# taz.de -- Brasilianische Rapperin: Feminismus mit drei Streifen | |
> Das brasilianische Badgirl Karol Conka bietet im Album „Batuk Freak“ | |
> fette Reime mit ätzendem Humor. Nun kommt sie nach Deutschland | |
Bild: Auch beim Zungezeigen eigenwillig: Karol Conka | |
Auf den offiziellen Fifa-Sampler zur Fußball-WM haben es immerhin zwei | |
brasilianische Raptracks geschafft. Einer stammt von Marcelo D2 aus Rio. | |
Nach erfolgreichen Alben und Kollaborationen mit der Sambapop-Größe Seu | |
Jorge und US-HipHop-Star Snoop Dogg zählt der 46-Jährige zu Brasiliens | |
international bekanntesten Künstlern. Der andere Song stammt von Karol | |
Conka, einer um 20 Jahre jüngeren Newcomerin aus der Provinz. | |
Beachtung schenkte man der Rapperin erstmals 2011 als ihr Song „Boa Noite“ | |
für den MTV-Music Award in Brasilien nominiert wurde. Siehe da, ihr 2013 | |
als Online-Version veröffentlichtes Debütalbum „Batuk Freak“ wird nun in | |
Europa vom Londoner Label Mr Bongo vertrieben. | |
Lange musste Conka an ihren Reimen basteln, bevor man auf sie aufmerksam | |
wurde. Schon mit 16 nahm sie an einem Schulwettbewerb teil und gewann mit | |
ihrem Beitrag den ersten Preis: eine Studioaufnahme. In ihrer Heimatstadt | |
Curitiba, der sogenannten „Vorbildstadt Lateinamerikas“, funktioniert zwar | |
aufgrund der clever geplanten und ökologiebewussten Urbanisierung der | |
öffentliche Nahverkehr, sonst aber gibt es wenig Aufregendes, über das | |
Conka rappen könnte. Das pulsierende Herz des brasilianischen HipHop | |
befindet sich 450 Kilometer weiter nördlich, in den Favelas der Megalopolis | |
São Paulo. | |
## Langsam, aber wirksam | |
„O meu processo apesar de ser lento pode fluir“ – Mein Prozess ist langsa… | |
dafür aber wirksam, reimt die junge Frau in „Você Não Vai“, der die | |
Bevormundung und Gängelung ihrer Kindheit heraufbeschwört. „Sou o que povo | |
prefere, meu estilo é o que difere“ – Das Volk erklärt mich zum Liebling, | |
mein Stil macht den Unterschied, feiert sie sich selbst in „Boa Noite“. | |
Conka ist nicht der Typ Frau, der so leicht den Kopf hängen lässt. Es | |
gelang ihr, den renommierten Produzenten Nave davon überzeugen, Beats für | |
„Batuk Freak“ beizusteuern – jener Nave, der bereits Marcelo D2 mit seiner | |
eigenwilligen Mischung aus Rap und Samba zum Durchbruch verhalf. | |
Auch Karol Conka verhalf Nave zu einer eigenen Klangsignatur, betont ihre | |
afro-brasilianischen Wurzeln, aber bohrt sie mit zeitgemäßen Elektrosounds | |
auf. So entpuppt sich „Batuk Freak“ als eine überaus effektvolle und | |
zugleich minimalistische Verbeugung vor Capoeira- und Candomblé-Rhythmen, | |
verknüpft mit dem synkopischen Groove des Baile Funk, der seit den späten | |
Neunzigern in den Favelas von Rio rumpelt. | |
Atabaque-Trommeln treffen auf Clapbeats, Pífano-Flöten flirten mit chunky | |
Snaredrums, während der gesampelte Gesang der Baianas Karol Conkas rauen | |
brasilianisch-portugiesischen Rap abrunden. Es scheint, als würde Conka in | |
direkter Linie zu dem 1997 verstorbenen Künstler Chico Science stehen, der | |
als einer der Erfinder des nordbrasilianischen Mangue-Beats gilt. | |
## Mangue Beat | |
Ein Subgenre, das Punk und Funk einst mit afrobrasilianischen Musikstilen | |
und manifestartigen gesellschaftskritischen Texten verwob. In Brasilien | |
wird Conkas Ansatz auch kritisiert. Einige Rapkollegen unterstellen ihr | |
etwa mangelndes politisches Bewusstsein, was Conka wiederum zurückweist. | |
Die große Consciência-Rap-Tradition Brasiliens schätze sie zwar, doch | |
tatsächlich verstünde sie sich nicht als linientreue HipHop-Aktivistin, | |
konterte die Rapperin. Sie lasse sich nicht zu einer Gallionsfigur machen, | |
sie spreche ausschließlich für sich selbst. | |
Zumal sich der Hang zum Hedonismus klar durch viele Songtexte zieht. Dabei | |
karikiert sie dessen Flüchtigkeit mit ätzendem Humor, sodass ihre Zeilen | |
über das selbstbewusste Dasein als exzentrische junge schwarze Frau umso | |
mehr in den Vordergrund treten. | |
Gesanglich wie musikalisch ist „Batuk Freak“ ein großer Wurf und ein fettes | |
Nein zu jeder Form von Normcore. „Die Welt gehört mir, die Welt gehört | |
euch“, rappt sie in „Corre Corre Erê“. Und zeigt damit, dass sie | |
selbstbewusst ist und schmerzbefreit: Mal rappt sie zu den Kuduro-Sounds | |
der Band Buraka Som Sistema für einen Adidas-Werbespot, mal tritt sie beim | |
feministischen Festival „Les Femmes S’en Mêlent“ in Paris auf. | |
Karol Conka will nach oben und bleibt sich doch treu. Und wir verfolgen | |
diesen spannenden Prozess mit Interesse. | |
26 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Elise Graton | |
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