# taz.de -- Schwedische Partei will ins EU-Parlament: „Rein mit Feminismus“ | |
> Die Partei „F!“ rechnet sich für die Wahl zum EU-Parlament gute Chancen | |
> aus. Mit einem Anti-Rassismus-Slogan hat sie in Schweden offenbar einen | |
> Nerv getroffen. | |
Bild: Europäisches Parlament in Straßburg: Hier wollen die Kandidatinnen der … | |
STOCKHOLM taz | „Wir werden Geschichte schreiben“, ist sich Gudrun Schyman | |
sicher. In künftigen Schulbüchern werde einmal stehen, dass 2014 in Europa | |
ein feministischer Frühling ausgebrochen sei, der in Schweden begann. | |
Schyman ist Vorsitzende – offiziell: „Sprecherin“ – der „Feministisch… | |
Initiative“ (F!). Die Partei, die sie 2005 mitbegründete, schien seither | |
immer mehr in der Versenkung zu verschwinden. Bei Parlamentswahlen kam sie | |
nie über 0,7 Prozent der Stimmen und bei den letzten Wahlen zum | |
Europaparlament scheiterte F! mit 2,2 Prozent an der 4-Prozent-Klausel. | |
Doch rechtzeitig zur diesjährigen EU-Wahl scheint es aufwärts zu gehen. Die | |
Mitgliederzahl ist seit Oktober von 1.600 auf über 11.000 geklettert, ihre | |
Veranstaltungen sind gut besucht und die Medien haben sie wieder entdeckt. | |
An der 1.-Mai-Veranstaltung der F! in Schwedens zweitgrößter Stadt Göteborg | |
nahmen mit knapp 4.000 Menschen fast doppelt so viel DemonstrantInnen teil | |
wie an der Kundgebung der Sozialdemokraten. | |
Die 1.-Mai-Parole der F!, „Raus mit Rassismus – rein mit Feminismus“ steht | |
auch für den Schwerpunkt des Wahlkampfes. Angesichts des Aufschwung für die | |
„Schwedendemokraten“ und stark angestiegenen Aktivitäten neonazistischer | |
Organisationen hat F! offenbar einen Nerv unter Wählerinnen und Wählern | |
getroffen. | |
Schyman zählt Land für Land auf, in dem in Europa rassistische und | |
neonazistische Bewegungen zulegen. Für sie ist es von zentralen Bedeutung, | |
offensiv für offene Grenzen und gleiche Rechte für alle einzutreten. Daher | |
bedürfe es auch feministischer Stimmen im Europaparlament, sagt Stina | |
Svensson, F!-Sprecherin und Parlamentskandidatin: „In vielen Ländern gibt | |
es einen starken Widerstand gegen die Rechte von Schwulen, Lesben und | |
Transsexuellen, die Grenzen werden immer effektiver dichtgemacht und das | |
Asylrecht ausgehöhlt. Frauenhass, Rassismus und Homophobie haben eine | |
gemeinsame Wurzel.“ | |
Die verschiedenen Arten der Diskriminierung seien miteinander verwoben und | |
gingen einher mit ökonomischen Ungerechtigkeiten. Die Partei wolle sich | |
daher speziell für Fragen wie das Abtreibungsrecht, die Rechte von | |
LGBT-Personen und die Migrationspolitik engagieren. | |
## Auf Spenden angewiesen | |
Einen teuren Wahlkampf kann sich die F! nicht leisten, sie ist auf Spenden | |
angewiesen. Von dem Exmitglied von ABBA, Beny Andersson, stammt das | |
Startkapital. Mehrere prominente schwedische Musiker, darunter Robyn, Nina | |
Person und The Knife – wollen eine gemeinsame Wahl-CD für F! herausgeben. | |
In Schweden findet nämlich ein Doppelwahljahr statt, bei dem die EU-Wahl | |
nur so etwas wie die Generalprobe für die Parlamentswahl im September ist. | |
Der Rückenwind für die F! macht langsam die anderen Parteien, vor allem | |
Sozialdemokraten und Linkspartei, nervös. Sie tun sich schwer mit der | |
Partei, weil sie viele ihrer politischen Ziele teilen, sie aber zugleich | |
als Konkurrenz sehen. „In der besten aller Welten würde ich keine Sekunde | |
zögern, ihr meine Stimme zu geben“, sagt Göran Greider, Schriftsteller, | |
Chefredakteur und prominenter Sozialdemokrat. Sein Alptraum sei aber, dass | |
sie im Herbst mit wenigen Zehntelprozenten an der Sperrklausel scheitere | |
und damit den erhofften rot-grünen Machtwechsel blockieren könnte. | |
Schyman lässt eine solche Argumentation nicht gelten: Ein solches „Mobbing“ | |
habe es auch schon gegeben, als die Grünen in ihrer Frühzeit mehrmals an | |
der Sperrklausel scheiterten – nun seien sie aus der politischen Landschaft | |
kaum noch wegzudenken. Das Argument, man brauche keine neue Partei, sei | |
ebenso wie der Versuch, die Regierungsbildung zur Hauptfrage einer Wahl zu | |
erklären, „klassische Herrschertechnik“. | |
6 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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