| # taz.de -- Gentech-Pflanzen in der EU: Bitte nur bei den anderen | |
| > Die EU-Länder sollen in Zukunft Gen-Pflanzen leichter verbieten können. | |
| > Doch Umweltschützer befürchten, dass das neue Gesetz das Gegenteil | |
| > bewirkt. | |
| Bild: Böser Genmais | |
| BERLIN taz | Es wirkt schon etwas paradox: Die EU-Staaten haben sich auf | |
| einen Gesetzentwurf geeinigt, der ihnen nationale Verbote des Anbaus von | |
| gentechnisch veränderten Pflanzen erleichtern soll. Die Umweltminister | |
| aller Mitgliedsländer außer Belgien und Luxemburg sprachen sich am | |
| Donnerstag für einen entsprechenden Vorschlag der Ratspräsidentschaft aus. | |
| Doch Aktivisten befürchten, dass genau das zu mehr Gentech in Europa führen | |
| könnte. | |
| Der Beschluss erlaubt mehr Gründe als bisher für Verbote von auf EU-Ebene | |
| zugelassenem Saatgut: zum Beispiel „sozioökonomische Auswirkungen“ oder | |
| „umweltpolitische Ziele“, womit sich Pflanzen recht einfach von den Feldern | |
| einer Region oder eines Landes verbannen lassen würden. Ein Staat könnte | |
| etwa argumentieren, dass Gentech-Pflanzen umweltschädliche Monokulturen | |
| förderten. Bislang mussten sich die Regierungen auf neue wissenschaftliche | |
| Erkenntnisse über Gefahren für Gesundheit oder Umwelt berufen. Studien, | |
| wonach Gentechpflanzen zum Beispiel Krebs verursachen oder Schmetterlinge | |
| töten, sind aber umstritten. | |
| Der Umweltverband Friends of the Earth Europe (FoEE) warnt, | |
| Saatguthersteller wie Monsanto könnten Verbote auf Basis der geplanten | |
| Gründe vor Gericht kippen, weil diese nicht näher definiert seien. Vor | |
| allem aber stoßen sich die Aktivisten an diesem Punkt des Entwurfs: Bevor | |
| ein Staat eine Pflanze verbietet, muss er die Hersteller fragen, ob sie | |
| nicht freiwillig auf einen Antrag zur Anbauzulassung auf seinem Territorium | |
| verzichten wollen. „Das öffnet dreckigen Deals Tür und Tor“, sagte | |
| FoEE-Expertin Mute Schimpf der taz. Für „dreckig“ würde sie beispielsweise | |
| dieses denkbare Arrangement halten: Monsanto stellt den Antrag nicht für | |
| Frankreich, dafür stimmt Paris der Zulassung im Rest der EU zu. | |
| Bislang haben viele Regierungen den Anbau blockiert, weil sie sonst im | |
| eigenen Land mit Protest rechnen müssen – dieser Druck könnte fallen, wenn | |
| die Pflanzen nur im Ausland angebaut werden. Der Widerstand in der | |
| Bevölkerung war bisher sehr effektiv: Die EU erlaubt derzeit nur drei | |
| Gentech-Organismen für den Anbau, die lediglich in Spanien in größerem | |
| Umfang auf den Feldern stehen. Die EU-Kommission gibt unumwunden zu, dass | |
| die geplanten Regeln diesen Stillstand beenden sollen. | |
| Mit Hilfe der neuen Anbauverbote will sich offenbar auch die schwarz-rote | |
| Bundesregierung aus der Affäre ziehen: Im Februar enthielt sie sich bei der | |
| Entscheidung über den Genmais 1507, was wegen des Prozederes einer | |
| Zustimmung gleichkam. Nun muss die EU-Kommission die Pflanze erlauben. | |
| Statt die europaweite Zulassung zu verhindern, kämpfte die Berliner | |
| Koalition für die neuen Regeln bei nationalen Anbauverboten – und erklärte | |
| wie Agrarminister Christian Schmidt (CSU) am Donnerstag, die Regierung | |
| nehme die Vorbehalte der Bevölkerung gegen die Gentechnik „ernst“. | |
| Trotz der möglichen Vorteile des Ratsbeschlusses für die Gentech-Industrie | |
| reagierte deren Lobbyverband EuropaBio offiziell mit Kritik. Man hätte eben | |
| lieber schnelle EU-Zulassungen ohne jegliche Ausnahmen. Ein internes Papier | |
| von 2012 zeigt aber, dass die Organisation zumindest damals einfachere Wege | |
| zu nationalen Anbauverboten akzeptieren wollte, wenn die europäischen | |
| Staaten dafür Zugeständnisse machen. | |
| Doch noch ist es nicht so weit. Denn das Europäische Parlament muss der | |
| Vorlage zustimmen. Wie die im Mai gewählten Abgeordneten sich entscheiden | |
| werden, ist bislang unklar. Der Rat will ab Herbst mit dem Parlament | |
| darüber verhandeln. | |
| 12 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
| ## TAGS | |
| EU | |
| Schwerpunkt Monsanto | |
| Schwerpunkt Gentechnik | |
| Schwerpunkt Gentechnik | |
| Schwerpunkt Gentechnik | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Gentechnik | |
| Nahrungsmittel | |
| Goldener Reis | |
| EU | |
| EU-Parlament | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Anbauverbote für Gentech-Pflanzen: Flickenteppich befürchtet | |
| Agrarminister Schmidt will für Genpflanzen eine Regelung auf Länderebene, | |
| weil diese „rechtssicherer“ sei. Nicht nur das SPD-geführte | |
| Umweltministerium widerspricht. | |
| Gentechnik auf amerikanischen Äckern: Neue Genkartoffel zugelassen | |
| In den USA kommt eine neues Gengemüse auf den Markt. Ob McDonald's die | |
| „Eingeborene Kartoffel“ einsetzt, ist noch ungewiss. | |
| „Superweeds“ und Monsanto: Das Leben findet einen Weg | |
| Unkraut vergeht nicht, zeigt eine neue Studie über „Superweeds“: Je mehr | |
| Chemie sie abbekommen, desto widerstandsfähiger werden sie. | |
| Umfrage zum Lebensmittelkonsum: Verbraucher wollen keine Gentechnik | |
| Mehr als die Hälfte der Deutschen will auf keinen Fall gentechnisch | |
| veränderte Lebensmittel kaufen. Das sind deutlich mehr, als noch vor zehn | |
| Jahren. | |
| Gesundheitsschäden befürchtet: Macht Gentechnik doch Krebs? | |
| Sind Gentech-Lebensmittel schädigend? Im November wurde eine Studie, die | |
| das belegen soll, zurückgezogen. Nun darf sie doch wieder erscheinen. | |
| Kommentar Genpflanze Goldener Reis: Besser als Pillen | |
| Der Goldene Reis ist eine gentechnisch veränderte Pflanze. Sie ist enorm | |
| nützlich. Umweltschützer sollten ihren Widerstand aufgeben. | |
| Agrarprodukte in der EU: Nationale Verbote für Genpflanzen | |
| Die Staaten der EU einigen sich auf nationale Anbauverbote für genetisch | |
| manipulierte Pflanzen. Die Reaktionen darauf fallen sehr unterschiedlich | |
| aus. | |
| Mythen über die EU: Nicht immer der Bösewicht | |
| Keine Grauhörnchen, keine Krummgurken, keine alten Kartoffelsorten: Sechs | |
| Legenden über EU-Regulierungswut und was an ihnen dran ist. |