Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gurlitts Kunstsammlung: Der gewissenhafte Erbe
> Nach dem Tod von Cornelius Gurlitt geht seine inzwischen wieder
> freigegebene Sammlung in die Schweiz – an das Kunstmuseum Bern.
Bild: Profitiert von Gurlitt: Kunstmuseum Bern.
BERLIN taz | Er war zweifellos eine singuläre Erscheinung. Cornelius
Gurlitt, der Hüter des geheimen Bilderschatzes, der 2013, bei Bekanntwerden
der Beschlagnahmung durch die Augsburger Staatsanwaltschaft,
internationales Aufsehen erregte.
Cornelius Gurlitt war wirklich eine Erscheinung. Denn nach heutigen
Kriterien existierte er nicht. Er lebte ohne Telefon, Radio und Fernsehen,
er hatte keine Kranken- oder sonstigen Versicherungen, eine Familie hatte
er so wenig wie einen Beruf. Niemand konnte aus seinen Daten Nutzen ziehen,
denn es gab seine Daten nicht. Dass er einen Pass hatte, grenzt fast an ein
Wunder. Es war ein österreichischer Pass, aber zuletzt lebte Gurlitt –
nicht gemeldet – in München, in einer Eigentumswohnung in Schwabing, wo er
auch am Dienstag, 81-jährig, verstarb.
Er soll zuletzt einen Notar empfangen und demnach ein Testament gemacht
haben. Nach neuesten Informationen geht die Sammlung von Bildern der
Klassischen Moderne und der Avantgarde, die einige Millionen wert ist, in
die Schweiz. Gurlitt hat sie dem Kunstmuseum Bern vermacht. Das bestätigte
das Museum am Mittwoch. Gurlitts Sprecher, Stephan Holzinger, äußerte sich
zudem zu einer Anfang April zwischen Gurlitt, der Bundesrepublik
Deutschland und dem Freistaat Bayern getroffenen Vereinbarung.
Sie sieht vor, dass die Sammlung von Experten auf ihre Herkunft untersucht
und unter Naziraubkunstverdacht stehende Werke zurückgegeben werden: „Die
Vereinbarung zwischen Herrn Gurlitt, dem Freistaat Bayern und dem Bund
enthält keine genuin erbrechtliche Vereinbarung. Es ist jedoch anzunehmen,
dass potenzielle Erben an diese Vereinbarung gebunden sind, weil sie dem
ausdrücklichen Willen von Herrn Gurlitt entsprach.“
## Ganz allein mit seinen Bildern
Anzunehmen ist, dass das Kunstmuseum Bern die laufenden und etwaigen
weiteren Restitutionsverhandlungen fortführt. An sich zielte Cornelius
Gurlitt mit seinem Vermächtnis darauf ab, dass die Sammlung zusammenbleibt.
Das war sein vom Vater geerbter Auftrag, dem er offenkundig bis zuletzt
treu blieb. Es ist erstaunlich, was Kunst vermag. Man muss sich Gurlitt,
ganz allein mit seinen Bildern, wohl als einen glücklichen Mann vorstellen.
Der Öffentlichkeit wurde sein Verhalten als skandalös dargestellt, mit nur
wenig guten Gründen. Skandalös verhielt sich in jedem Fall die
Staatsanwaltschaft Augsburg, als sie – unter Berufung auf Geheimhaltung in
einem laufenden Strafverfahren – nur eine einzige Expertin beauftragte, die
Herkunft der mit juristisch fragwürdigen Argumenten beschlagnahmten
Sammlung zu klären, vermittelte sie das Bild, nicht ein Privatmann wolle
seine eigentumsrechtlich fragwürdigen Bilder schützen, sondern der deutsche
Staat selbst wolle die internationale Öffentlichkeit über einen brisanten
Fund nicht informieren.
