# taz.de -- Kolumne Rambazamba: Der Russe schießt nicht | |
> Im Stellungskrieg gegen Belgien haben die Russen komplett versagt. Wie | |
> sollen sie nur gegen die todesmutigen Algerier bestehen? | |
Bild: Allenfalls Süßwassermatrosen: Die russischen Fans trinken kein Blut mehr | |
Eigentlich hat es etwas Beruhigendes, Deeskalierendes, wenn der Russe aus | |
dem Stand spielt und die Lust vermissen lässt, auch mal zu schießen. Das | |
sieht ihm überhaupt nicht ähnlich und könnte auch umgekehrt sein: Die | |
Vorhut stürmt, während die Verteidigung mit unkontrollierter Naturgewalt | |
aus der Deckung kommt und dem niedergewalzten Gegner noch den finalen | |
Kontrollschuss verpasst. Sie sollen lieber im Stehen kicken als die | |
Infanterie marschieren zu lassen. | |
Was die russische Equipe im Stellungskrieg gegen Belgien bot, war für die | |
Siegertypen im Kreml natürlich eine traurige Veranstaltung. Wäre das Spiel | |
im Stadion von Dynamo Kiew gewesen, hätten sie zur Rettung der Partie noch | |
ein paar „grüne Männchen“ schicken können wie auf der Krim. Echte Profis, | |
die siegen, ohne einen Schuss abfeuern zu müssen. | |
Werden sich nun die Algerier an die Schützenhilfe der Sowjets im | |
Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich erinnern und Gnade walten lassen? | |
Unzählige Millionen hatten die Verwalter des sowjetischen | |
Völkergefängnisses zur Befreiung der französischen Kolonie lockergemacht. | |
Wenn es nur so etwas wie Dankbarkeit gäbe. Russland und Algerien sind bis | |
heute strategische Partner: Als Europas wichtigste Gaslieferanten könnten | |
sie dem Kontinent von Osten und Süden aus das Licht ausknipsen. | |
Die Algerier sind ein eingeschworenes Team, große Patrioten ihres Landes | |
und ihrer Klubs, stöhnen russische Experten. Sie kämpften bis zum Platzen | |
der Aorta. Kurzum: Die Algerier sind bereit, für das Vaterland zu sterben. | |
Eigentlich sollte das nach der Lehre Wladimir Putins des Russen größtes | |
Vergnügen sein. Davon ist bei der Sbornaja nicht die Bohne zu spüren. Sie | |
verkörpert nicht den Zeitgeist. | |
## Beleidigt und erniedrigt | |
Wie motiviert sind dagegen die Algerier! Die Mannschaft Algeriens sei fast | |
identisch mit der Frankreichs, merkt die Zeitschrift Futbol an: „Ein Team | |
aus beleidigten und erniedrigten Spielern, für die jedes Spiel in der | |
Nationalmannschaft eine Möglichkeit bietet, die Welt auf sich aufmerksam zu | |
machen.“ Der Wucht antikolonialer Kraft ist Russland anscheinend nicht | |
gewachsen. | |
Sollen die sich emanzipierenden Algerier die Sbornaja nach Hause schicken? | |
Sollte sich das umsturzalerte Moskau ausgerechnet von farbigen | |
Revolutionären vorführen lassen? Wäre es nicht sinnvoller, Russland | |
weiterkommen zu lassen, um der Welt zu zeigen, dass nicht alle Iwans | |
kopflose Patrioten sind. Das Problem des russischen Fußballs ist das | |
Urdilemma Russlands: Es gibt es nicht im Original, alles ist nur Kopie | |
europäischer Abbilder. | |
Italienische Architekten bauten schon den Kreml nach italienischem Gusto. | |
Nun will Trainer Fabio Capello den Russen auch noch Defensivfußball | |
aufzwingen: Damit untermauert er auch noch Wladimir Putins Propagandalüge, | |
dass immer nur die Russen angegriffen werden. Vielleicht fahren sie doch | |
besser nach Hause. | |
26 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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