# taz.de -- Die Wahrheit: Das älteste Volk Europas | |
> Eine Studie bringt neue Erkenntnisse über den Ursprung der Eidgenossen. | |
> Für den Durchbruch sorgte eine Untersuchung von DJ Bobos Genmaterial. | |
Bild: Schon der Ur-Schweizer war neutral, behäbig und friedfertig. | |
„Skeptisch wurden wir, als die Schweiz sich strikt weigerte, an unserer | |
Gen-Studie teilzunehmen“, erinnert sich Svante Pääbo. Der schwedische | |
Paläogenetiker vom Max Planck-Institut hatte im Jahr 2006 eine umfassende | |
Studie gestartet, um festzustellen, ob sich im Erbgut des zeitgenössischen | |
Homo sapiens Genmaterial des Neandertalers befindet. Viele Nationen aus | |
West- und Mitteleuropa beteiligten sich an der Studie. Nur die Schweiz | |
weigerte sich strikt, DNS-Proben ihrer Bürger zur Verfügung zu stellen. | |
„Man ließ uns wissen, dass dies aus religiösen und kulturellen Gründen | |
nicht möglich sei. Den Schweizern sei ihr Blut und das Erbe ihrer Ahnen | |
eilig“, erklärt uns Pääbo kopfschüttelnd. Die Forscher gaben sich aber | |
nicht geschlagen. Über die Stockholmer Zweigstelle des DJ-Bobo-Fanclubs | |
gelangten sie nun an eine Haarlocke des beliebten Musikers, und ein | |
toskanischer Schönheitschirurg stellte jede Menge Zellmaterial von Michelle | |
Hunziker zur Verfügung. | |
Die Ergebnisse der vergleichenden Analyse waren, gelinde gesagt, | |
verblüffend: „Die Untersuchung von Bobos Genen ergab, dass sie zu 94 | |
Prozent mit denen des Neandertalers identisch sind, Hunzikers immerhin noch | |
zu 77 Prozent.“ | |
Die Ergebnisse wurden vorläufig geheim gehalten und nur an die Schweiz | |
weitergegeben, die sich daraufhin gesprächsbereit zeigte. Hinter | |
verschlossenen Tresortüren wurde eiligst ein Treffen mit den 26 | |
Kantonsältesten anberaumt. „Es war sehr emotional“, erinnert sich Pääbo. | |
„Viele der Greise und Greisinnen weinten, rauften sich die Haare aus.“ | |
Schließlich fasste der Älteste der Ältesten sich ein Herz und gab mit | |
brüchiger Stimme die Geschichte des ältesten Volkes Europas preis. | |
## Zänkische Sapiens, friedliche Neandertaler | |
Als die ersten Sapiens-Einwanderer in Westeuropa angelangt waren, hatten | |
die friedfertigen Neandertaler die schlotternden, nur in Baströckchen | |
gekleideten Neuankömmlinge freundlich empfangen. Die eher schamhaften | |
Neandertaler hatten ihnen gleich was Ordentliches zum Anziehen gegeben und | |
ihnen beigebracht, wie man multifunktionale Taschenfaustkeile anfertigt. | |
Doch die umtriebigen Einwanderer vermehrten sich wie die Karnickel, während | |
die behäbigen Neandertaler mit der Fortpflanzung nicht so recht nachkamen | |
und schnell in die Minderheit gerieten. | |
Zudem stellte sich heraus, dass Sapiens von eher zänkischem Wesen waren und | |
ständig Krieg untereinander führten. Die Neandertaler hatten sich strikt | |
neutral verhalten, um ihren eigenen Kram gekümmert und waren in immer | |
entlegenere Regionen ausgewichen, um ihre Ruhe zu haben. Als dann auch noch | |
das Wetter immer besser wurde, beschlossen sie eine große Wanderung zu | |
wagen, zu dem legendären Gebirge mitten in Europa, wo immer noch Eiszeit | |
herrschte und die letzten Mammuts leben sollten. Alle schworen einen Eid, | |
nicht innezuhalten, bis sie das gelobte Land aus Eis und Schnee erreicht | |
hätten. | |
## Schwingen und Steinstoßen | |
Unter Führung von Bundeshäuptling Rütli und Schamanenkanzlerin Ricola | |
begannen die Stämme Yura, Uri, Züri, Zuk, Gnf, Swyz, Ob, Nid, Ap und Zl den | |
beschwerlichen Marsch ins Unbekannte, den „Pfadi der Tränli“ Nach vielen | |
Entbehrungen kamen die 1291 überlebenden Neandertaler schließlich in den | |
Alpen an. Mammuts gab es zwar auch hier keine mehr, aber zumindest hatten | |
die Sapiens-Weicheier die unwirtliche Gegend nicht besiedelt. Und hier fand | |
das älteste Volk Europas einen Ort, wo es ungestört leben konnte, zusammen | |
mit anderen Relikten der Eiszeit wie Schneehuhn und -hase, Steinbock, Luchs | |
und Tatzelwurm. | |
Da sie damals noch dem Bärenkult anhingen, nannten sie ihre neue Hauptstadt | |
nach ihrem obersten Gott, dem Weltbären Bernie. Einige der | |
Neandertalertraditionen haben bis heute in den entlegenen Bergtälern | |
überlebt, so etwa das Jodeln, die urtümliche Verständigungsmethode der | |
Eiszeitjäger oder steinzeitliche Sportarten wie Hornussen, Schwingen und | |
Steinstoßen. Und auch das traditionelle Musikinstrument der Neandertaler, | |
ein riesiges, aus ganzen Mammutzähnen gefertigtes Blasinstrument, findet | |
seinen fernen Widerhall im heutigen Alphorn. | |
„Es fügt sich alles zusammen“, sagt Pääbo: Die unwahrscheinlich langen A… | |
Roger Federers, die buschig behaarten Überaugenwülste von Max Frisch, die | |
paläolithische Körpersprache eines Bruno Ganz, das uralte Geheimwissen, | |
über das Erich von Däniken offenbar verfügt, die erstaunlichen Fähigkeiten | |
Uri Gellers – all das liegt in den Neandertalergenen begründet. Sogar die | |
notorische Angst vor Überfremdung, die man den Schweizern nachsagt, | |
erscheint jetzt in einem anderen Licht, liegt sie doch in den bitteren | |
Erfahrungen begründet, welche die Neandertaler einst mit ihren | |
Sapiens-Nachbarn gemacht haben. | |
15 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Francis Kirps | |
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