Cornelius Gurlitt entstammte einer Dynastie namhafter Künstler und
Wissenschaftler. Sein Großvater Cornelius, Sohn eines Landschaftsmalers,
war Kunsthistoriker und Architekt, sein Onkel Willibald ein bedeutender
Musikwissenschaftler, und dessen Sohn Wolfgang wiederum war wie Cornelius
Gurlitts Vater Hildebrand Kunsthändler. Beide Gurlitts gehörten einer von
Adolf Hitler persönlich eingesetzten Gruppe an, die ihm sein Führermuseum
in Linz ausstatten sollte. Hildebrand Gurlitt (1895–1956) handelte vor
allem im besetzten Frankreich mit beschlagnahmter Kunst oder besorgte sie
auf Wunsch der entsprechenden Nazigrößen.
## Vorbildlich festgelegtes Verfahren zur Rückgabe
Gleichzeitig kaufte oder ersteigerte er Bilder für seine persönliche
Sammlung, darunter auch Bilder, die in deutschen Museen als „entartet“
abgehängt und verramscht wurden. Denn früher als die meisten hatte Gurlitt
die Bedeutung von Künstlern wie Max Pechstein, Erich Heckel oder Karl
Schmidt-Rottluff erkannt. In seiner Zeit als Direktor des
König-Albert-Museums in Zwickau zwischen 1925 und 1930 hatte er ihnen große
Ausstellungen gewidmet.
Damit machte er sich Feinde. Auch seines nachfolgenden Postens als Direktor
des Hamburger Kunstvereins wurde er, weil nach damaliger Diktion als
„jüdisch versippt“, enthoben. In Hamburg kam denn auch Cornelius Gurlitt
zur Welt, am 28. November 1932.
Nach Cornelius Gurlitts Tod ist es noch wichtiger, genau darauf zu achten,
dass die von ihm zuletzt vorbildlich festgelegten Verfahren zur Rückgabe
der Raubkunstwerke eingehalten werden. Damit würde dem alten Mann eine
letzte Ehre erwiesen, die ihm durchaus gebührt.
7 May 2014
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Entartete Kunst
Kunstmarkt
Raubkunst
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Schwerpunkt Cornelius Gurlitt
Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nazi-Liste „Entartete Kunst“: X = Vernichtung
Akribisch dokumentierten die Nazis die Enteignung „entarteter Kunst“. Die
Liste war lange verschwunden. Jetzt macht die taz sie durchsuchbar.
Der Fall Gurlitt und die Folgen: Gesetzlich korrektes Unrecht
Vor einem Jahr diskutierte die Weltöffentlichkeit über Cornelius Gurlitt
und die „entartete Kunst“. Seitdem hat sich wenig getan. Woran liegt das?
Raubkunst aus der NS-Zeit: Stücke mit Makel
Hamburgs Museum für Kunst und Gewerbe widmet sich der Herkunft von
Raubkunst. Die Geschichten sind interessant, aber wenig anschaulich.
Jüdische Eigentümerin ohne Erben tot: Gurlitt-Bild geht an Nazi-Nachfahren
Die Familie eines NS-Kasernenwarts bekommt ein Raubkunst-Bild aus der
Gurlitt-Sammlung zurück. Die jüdische Eigentümerin ist ohne Erben
verstorben.
Nach Gurlitts Tod: Sammlung geht wohl ins Ausland
Mit dem Tod von Cornelius Gurlitt ist das Rätselraten um die Zukunft seiner
Kunstsammlung samt Raubkunst nicht vorbei. Wer erbt die Bilder?
Kunstsammler aus München: Cornelius Gurlitt ist tot
Bekannt wurde er, weil bei ihm 1.280 Bilder entdeckt wurden, die unter
Raubkunstverdacht stehen. Nun ist der Kunstsammler Cornelius Gurlitt
gestorben.
Entscheidung der Staatsanwaltschaft: Gurlitt bekommt Bilder zurück
1.280 Bilder hatte die Staatsanwaltschaft in der Wohnung von Cornelius
Gurlitt beschlagnahmt. Obwohl sie nun zurückgehen, sind die Ermittlungen
nicht abgeschlossen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.