Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Belgien – Algerien (Gruppe G): Manneken pisst spät
> Der Geheimfavorit Belgien ist so geheim, dass er sich 65 Minuten lang auf
> dem Platz versteckt. Dann wird es besser. Immerhin: Algerien kann
> Elfmeter.
Bild: Eingewechselt, gewirbelt, getroffen: Dries Mertens
Die Startbedingungen: Wer vor einem halben Jahr Belgien als Geheimfavorit
bezeichnete, erwies sich sich als Kenner des europäischen Fußballs. Wer das
heute noch sagt, gilt als mindestens so langweilig wie die Geschäftsordnung
des Europäischen Rates in Brüssel.
Alles andere als ein Sieg der Belgier wäre eine Überraschung, denn wo
Belgien eine der besten Qualifikationsrunden in Europa spielte und mit
Thibaut Courtois, [1][Eden Hazard und Romelu Lukaku] Stars von Weltrang
stellt, da mühte sich Algerien schon in der Quali, nach bekannten Spielern
sucht man vergeblich und sporthistorisch bleibt dem Land nur der Status als
[2][Opfer der „Schande von Gijon“.]
Das Spiel: Die ersten 15 Minuten gehören dem Mittelfeld. Alles spielt sich
20 Meter vor und hinter der Mittellinie ab, viele Fehl-, Kurz- und
Sicherheitspässe. Keine Torchancen, kein Tempo, auch keine Fouls. Algerien
wirkt ein wenig entschlossener, mehr Spieler im Mittelkreis zu versammeln.
Belgien wirkt ein wenig entschlossener, möglichst viele Spieler in einer
Reihe 45 Meter vor dem Tor der Algerier zu platzieren. Erste kleine Chance
für Algerien in der 18. Minute, in der 20. Minute zieht Witsel aus der
Distanz ab, auch nur ein Chancchen.
Vier Minuten später zupft Vertonghen an seinem Gegenspieler Feghouli wie an
einer Harfe – im Strafraum. Elfmeter. Feghouli tritt selbst an und
verwandelt – na? – mittig. 1:0 für Algerien. Wie reagiert Belgien? Gar
nicht. Erst zehn Minuten später kopiert Witsel seinen Schuss aus der 20.
Minute, Filmkritiker sprächen von einem Selbstzitat. Freistoß für Belgien
in der 38. Minute. Dass Schiedsrichter Rodríguez den Schaum in dicken
Klumpen aufträgt, wirkt aufregender als der Schuss von Vertonghen. Dann
noch eine kleine Chance für Belgien in der 44. Minute. Belgien
Geheimfavorit? Geheim, ja. Verborgener kann man kaum auftreten.
Zweite Halbzeit: Belgiens Trainer Wilmots wechselt. Mertens für Chadli.
Witsel köpft in der 49. Minute nach einem Eckball übers Tor. Mertens macht
Wirbel. Der Algerierer Taider verfehlt in der 56. Minute das belgische Tor
nur knapp. Lukaku wird von Wilmots auch noch ausgewechselt, der 19-jährige
Origi kommt rein. Zur EM 2012 nervten ARD und ZDF mit der Phrase, irgendwer
„finde nicht statt“. Bis zur 60. Minute stimmt's diesmal: Belgien spielt,
als sei es in einer Folge „Star Trek“ von den Borg assimiliert worden.
Origi wirbelt und hat in der 66. Minute die bislang beste Chance für
Belgien.
Fellaini für Dembelé. Wechseln kann Belgien nun nur noch im Geheimen. Und
Fellaini trifft dann auch in der 70. Minute – per Kopf nach einer Flanke
von Kevin De Bruyne. Belgien ist jetzt überlegen. Im Standfußball wäre das
Land mehr als nur Geheimfavorit. Algerien wagt sich in der 80. Minute
erstmals seit 40 Minuten nach vorne, Belgien kontert, Mertens vollendet:
2:1. Fellaini hat drei Minuten später die Chance zu erhöhen – drüber.
Algerien fällt nichts mehr ein. Das war's.
Der entscheidende Moment: Die Halbzeitansprache des belgischen Trainers
Marc Wilmots – und die Konsequenzen. Gut gewechselt. Spiel gedreht.
Der Spieler des Spiels: Marouane Fellaini. Geile Frisur. Geiles Spiel.
Geiles Tor.
