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# taz.de -- Stadtplanerin im Interview: „Kein Auffangbecken für Verdrängte�…
> Zwei Drittel der Berliner leben außerhalb des S-Bahn-Rings, dennoch wird
> das Bild Berlins im Wesentlichen von der Innenstadt geprägt. Wie kann man
> das ändern?
Bild: Ein Klischee aus der Außenstadt: Rentner vor Platte.
taz: Frau Polinna, was unterscheidet die Außenstadt von der Innenstadt?
Cordelia Polinna: In Berlin ist die Innenstadt von der Gründerzeit geprägt.
Die Außenstadt hat mehr mit dem Siedlungsbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu
tun, wo das Auto das wichtigste Fortbewegungsmittel war.
Innenstadt und Außenstadt: Ist das auch eine Wertung?
Das Leitbild bei den meisten Stadtplanern ist die kompakte, gemischt
genutzte Stadt der kurzen Wege. Das ist in der Außenstadt eher selten. Das
sind Siedlungsformen, die heute nicht mehr gewollt sind, weil sie nicht als
nachhaltig gelten. Insofern ist damit tatsächlich eine gewisse Wertung
verbunden.
Ein Drittel der Bewohner Berlins lebt innerhalb des S-Bahnrings, also in
der Innenstadt. Zwei Drittel leben draußen. Dennoch wird das Bild Berlins
im Wesentlichen von der Innenstadt geprägt. In Berlinfilmen gehört die
Innenstadt den Erfolgreichen, die Außenstadt ist Kulisse für Sozialdramen.
Wie lässt sich dieses Ungleichgewicht in der Wahrnehmung ändern?
Indem man zeigt, dass die Außenstadt auch besondere Qualitäten hat, auch
für Touristen. So wie bald die Internationale Gartenausstellung in Marzahn.
Darüber hinaus muss man darauf achten, dass die Großsiedlungen nicht zum
Auffangbecken für Verdrängte werden.
Im Mittelpunkt der Nachkriegsplanungen standen die Radialen, die großen
Ausfallstraßen. Die längste und prägnanteste ist die Landsberger Allee. Wo
hört da die gefühlte Innenstadt auf, und wo beginnt die gefühlte
Außenstadt?
Anders als etwa die Schönhauser Allee hat die Landsberger Allee nicht
einmal in der Innenstadt einen ausgeprägten urbanen Charakter. Eher ist es
dort so, dass die Außenstadt über die Landsberger in die Innenstadt
hereingeführt wird. Das macht sie interessant und zu einer großen
Herausforderung.
Sie fordern mit Ihrer Initiative „Think Berlin“ eine Reurbanisierung der
Radialen. Wie kann das am Beispiel der Landsberger Allee aussehen?
Das hat viel mit Fußgängerfreundlichkeit zu tun. Die Landsberger Allee ist
das Gegenteil, sie zerteilt viele Quartiere. Ein Rückbau und eine
Verlangsamung des Verkehrs wären an vielen Stellen nötig.
Aber die Fußgänger müssen ein Ziel haben.
Auf alle Fälle. Man muss ihnen Gründe geben, warum sie diese Straße
überqueren wollen. Da geht es darum, wie man einzelne Kerne von Urbanität
stärkt und Besonderheiten akzentuiert, wie etwa am vietnamesischen
Handelszentrum.
Dort gegenüber wurde ein Block gebaut, der aussieht wie in Friedrichshain.
Dort gibt es auch viele Geschäfte. Ist das das Modell einer Urbanisierung
der Außenstadt?
Nein. Damit würde man scheitern. Das würde eine disneyfizierte Kulisse
geben, die nicht zukunftsfähig ist. Die neuen urbanen Knoten in der
Außenstadt werden nicht aussehen wie in der Innenstadt. Entscheidend ist
nicht die städtebauliche Gestalt, sondern die Vielzahl von Nutzungen und
sozialen Strukturen, die sich an einem Ort konzentriert.
Haben die Einkaufszentren, die Tankstellen und die S-Bahnhöfe in der
Außenstadt die Funktionen übernommen, die die Gründerzeitquartiere in der
Innenstadt haben?
Das ist wohl so. Die Tankstellen spielen ja auch in Filmen oft eine Rolle.
Vor allem in der Nacht.
Was wäre aus Ihrer Sicht wünschenswert für die Landsberger Allee. Alle zwei
Kilometer eine Verdichtung von Infrastruktur an einer großen Kreuzung?
Danach darf sie bis zum nächsten Knotenpunkt Transitraum bleiben?
Mehr wird nicht möglich sein, weil es nicht funktionieren würde, eine
solche Radiale als Ganzes zu urbanisieren. Das wäre auch nicht meine
Idealvorstellung. Wichtig ist, dass es an diesen Knotenpunkten auch
öffentliche Nutzungen gibt, also Bibliotheken und Schulen. Außerdem müssen
sie gut mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein.
Die Großsiedlungen wenden den Radialen oft den Rücken zu. Dort konzentriert
sich die Infrastruktur in der Mitte der Siedlungen. Warum wollen Sie nicht
diese Zentren stärken? Man kann die Radialen ja sein lassen, was sie sind,
nämlich Verkehrsverbindungen.
Bei der Landsberger Allee ist das in vielen Fällen so. Bei anderen Radialen
wie der Frankfurter Allee oder der Karl-Marx-Straße konzentrieren sich die
städtischen Funktionen sehr viel mehr an der Straße. Deshalb muss man sie
auch dort stärken.
Als wichtigsten Eingriff an der Landsberger schlagen Sie vor, das Dorf
Alt-Marzahn mit der Siedlung Marzahner Promenade zu verbinden – mit der
Landsberger Allee in der Mitte. Hat das auch damit zu tun, dass die wenigen
historischen Orte wichtig sind für die Identität?
Auf jeden Fall. Historische Orte oder markante Bauwerke schaffen Identität
und geben den Leuten, die in der Außenstadt leben, das Gefühl, nicht in
einem gesichtslosen, zersiedelten Brei zu leben. Sondern an Orten, die man
auch benennen kann und die eine Geschichte haben.
Dieses Interview ist Teil des aktuellen Themenschwerpunkts in der
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15 Mar 2014
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Berlin
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