# taz.de -- Diskussion um Euro-Kurs: Ein bisschen mehr Inflation bitte | |
> Erneut fordert Paris einen schwächeren Euro, um Frankreichs Exporte zu | |
> fördern. In Berlin trifft diese Forderung auf wenig Begeisterung. | |
Bild: Wie stark darf der Euro sein? Darüber streiten Deutschland und Frankreic… | |
PARIS taz | Wieder einmal streiten sich Frankreich und Deutschland über den | |
Eurokurs und mehr noch über die Grundsatzfrage, ob sich die Regierungen in | |
die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank in Frankfurt einmischen | |
sollen und dürfen. Anlass der jüngsten Polemik ist die Äußerung des | |
französischen Premierministers Manuel Valls, der gleich in seiner | |
Antrittsrede als neuer Regierungschef im Vormonat eine Breitseite nach | |
Frankfurt abgefeuert hat. | |
Valls drückte sich dabei vorsichtig aus, indem er kritisierte, die | |
europäische Währungspolitik sei weniger expansionistisch als jene der | |
amerikanischen, britischen und japanischen Nationalbanken, und deshalb | |
müsse die EZB ihre Politik ändern, damit das gegenwärtige | |
Wachstumspotenzial nicht beeinträchtigt werde. | |
Doch trotz des diplomatischen Fachjargons verstand man in Berlin sofort, | |
was der französische Politiker damit meint: Einmal mehr fordert Paris einen | |
gegenüber dem US-Dollar schwächeren Euro, um Frankreichs Exportchancen zu | |
begünstigen. „Wir brauchen einen deutlichen Wandel, der unsere Geldpolitik | |
zu einem Instrument für Wachstum und Arbeitsplätze macht, ein Instrument, | |
das den Menschen dient“, sagte Valls. | |
Für Deutschland aber ist die Unabhängigkeit der EZB tabu und unantastbar. | |
Da nützt alles Bitten und Schimpfen aus Paris nichts. Im Gegenteil wird | |
Valls belehrt. Die Währungspolitik ist allein Sache der EZB, der die | |
Regierungsvertreter weder dreinreden noch ihr Lehren erteilen sollen, | |
konterte zu Wochenbeginn Steffen Seibert, der Sprecher der Bundeskanzlerin, | |
mit ungewöhnlicher Schärfe. Und die Bild-Zeitung zitiert ein Mitglied der | |
Deutschen Bundesbank mit der höhnischen Bemerkung über Valls: „Wir sehen es | |
mit Sorge, wenn die französische Politik in die Mentalität der 70er Jahre | |
zurückfällt, lange bevor der Franc zu einer stabilen Währung wurde.“ | |
Historisch ist auch diese ideologische Auseinandersetzung um die Rolle und | |
den Status der Zentralbank sowie die Frage, ob ein „weicher“ Euro die | |
Wettbewerbsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum der Staaten der | |
Währungsgemeinschaft positiv beeinflusst. Dahinter steht die Erkenntnis, | |
dass Frankreich ein Handelsbilanzdefizit beklagt, während Deutschland | |
bereits einen Handelsüberschuss hat, der nicht allzu sehr anwachsen soll. | |
## Deutsche Sparer schützen | |
Von Beginn an hatten französische Industrielle einen weichen Euro verlangt, | |
um mehr exportieren zu können. Zudem hält sich in Frankreich der Verdacht, | |
Berlin wolle mit dem starken Euro bloß die deutschen Sparer und die eigene | |
Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der Partner schützen. | |
Der in Genf lehrende Ökonom Charles Wyplosz bezichtigt dabei die | |
Bundesregierung der Heuchelei: „Der Bundestag beschließt, was für | |
Deutschland in Sachen Währungspolitik akzeptabel ist, was aber die | |
Handlungsfähigkeit der EZN beträchtlich einschränkt. Aus Angst vor den | |
Konsequenzen getraut sich diese nicht, sich darüber zu beklagen. Und keine | |
der Regierungen erwähnt diese als verfassungsrechtliche Argumente | |
geschminkten Angriffe auf die Unabhängigkeit der EZB. Die Puristen der | |
Unabhängigkeit der EZB messen mit zweierlei Maß.“ | |
Aus deutscher Sicht dagegen verdecken solche Klagen bloß Frankreichs | |
Schwierigkeiten mit zu lange hinausgezögerten Strukturreformen. Die Risiken | |
einer Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar berge dagegen ein reelles | |
Inflationsrisiko. Selbst für die OECD, die immer Strukturreformen fordert, | |
ist die Gefahr aber so gering, dass sie im Gegenteil von der EZB eine | |
weniger zurückhaltende Politik wünscht, um gegebenenfalls sogar „mit | |
unkonventionellen expansiven Maßnahmen“ der Geldvermehrung nachzuhelfen. | |
Das heißt, dass die EZB ein wenig mehr Inflation zulassen soll. | |
8 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## TAGS | |
EZB | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Deutschland | |
Euro | |
Inflation | |
EZB | |
EZB | |
EZB | |
Portugal | |
Manuel Valls | |
Euro-Krise | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Euro | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Zinspolitik der EZB: Ein Sack Geld ist umgefallen | |
Die EZB ist machtlos. Ihre Zinssenkungen bringen keine neuen Investitionen, | |
staatliche Konjunkturprogramme hingegen schon. | |
Europäische Zentralbank senkt Zinsen: Draghi versucht die Welt zu retten | |
Rekorde, Premieren, Rekorde: Leitzins historisch niedrig, erstmals | |
Negativzins, Milliardenspritze für Krisenländer, DAX knackt | |
10.000-Punkte-Marke. | |
Kommentar Zinspolitik der EZB: Die Zauderer | |
Der starke Euro verursacht hiesigen Konzernen Kopfschmerzen. Die EZB tut | |
nichts dagegen und schadet so Staaten wie Italien und Frankreich. | |
Portugal verlässt Rettungsschirm: Abschied ohne Sicherheitsnetz | |
Drei Jahre ist es her, dass Portugal mit zinsgünstigen Krediten vor dem | |
finanziellen Ruin bewahrt wurde. Künftig soll es ohne die Troika gehen – | |
und ohne Notoption. | |
Sparpaket in Frankreich beschlossen: 50 Milliarden Euro weniger Ausgaben | |
Mit knapper Mehrheit haben die regierenden Sozialisten ihr Sparpaket | |
durchgebracht. Um das Defizit zu senken, sollen Renten und Sozialleistungen | |
gekürzt werden. | |
Eurokolumne: Hollandes Höllenritt | |
Die Franzosen sollen von den Deutschen lernen. Aber sie wollen nicht. | |
Deshalb könnten die Pläne von Staatschef Francois Hollande in einem | |
Desaster enden. | |
Sparpaket in Frankreich: Es geht ans Eingemachte | |
50 Milliarden will die Regierung bis 2017 einsparen. Damit soll das | |
Haushaltsdefizit unter drei Prozent fallen. Auch Sozialisten sind empört. | |
Kommentar Bankenunion: Lizenz zum Spekulieren | |
Die europäische Bankenaufsicht ist ein Papiertiger. Sie garantiert den | |
Banken im Fall einer neuen Finanzkrise die Rettung mit Steuergeldern. |