Die Pfeife des Spiels: Weil ja das ZDF meint, den deutschen Zuschauern
alles mit deutschem Bezug erklären zu müssen („Der Wolfsburger“, „Der
Ex-Wolfsburger“, „Den Wolfsburg mal fast verpflichtet hätte“, „Der mit…
Wolfsburg tanzt“): Kevin De Bruyne, „der Wolfsburger“, eine gute Flanke,
sonst nichts. Ohne deutschen Bezug: Eden Hazard. Totalausfall.
Die Schlussfolgerung: „Ja, langsam hängen mir die Belgier-Witze zum Hals
raus!“ ([3][Ein Römer in „Asterix bei den Belgiern“])
Und sonst? Belgische Jungstars sind erstmal jung. Und schüchtern. Stars
werden sie erst, wenn sie lange, lange, lange unter Druck geraten oder
eingewechselt werden.
17 Jun 2014
## LINKS
[1] http://4.bp.blogspot.com/-AkNSdutoREc/TduQHvmctII/AAAAAAAAA34/_f8t9QEGuqI/s…
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Nichtangriffspakt_von_Gij%C3%B3n
[3] http://www.comedix.de/lexikon/special/sprachspiel/asterix_bei_den_belgiern.…
## AUTOREN
Maik Söhler
## TAGS
Algerien
Belgien
WM 2014
Belgien
Algerien
WM 2014
Russland
Belgien
Fußball
WM 2014
WM 2014
WM 2014
Russland
WM 2014
EU
Brüssel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Belgien vor dem Spiel gegen die USA: Den Küken die Flügel gestutzt
Das jüngste Team der WM hat im Vorfeld des Turniers große Erwartungen
geweckt. Trainer Marc Wilmots hingegen versucht sich im Tiefstapeln.
Algerien vor Spiel gegen Deutschland: Das B-Team aus der Banlieue
Die algerischen Medien lästern: Die eigenen Spieler seien in Wirklichkeit
verkappte Frankreichspieler zweiter Klasse. Was ist da dran?
Algeriens Kapitän von 1982: „Deutschland hat uns nie besiegt“
Will Algerien im Spiel gegen Deutschland Revanche für die „Schande von
Gijón“? Nein, sagt Ali Fergani. Wenn hier einer Revanche wolle, dann
Deutschland.
Algerien - Russland (Gruppe H): Algerien holt sich Deutschland
Durch ein 1:1 gegen Russland qualifizieren sich aufopferungsvoll kämpfende
Algerier für das Achtelfinale. Dort wartet die deutsche Elf.
Südkorea - Belgien (Gruppe H): Zehn Belgier und ein Abstauber
Eine Halbzeit spielen die Belgier in Unterzahl. Gegen harmlose Südkoreaner
reicht es dennoch zum souveränen Achtelfinaleinzug.
Kolumne Rambazamba: Der Russe schießt nicht
Im Stellungskrieg gegen Belgien haben die Russen komplett versagt. Wie
sollen sie nur gegen die todesmutigen Algerier bestehen?
Algerien vor dem letzten Gruppenspiel: Der wahre Präsident steht im Tor
Algerien hat wieder eine gute Nationalelf. Doch Präsident Bouteflika kann
davon nicht profitieren. Und: Es gibt noch eine offene Rechnung mit
Deutschland.
Südkorea - Algerien (Gruppe H): Müssen Sie jetzt nach Nordkorea?
Algerien führt zur Pause schon 3:0, ehe sich auch die Südkoreaner am
Angriffsfußball beteiligen. Am Ende heißt es 4:2 für die Nordafrikaner.
Belgien - Russland (Gruppe H): Spätes Erwachen
Belgien kann auch im zweiten Spiel nicht überzeugen, siegt aber erneut. Ein
Jokertor kurz vor Ultimo sichert den Sieg gegen einfallslose Russen.
Nationalismus in Belgien: 1:0 im Fernduell
Belgiens hochgelobtes Team kämpft bei der WM nicht nur um einen Titel. Es
tritt auch gegen die flämisch-separatistischen Kräfte an.
Public Viewing in Eupen: Trikolore bis auf die Glatze
Der öffentlichste Geheimfavorit ist ins Turnier eingestiegen. Im
deutschsprachigen Belgien ist die Hölle los – wie seit 1986 nicht mehr.
Kolumne Der Kommissar #2: Pädo-Skandal in der EU!
Schokolade, Comics, Pommes – alles, was Belgien je erfunden hat, dient nur
dazu, unschuldige Kinder zu verführen. Belgien gehört nicht in die EU!
Die berühmteste Pommesbude Belgiens: Einig Frittenvolk
Für Belgier sind Fritten ein Nationalheiligtum. Belgiens berühmteste
Pommesbude, das Maison Antoine, ist gleich neben dem EU-Parlament.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.