradition beim | |
Großreinemachen des Stadtraums anfangen, mitzumachen und so den | |
öffentlichen Raum als ihren Lebensraum zu begreifen (so wenigstens die | |
Idee), hat sich der Bürgermeister hinter dem Rücken der Bürger bereits mit | |
arabischen Scheichs getroffen, die den bislang noch mit Kunst zu | |
bespielenden Lebensraum der schön am Fluss gelegenen, aber verwahrlosten | |
Stadtgebiete mit einem Hochhausmegaprojekt überbauen wollen. | |
Was bleibt den Aktivisten? Ihre Antwort auf der Tagung: die Hoffnung, dass | |
am Ende bei dem Projekt der Scheichs vielleicht wenigstens etwas von der | |
Basiskultur sichtbar bleibt. Konkreter wurden die Aktivisten nicht. Als | |
informelle Strategie zur Erreichung dieses Minimalergebnisses nannten sie, | |
dass ein „Spion“ in Dubai in Erfahrung bringen solle, was bei dem | |
Investorenprojekt in Belgrad passiert. Denn in Belgrad fehlt es – wie in | |
anderen Teilen der Welt – nicht nur an Bürgerbeteiligung, sondern überhaupt | |
an öffentlicher Information. | |
Ein anderes Projekt aus Riga könnte vielleicht gerade den gründlichen | |
deutschen Planern eine Lehre sein. Riga ist eine schrumpfende Stadt. Das | |
Problem des Raums stellt sich hier anders als in den boomenden Megastädten | |
Asiens. In Riga gibt es genug Raum in städtischen Brachen und leer | |
stehenden Gebäuden, nur ist er der Öffentlichkeit vielfach (legal) nicht | |
zugänglich. Alles, was es braucht, ist also Zugang zu schaffen, alles | |
Weitere – etwa die Bespielung mit Kultur – regelt sich dann von selbst | |
durch die Leute und ihre Interessen, die kein Stadtplaner im Voraus planen | |
kann. | |
## Von der Welt lernen | |
Das Beispiel Riga, wo es praktisch um Verhandlungen mit Eigentümern von | |
brachliegenden Böden und leer stehenden Häusern geht, zeigt, dass die | |
Eigentumsfrage für die Gestaltung der Stadt nach wie vor zentral ist. | |
Immerhin erklärte Marta Doehler-Behzadi, bis vor Kurzem Referatsleiterin | |
für Baukultur im BMUB und eine der Initiatoren von „Weltstadt“, es gehe f�… | |
Deutschland darum, von der Welt zu lernen. | |
Zwar gebe es hierzulande eine starke, gesetzlich festgeschriebene | |
Bürgerbeteiligung bei (Stadt-)Bauprojekten, aber die Verwaltungen bekämen | |
zu ihren Informationsangeboten zu wenig Feedback. Die Chancen für einen | |
Ansatz zum Ausgleich im Dreieck von Staat, Kapital und Bürgern sieht | |
Doehler-Behzadi in der Praxis und nicht in der Theorie. | |
Aha. Da Glaube und Wille zur großen Theorie auch in der | |
Stadtplanung/Urbanistik inzwischen der Vergangenheit angehören, suchen die | |
scheint’s etwas ratlosen Experten den Ausweg bei denjenigen, die sich | |
selbst organisieren und selbst anpacken, ohne dass ihnen eine Theorie dazu | |
irgendeine Handlungsanleitung vorgäbe. | |
Das bessere Leben, das ja jeder Mensch für sich will, richtet sich eben | |
nicht auf die großen, gesamtgesellschaftlichen und vielleicht utopischen | |
Ziele, sondern fängt sofort damit an, in „wild“ gewachsenen Favelas Wasser- | |
und Abwasserleitungen zu bauen, weil eine gute Sache damit schon mal | |
realisiert wird. | |
Fragt sich nur, ob und wie es dann weitergeht mit dem besseren Leben oder | |
ob die grundsätzlichen Zustände von Ungleichheit, Ausbeutung und | |
Unterdrückung damit so weit erträglich werden, dass offene Konflikte | |
eingedämmt werden. Ein Aktivist aus Brasilien sagte zum Abschluss der | |
Tagung auf die Frage, welchen Rat die Basisinitiativen der Bundesregierung | |
geben könnten: Partizipation vor Ort gehe nicht ohne politisches | |
Engagement. | |
7 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Roland Berg | |
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