# taz.de -- CSU-Debakel bei der Europawahl: Seehofer am Rande der Selbstkritik | |
> Die Verluste der Union gehen vor allem aufs Konto der CSU. CDU-Granden | |
> bemängeln den widersprüchlichen Europakurs in Bayern. | |
Bild: Zerknirscht: CSU-Chef Horst Seehofer nach der Europawahl. | |
BERLIN/MÜNCHEN taz | Dass Horst Seehofers Woche unangenehm starten würde, | |
deutete sich früh am Montagmorgen an. In der Münchner CSU-Zentrale war für | |
zehn Uhr die Sitzung des Parteivorstands angesetzt, auf der Tagesordnung: | |
Aufarbeitung der Wahlschlappe vom Sonntag. Dass den Parteichef Gegenwind | |
erwartete, war außer Frage. | |
Vielleicht sei der Spagat zwischen Europakritik und -zustimmung zu groß | |
gewesen, sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, als sie an der | |
Pforte eintraf. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wurde deutlicher: | |
Europakritiker wie Peter Gauweiler dürften nicht für die Hauptlinie der CSU | |
stehen, sagte er. Gauweiler war von Seehofer persönlich im Herbst als | |
Parteivize installiert worden. | |
Zweieinhalb Stunden waren für die Sitzung vorgesehen, es wurden mehr. Dass | |
der Termin für Seehofer kein Vergnügen war, bestätigte er hinterher selbst. | |
„Es waren nicht die schönsten dreieinhalb Stunden meiner politischen | |
Laufbahn“, sagte der CSU-Chef. Das hatte Gründe: Bei der Europawahl hat die | |
Union bundesweit Verluste eingefahren, sie kam nur noch auf 35,5 Prozent | |
der Stimmen. Im Vergleich zur Bundestagswahl verlor sie eine halbe Million | |
Stimmen an die AfD und 340.000 an die SPD. Die Schuld trägt vor allem die | |
CSU: Von 48,1 Prozent bei der Europawahl 2009 sackte sie auf 40,5 Prozent. | |
Für Parteichef Horst Seehofer brechen damit schwierige Zeiten an. Nach den | |
Wahlerfolgen des vergangenen Jahres galt er in der CSU als unantastbar. | |
Schon bei den Kommunalwahlen im März holten die Christsozialen aber das | |
schlechteste Ergebnis seit Jahrzehnten. Da sich dieser Trend nun fortsetzt, | |
gerät der Vorsitzende in die Kritik. Wahlergebnisse um die 40 Prozent | |
kommen im Selbstverständnis der Partei eigentlich nicht vor. | |
## Spiel auf Zeit | |
Personelle Konsequenzen gibt es keine, eine inhaltliche Wende zunächst auch | |
nicht. „Wir müssen das Ergebnis gründlich analysieren, und das können wir | |
erst, wenn uns die ausführlichen Daten der Wahlforscher vorliegen“, sagt | |
Seehofer am Nachmittag. Abgerechnet werde dann auf einer eigens anberaumten | |
Klausursitzung der Parteiführung, und die findet erst Ende Juni statt. Der | |
CSU-Chef spielt also auf Zeit. | |
Weil die Schwesterpartei so ausgiebig mit Selbstbezichtigungen befasst ist | |
und sogar der Vorsitzende Selbstkritik übt, ist Angela Merkel darum bemüht, | |
das CSU-Drama nicht noch aufzuwerten. Bei ihrer Pressekonferenz am Montag | |
im Konrad-Adenauer-Haus gibt sie gönnerhaft die Marschrichtung vor. „Wir | |
gewinnen und verlieren gemeinsam“, antwortet die Parteivorsitzende auf die | |
Frage, wie sie den Stimmenverlust bei der CSU bewertet. Um die | |
Fehleranalyse werde sich die CSU schon selbst kümmern. | |
Den Job, die mitunter allzu selbstgewissen Münchner zu stutzen, überlässt | |
Merkel gern anderen Mitgliedern der Parteispitze. CDU-Bundesvize Armin | |
Laschet sagt, Beschimpfungen der EU-Kommission seitens der CSU hätten | |
„sicher nicht dazu beigetragen, dass man ein gutes Ergebnis erzielt“. Und | |
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht meint, die Wähler | |
hätten lieber gewusst, „wofür wir Wahlkampf machen, und nicht, wogegen wir | |
alles sind“. | |
Nun, da die Wahl gelaufen ist, sorgen Merkel und Seehofer immerhin für | |
Klarheit, was sie von der AfD halten: nichts. Die CDU-Vorsitzende erklärte, | |
man wolle sich „intensiv“ mit deren Wählern auseinandersetzen, Koalitionen | |
mit der Partei lehnt sie aber strikt ab. Der CSU-Chef sagte, man müsse wohl | |
„auf absehbare Zeit mit der neuen Herausforderung leben“. | |
27 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
Tobias Schulze | |
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