# taz.de -- Gründe für Europawahl: Nutzt die Wahl! | |
> Rechtspopulisten, TTIP, Datenschutz, Eurokrise und die Mauscheleien der | |
> wichtigsten Regierungschefs: Warum diese Wahl nicht egal ist. | |
Bild: Wählen um jeden Preis: Improvisiertes Wahllokal im britischen Garthorpe | |
BRÜSSEL taz | Auf der Zielgerade wird es doch noch spannend: Wochenlang | |
dümpelte der Europawahlkampf vor sich hin. Die Show der Spitzenkandidaten | |
Martin Schulz (Sozialdemokraten) und Jean-Claude Juncker (Konservative) | |
begeisterte nicht einmal Politprofis. Doch die überraschende Niederlage des | |
niederländischen Muslim-Hassers Geert Wilders macht Hoffnung und zeigt: Der | |
Vormarsch der Rechten ist kein Schicksal. | |
Allerdings zeichnet sich kein klarer, europaweiter Trend gegen die Rechte | |
ab. So scheint in Großbritannien EU-Gegner Nigel Farage zu triumphieren, | |
wie das Ergebnis der Kommunalwahlen am Donnerstag befürchten lässt. Auch in | |
Frankreich und Griechenland drohen Rückschläge. Selbst in Deutschland | |
könnte sich mit der AfD eine neue nationalistische Partei etablieren. Ein | |
guter Grund also, die Wahl zu nutzen, um für ein tolerantes, demokratisches | |
und soziales Europa zu stimmen. | |
Dabei geht es nicht nur um ein Zeichen gegen rechts, gegen Rassismus und | |
Nationalismus. Es geht auch darum, das schwarz-gelbe Machtkartell in Europa | |
zu brechen. Seit zehn Jahren beherrschen konservative und neoliberale | |
Parteien, angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die EU. Ihre Bilanz | |
fällt verheerend aus. Die EU ist heute schwächer als zu Beginn der Amtszeit | |
von Kommissionschef José Manuel Barroso. | |
„Europa steht vor einem Scherbenhaufen“, meint der ehemalige | |
Barroso-Berater Philippe Legrain, kein Linker, sondern ein liberaler Ökonom | |
aus London. Doch sein Aufruf für einen „europäischen Frühling“, einen | |
wirtschaftlichen und politischen Kurswechsel, verhallte ungehört. Dabei hat | |
das Europaparlament Alternativen formuliert. | |
## Parlament muss Druck machen | |
Beispiel TTIP: Parlamentspräsident Schulz hat gefordert, die Verhandlungen | |
über das umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA während des Wahlkampfs | |
auszusetzen. Teile der SPD, Grüne und Linke wollen mindestens eine | |
Unterbrechung bis November, wenn die neue EU-Kommission steht. Im | |
vergangenen Herbst verlangten sie sogar gemeinsam mit den Liberalen wegen | |
des NSA-Überwachungsskandals einen Stopp des Bankdatenabkommens Swift. | |
Andere Mehrheiten sind also möglich – auch wenn sich die Konservativen mit | |
Barrosos und Merkels Hilfe durchsetzten. | |
Beispiel Datenschutz: Das Europaparlament hat unter Federführung des grünen | |
deutschen Abgeordneten Jan Philip Albrecht einen sehr ambitionierten | |
Entwurf zur Datenschutzgrundverordnung verabschiedet. Es fordert damit die | |
USA, aber auch laxe EU-Länder wie Irland heraus. | |
Doch der Ministerrat, die Vertretung der Staaten, mauert. Und der deutsche | |
Innenminister Thomas de Maizière. Damit der Entwurf nicht scheitert, muss | |
das neue Parlament Druck machen. Dafür braucht es Abgeordnete wie Albrecht. | |
Beispiel Eurokrise: Das Europaparlament hat einen Untersuchungsbericht | |
vorgelegt, der einer Ohrfeige für die Euroretter und ihre internationale | |
Troika gleichkommt. Geleitet wurde die Untersuchung von einem | |
österreichischen Konservativen, Othmar Karas. | |
Als Konsequenz aus den desaströsen Ergebnissen fordern die | |
Europaabgeordneten die Auflösung der Troika und eine andere, auf Wachstum | |
und Beschäftigung ausgerichtete Rettungspolitik. Deutschlands | |
Finanzminister Wolfgang Schäuble lehnt das ab. Wer die verhasste Troika | |
loswerden möchte, muss also gegen Schäubles Truppen in Brüssel stimmen. | |
Es gibt aber noch einen anderen Grund, zur Wahl zu gehen: Einige Staats- | |
und Regierungschefs, darunter Merkel und der britische Premier David | |
Cameron, wollen sich partout nicht darauf festlegen, den Wahlsieger zum | |
nächsten Kommissionspräsidenten zu machen. Sie möchten das Ergebnis der | |
Abstimmung ignorieren und die Barroso-Nachfolge in kleinem Kreis | |
ausmauscheln, wie gehabt. Es wäre ein Putsch von oben, ein Rückfall in | |
vordemokratische Zeiten. Höchste Zeit, das zu verhindern. Sonst können wir | |
uns die nächste Europawahl sparen. | |
23 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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