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# taz.de -- Die Wahrheit: Das Ende einer Ära
> Wegen musikalischer und privater Differenzen verlässt das stilprägende
> Maskottchen Eddie die Heavy Metal-Band Iron Maiden.
Bild: Keine Lust mehr auf Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll: Eddie sorgt jetzt lie…
Der Schock sitzt tief bei den Fans: Letzte Woche verkündete das populäre
Band-Maskottchen Ed „Eddie“ Hunter (37) seinen Ausstieg bei der
Heavy-Metal-Institution Iron Maiden. Musikalische Differenzen hätten zu dem
Bruch geführt und auch in menschlicher Hinsicht sei er von einigen seiner
Ex-Kollegen enttäuscht. Das Management der Band teilte lapidar mit, man
wünsche Mr Hunter alles Gute auf seinem weiteren Lebensweg.
Über mögliche Nachfolger wird bereits spekuliert, zum engeren Kreis gehören
offenbar das langjährige Megadeth-Maskottchen Vic Rattlehead, Fozzie Bear
(The Muppets) und Lemmy (Motörhead), falls dessen Ärzteteam grünes Licht
gibt.
Ob die Kandidaten das Format des Charakterkopfs haben, ist allerdings
fraglich. Eddies markantes Konterfei zierte ausnahmslos jedes Albumcover,
und die Auftritte der überlebensgroßen Figur waren der Höhepunkt aller
Konzerte. Zudem war Eddie eine verlässliche Konstante der thematisch extrem
wandlungsfähigen Band, die mit ihren Songs wie „Murders in the Rue Morgue“
(E. A. Poe), „To tame a Land“ (Frank Herbert), „Powerslave“ (altes
Ägypten), „The Ides of March“ (altes Rom), „Paschendale“ (Erster
Weltkrieg), „Aces High“ (Zweiter Weltkrieg) und „The Trooper“ (Attacke …
leichten Brigade) tief im Fundus von Literatur und Geschichte schürft. Aber
werden die Fans dem eher trockenen Bildungsanspruch der Band folgen, ohne
dass eine Identifikationsfigur wie Eddie, der auf Plattencovern als Pharao,
Spitfire-Pilot oder lobotomisierter Psychiatriepatient zu sehen war, ein
buntes visuelles Element hinzufügt?
Eddie, ein freundlicher Schlacks ohne Allüren, sitzt uns im Londoner Pub
The Green Man gegenüber, den er gemeinsam mit seinem Kumpel Hammerhead
betreibt, dem Vereinsmaskottchen von West Ham United. „Eine gute
Investition“, lacht Eddie. „Bier geht immer.“
Eddie ist ein grundsolider Typ, der lieber für die Zukunft vorsorgt, als
sein Geld mit Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll zu verpulvern. „Wenn ich Drogen
nehme, habe ich pyrotechnische Nebeneffekte. Und Groupies waren nie mein
Ding. Ich steh nicht auf Püppchen.“ Seit 30 Jahren ist er mit seiner
Brutkastenliebe Charlotte zusammen. Das Paar lebt zurückgezogen mit den
Söhnen Freddie und Ripper auf einem alten Landsitz in Willoughby Chase,
Somerset.
Im echten Leben wirkt Eddie viel kleiner als auf der Bühne. „Plateausohlen
und Stelzen“, sagt er und verzieht das Gesicht. Daher auch sein schlimmer
Rücken. „30 Jahre lang ist mein Kopf auf der Bühne explodiert, wurde ich
hingerichtet und bin wiederauferstanden. Das macht kein Körper auf Dauer
mit.“ Doch das allein war nicht der Grund für den vielseitigen Künstler,
die Brocken hinzuschmeißen. „Ich war nie ein vollwertiges Bandmitglied“,
beklagt sich Eddie. „Wenn die anderen Business Class reisten, wurde ich im
Gepäckraum verstaut. Keine meiner Songideen war gut genug, nie konnte ich
mich bei der Bühnenshow kreativ einbringen.“ Wenn er über seine alte Band
spricht, sprudelt es aus dem sonst so reservierten Briten heraus: „Der
wahre Kopf, das Gesicht der Band, das war doch ich. Aber durfte ich bei der
Gestaltung der Plattencover mitreden? Mir mal eine nettere Kostümierung
aussuchen als immer nur Krieger, Sensenmänner, Zombies?“ Eddie schüttelt
den Kopf, trinkt einen Schluck Bier. „Ich wollte mehr sein als der
Pausenclown, vor dem sich alle gruseln. Ich habe auch Gefühle.“
Wie wenig Eddies Gefühle geachtet wurden, zeigt eben jene Episode, die
endgültig zum Bruch mit der Band führte: „Ich sollte mich für Playgirl
ausziehen.“ Eddie gerät ins Stocken. Zu frisch sind die Wunden, zu tief
sitzt der Trennungsschmerz. „Unser Manager hielt das für eine tolle Idee.
Um den Menschen hinter dem Monster zu zeigen. Und die anderen in der Band,
die ich, trotz allem, für meine Freunde hielt, haben nur gelacht. Da war
für mich Schluss.“
Jetzt blickt Eddie nach vorn, bastelt an seiner Solokarriere. Das
Debütalbum „Only Human“ erscheint im Herbst, die Single „We are Family�…
ein Duett mit Kermit dem Frosch, ist bereits erhältlich. Außerdem engagiert
er sich in der Stiftung „Mascot Aid“, die für die Rechte von Maskottchen
eintritt und sich um deren Altersvorsorge kümmert. Eddie hat sie zusammen
mit prominenten Freunden wie dem endlich von seiner Kokainsucht
losgekommenen Duracell-Hasen, der Milka-Kuh, Walross Antje und Geißbock
Hennes ins Leben gerufen. Gerade nach der Karriere, wenn das Publikum sie
vergisst, fallen viele Maskottchen in ein tiefes Loch und geraten in die
Fänge von Alkohol (Wum und Wendelin), Drogen (Syd Barrett) oder falschen
Freunden (der Sarotti-Mohr).
Eddie steht auf, reicht uns zum Abschied die Hand. „Up the Irons“,
salutieren wir, doch der Rockgigant zuckt bloß mit den Schultern.
27 May 2014
## AUTOREN
Francis Kirps
## TAGS
Heavy Metal
Maskottchen
Ice Bucket Challenge
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
Jean-Claude Juncker
Neandertaler
Sotschi 2014
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