| # taz.de -- Die Wahrheit: Mit eiserner Lunge | |
| > Der EU-Streit um die neue Führung dauert und dauert und dauert: Zu Besuch | |
| > beim Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker. | |
| Bild: J.-C. Juncker konzentriert sich jetzt auf das „Andere“. | |
| Die Zinnen von Juncker Hill ragen schwarz in den bleigrauen Himmel, wo ein | |
| einsamer Kolkrabe seine Bahn zieht. Die mittelalterliche Feste ist der | |
| letzte Zufluchtsort des vereinsamten Tyrannen Jean-Claude Juncker aus dem | |
| Großschlumpfentum Luxemburg. | |
| Alles atmet hier Trutz und Zweckmäßigkeit. Der ehemalige Jesuitenzögling | |
| Juncker hat außer der Folterkammer alles Schmückende entfernen lassen. An | |
| Bergen von verrottenden Akten und glimmenden Scheiterhaufen vorbei geleitet | |
| mich Junckers buckliges Faktotum Jean-Igor ins Innere. | |
| Wir betreten einen vom Kaminfeuer nur matt erleuchteten Saal. „Ist Er der | |
| Skribe, den ich zum Interview zitiert habe?“ Ich neige demütig mein Haupt. | |
| Juncker ist wie ein spanischer Conquistador gekleidet: Helm mit | |
| Federschopf, Brustpanzer und Schnabelschuhe – in der Hand ein Schreiben mit | |
| dem Wappen des spanischen Königshauses. „Ich wäre der einzig denkbare | |
| Nachfolger gewesen. Aber sie haben diesen Bastard Felipe mir vorgezogen“, | |
| knurrt Juncker. „Nun, das war ohnehin nur Plan B, jetzt konzentriere ich | |
| mich auf das Andere.“ „Das ’Andere‘, damit meinen Sie sicher die | |
| EU-Präsidentschaft?“ Juncker schüttelt genervt den Kopf. | |
| Während er mehrere Zigaretten gleichzeitig raucht, wechselt Jean-Igor seine | |
| Alkoholpflaster. „Quatsch, König von Schottland will ich werden. | |
| Mütterlicherseits stamme ich ja von den Clans der MacEpic und MacFail ab. | |
| Und wenn die Schotten in Kürze unabhängig sein werden, brauchen sie einen | |
| starken, charismatischen Führer, der ihnen hilft, England zu erobern, damit | |
| der Wurm Cameron und seine Speichellecker endlich wegen | |
| Majestätsbeleidigung verurteilt werden können.“ | |
| ## „Die Frau ist des Satans“ | |
| Juncker reißt ein Päckchen Tabak auf und schüttet sich den Inhalt in die | |
| Lunge. Dann wirft er ein brennendes Streichholz hinterher. „Glauben Sie | |
| denn, dass die militärischen Mittel Schottlands ausreichen werden, um die | |
| Engländer zu besiegen?“, frage ich. „Spätestens wenn Yorkshire gefallen | |
| ist, werden andere sich uns anschließen. Die Franzosen zum Beispiel, oder | |
| warum haben die einen Tunnel unterm Ärmelkanal gegraben?“ – „Von der Sei… | |
| habe ich es noch gar nicht betrachtet“, sage ich. „Und die Deutschen haben | |
| sicher auch aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und werden die | |
| Invasion diesmal hinbekommen.“ | |
| „Das klingt ja durchaus vielversprechend“, sage ich zaghaft. „Wenn Sie auf | |
| die tapferen Verbündeten zählen können.“ – „Klar doch“, sagt er und | |
| zwinkert irre. „Natürlich kann man sich nie auf Politiker verlassen, alles | |
| Lügner und Opportunisten.“ – „Fühlen sie sich von Merkel im Stich | |
| gelassen?“, stichele ich. „Die Frau ist des Satans“, kräht Juncker und | |
| zerbricht sein Zepter über den Knien. „Warum, glauben Sie, hat die keine | |
| Kinder? Weil sie alle gleich nach der Geburt dem Teufel verkauft hat, | |
| darum.“ – „Das scheint mir aber eine gewagte Behauptung“, sage ich. Jun… | |
| wirft einen Reichsapfel nach mir. „Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe | |
| selbst keine Kinder.“ | |
| Nachdem er sich wieder ein wenig beruhigt hat, geleitet er mich in den | |
| Binnenhof „Ich will den Briten noch eine Chance geben“, sagt er gnädig. Mit | |
| schwungvollem Handgriff reißt er eine Plane weg, die einen Doppeldecker | |
| verhüllt hatte. „Gehörte meinem Großvater, Jean-Bomber Juncker. Morgen | |
| werde ich nach England fliegen und den Briten ein Kapitulationsangebot | |
| überbringen, das sie besser annehmen. Krieg sollte immer die letzte Lösung | |
| sein.“ – „Sehr vernünftig“, sage ich. | |
| Juncker breitet die Arme aus und dröhnt: „Ein geeintes, unterwürfiges | |
| Europa, so wie ich es mir vorstelle. Eine Festung wider unseren gemeinsamen | |
| Feind.“ – „Die Russen oder die Amis?“ Juncker stampft auf, „Nein, ich… | |
| natürlich die illegalen Migranten, die uns überrollen.“ – „Da würde ic… | |
| keine Sorgen machen“, sage ich, „bei dem Rechtsruck dieser Tage.“ – | |
| „Dilettanten“, zischelt Juncker, „Man muss das so durchziehen, dass es | |
| nicht zu nazimäßig wirkt, Sozis und Grüne mit ins, haha, Boot holen. Am | |
| besten hinter verschlossenen Türen … Nicht mit diesem plakativen Rassismus, | |
| der viele nur abschreckt.“ | |
| Ob er sich eine Karriere nach der Politik vorstellen könne, will ich noch | |
| wissen. Erst blickt er mich verständnislos an. „Sie glauben, dass es in der | |
| Weltpolitik irgendwann einmal keinen Platz mehr für einen Jean-Claude | |
| Juncker geben kann? Ich würde erstmal meine Autobiografien schreiben“ meint | |
| er dann, „Jedes Jahr eine: ’Juncker, der Staatsmann‘, ’Juncker, der | |
| Europäer‘, ’Juncker, der Bonvivant‘, ’Juncker, der Jesuit‘ ’Juncke… | |
| Mensch‘, ’Juncker und die Frauen‘, ’Endlich Nichtraucher‘, ’Heil C�… | |
| ’Macchiavelli für Dummies‘. Und dann mache ich es wie Heiner Geißler: zum | |
| Urchristentum zurückfinden, Attac und Amnesty beitreten, falls ich die dann | |
| nicht schon längst verboten habe." | |
| 20 Jun 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Francis Kirps | |
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