# taz.de -- Ein Notfall und seine Folgen: Ungelöste Fragen | |
> Das Verfahren um den Tod eines Flüchtlingskindes nach dem Besuch einer | |
> Klinik ist eingestellt worden. Dennoch fordern Anwalt und Flüchtlingsrat | |
> Veränderungen. | |
Bild: Wird für den Umgang in der Notfallaufnahme kritisiert: das Kinderkranken… | |
HAMBURG taz | Nachdem die Staatsanwaltschaft Hannover das Verfahren um den | |
Tod des Flüchtlingsbabys Joshua eingestellt hat, kritisiert der Anwalt der | |
Mutter, Matthias Waldraff, das Kinderkrankenhaus [1][Auf der Bult]. Dort | |
war die aus Ghana stammende Mutter, Vida M., im April mit dem vier Wochen | |
alten Kind in die Notfallambulanz gekommen. | |
Ihrer Darstellung zufolge hat man sie dort abgewiesen, weil ein | |
Krankenschein für das Kind fehlte. Der Klinik zufolge verließ sie die | |
Notfallaufnahme nach rund 15 Minuten und suchte dann eine Kinderärztin auf. | |
Diese rief sofort einen Notarztwagen, doch bei der Rückkehr in die | |
Kinderklinik konnte nur noch der Tod des Jungen festgestellt werden. Laut | |
Obduktionsbericht ist er an einer virusbedingten Lungenentzündung | |
gestorben. Da die Rechtsmediziner nicht ausschließen, dass das Kind bereits | |
beim Besuch in der Notfallaufnahme nicht mehr gelebt hat, ist nicht mehr | |
festzustellen, ob die Klinikmitarbeiter gegen Strafrecht verstoßen haben. | |
Der Ärztliche Direktor der Kinderklinik, Thomas Beushausen, hatte die | |
Vorwürfe zurückgewiesen. Vida M. habe einen Berechtigungsschein des | |
Sozialamts vorgelegt, der die Kostenübernahme garantiere. „Unabhängig | |
davon, dass generell in unserer Klinik keine Kinder abgewiesen werden, gab | |
es auch insoweit keinen Grund, das Kind nicht zu behandeln.“ | |
Anwalt Waldraff verweist darauf, dass laut Ermittlungsakten zwei | |
Krankenschwestern erklärt hätten, eine britische Militärbeauftragte habe | |
Vida M. weggeschickt. Diese so genannten Hospital Liason Officer | |
dolmetschen für britische Militärangehörige, die in die Klinik kommen. Man | |
hatte Vida M. zunächst irrtümlich zu diesem Kreis gezählt. | |
Auch diese Darstellung weist die Klinik zurück. Eine Mitarbeiterin habe die | |
Mutter zurück zum Servicetresen gebracht, wo sie sich in die Warteschlange | |
hätte einreihen sollen. Auch die Kritik, dass kein ärztlicher Mitarbeiter | |
das Kind direkt in Augenschein genommen habe, weist er zurück. Bei allen | |
Patienten, die nicht per Notarztwagen kämen, würden zunächst die | |
persönlichen Daten erhoben. Anschließend würden die Kinder behandelt, die | |
Reihenfolge entscheide sich nach der Schwere der Erkrankung. | |
Waldraff fordert dennoch einen Neuordnung der Abläufe. „Es kann nicht sein, | |
dass es primär davon abhängt, ob eine Mutter Druck macht“, sagt er. Auch | |
Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat hält das Verfahren in der | |
Klinik für „verbesserungswürdig“. Er kennt Klagen über die Behandlung vor | |
Ort und lange Wartezeiten sowohl von Flüchtlingen als auch von deutschen | |
Eltern. | |
Ob Vida M. als Flüchtling benachteiligt worden sei, sei jedoch schwer | |
feststellbar. Sie selbst habe die Kontaktaufnahme des Flüchtlingsrats | |
bislang zurückgewiesen. Das liege jedoch nicht an einem Exklusiv-Vertrag | |
mit der Bild-Zeitung, sagt Waldraff – ein solcher existiere nicht. Vida M. | |
sei angesichts des Todes des Kindes nicht in der Verfassung dazu gewesen. | |
Für die niedersächsischen Grünen war der Tod des Kindes Anlass für eine | |
andere Krankenversorgung für Flüchtlinge. Diese sollten wie in Bremen und | |
Hamburg eine Krankenkassenkarte erhalten. Bislang müssen sie in | |
Niedersachsen für jede Anschlussbehandlung einen neuen Krankenschein | |
einholen. | |
3 Jun 2014 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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