# taz.de -- Naziaufmarsch in Dresden: Kurzauftritt in Pfingsthitze | |
> Weniger Rechtsextreme als angekündigt kommen zum „Tag der deutschen | |
> Zukunft“. Sie können marschieren, aber die Route wurde wegen der Proteste | |
> verkürzt. | |
Bild: In Dresden in der Mehrheit: Nazigegner, hier an der Leipziger Straße | |
DRESDEN taz | 13.30 Uhr, Trachtenbergerplatz: Trillerpfeifen und Vuvuzelas | |
machen Lärm, „Nazis raus“- und „Haut ab“-Rufe kommen auf. Lautstark is… | |
Protest hier an dem Platz im Stadtteil Pieschen gegen die Kampagne „Tag der | |
deutschen Zukunft“ (TDDZ). | |
„Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ und „Frei Sozial | |
National“ brüllen einzelne Rechtsextreme den Gegendemonstranten entgegen. | |
Schon am Samstagmittag ist offensichtlich: Der Tag, an dem sie „ein Zeichen | |
gegen die Überfremdung unserer deutschen Heimat“ setzen wollen, ist nicht | |
ihr Tag. Die Rechtsextremen können zwar marschieren, doch die erwarteten | |
1.000 Teilnehmer kommen nicht. | |
Bei strahlenden Sonnenschein und knapp 25 Grad eröffnet Maik Müller, ein | |
Kader der Freien Kameradschaften, vor knapp 450 Kameraden den Marsch mit | |
dem Verlesen der Auflagen. Bomberjacken und Springerstiefel seien | |
untersagt, verkündet Müller, der auch den alljährlichen „Trauermarsch“ | |
anlässlich der Bombardierung der Stadt 1945 verantwortet. Manch | |
Mitmarschierender – die wenigsten sind Frauen – muss leicht schmunzeln. | |
Denn dieser Nazichic ist nicht nur wegen des Wetters bei ihnen out. | |
Der Style der Autonomen Nationalisten bestimmt den Look. Tattoos und Flesh | |
Tunnels tragen die meist in schwarz gekleideten Männer und Frauen, einzelne | |
Tätowierungen mussten sie überkleben. Klare Botschaften prangen aber auch | |
auf T-Shirts: „Autonom – Militant – Nationaler Widerstand“ und „Wie G… | |
Letzteres ist eine Anspielung auf den TDDZ im Wolfsburg 2013, wo „Wie Geil“ | |
als Parole untersagt war, da befürchtet wurde, das es beim Skandieren wie | |
„Sieg Heil“ klingen könnte. | |
## Anlass ohne Anlass | |
Vor fünf Jahren starteten Kader der Freien Kameradschaften den TDDZ in | |
Pinneberg, um vor der vermeintlichen Überfremdung zu warnen. Zum ersten | |
Aufmarsch nahe Hamburg kamen 220 Kameraden. Die Idee: unabhängig von | |
historischen Daten und aktuellen Vorfällen selbst einen festen Anlass in | |
der politischen Agenda der Szene verankern. In den Jahren darauf gelang den | |
Kadern Dieter Riefling, Christian Worch und Thomas Wulff zu den Aufmärschen | |
teilweise über 600 Personen zu mobilisieren. Mit dem Marsch in Dresden war | |
die Kampagne erstmals im Osten der Republik. | |
Komplett ohne Anspielungen arbeiten die Redner in Dresden. Zwei Kameraden | |
aus Tschechien und Finnland beschwören zu Beginn unter Applaus den | |
gemeinsamen Kampf für ein Europa der Vaterländer. Karl Richter, NPD-Kader | |
und Stadtrat der „Bürgerinitiative Ausländerstopp München“ hebt gleich | |
hervor: „Wir sind keine Ausländerfeinde“. Man würde vielmehr allen | |
europäischen Nationen „die Hand reichen“ im Kampf gegen Einwanderung und | |
Entfremdung. Er wettert über die „maximal Pigmentierten“ und sagt, in | |
Dresden wäre er gerne, weil Dresden noch eine deutsche Stadt sei. | |
Schnell zieht der Tross durch die Straßen. Der Protest der | |
Gegendemonstranten, auf 1.800 schätzt das „Dresdner Forum gegen rechts“ | |
ihre Zahl, ist immer hör- und sichtbar. Blockaden mit teilweise 600 | |
Personen gelingen. Hat der Protest zur Änderung der Marschroute nach dem | |
Stadtteil Trachau geführt? Ein Sprecher der Polizei hält sich bedeckt: „Die | |
Route ist mit dem Veranstalter abgesprochen worden“. | |
## Nächstes Jahr nach Neuruppin | |
Nach knapp zwei Stunden schimpfen bei der Abschlusskundgebung an der Ecke | |
Industriestraße/Kopernikusstraße Sven Skoda und Dieter Riefling von den | |
Freien Kameradschaften erneut über Einwanderung. Eine Rednerin kündigt an: | |
Nächstes Jahr geht es nach Neuruppin. Mit dem Abspielen aller drei Strophen | |
des Deutschlandlieds endet um 16 Uhr der Marsch. | |
Knapp 15 Rechtsextreme gehen an der Ecke sogleich eine kleine Gruppe von | |
Gegendemonstranten an. „Keine Vorkommnisse, keine Ingewahrsamnahmen“, sagt | |
der Polizeisprecher der taz. Rund 2.000 Beamten waren im Einsatz. | |
Kerstin Köditz, Linke Landtagsabgeordnete, zieht ihr Fazit: „Für die | |
Rechtextremen war dieser Tag ein Misserfolg“. Es seien wesentlich weniger | |
gekommen als erwartet, noch weniger als im Norden, die Bündelung der Kräfte | |
sei nicht gelungen. „Und“, sagt sie weiter: „Die Route wurde verkürzt.” | |
7 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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