# taz.de -- Der Aufstand im HipHop: Sie beherrschen alte Sprachen | |
> Dubsounds und Metatexte: das US-amerikanische HipHop-Duo Shabazz Palaces | |
> und sein experimentelles neues Album „Lese Majesty“. | |
Bild: Experimentierfreudig: Ishmael Butler alias Palaceer Lazaro. | |
Schon in den neunziger Jahren wirkte der New Yorker Rapper Ishmael Butler | |
mit seiner Crew Digable Planets einmal als Erneuerer des HipHop-Genres und | |
verortet ihn mit einem unfassbar lässigen Flow nahe beim Jazz. Dafür gab es | |
seinerzeit zu Recht einen Grammy. Ein geglückter Karrierestart für den | |
experimentierfreudigen Künstler. | |
Im Gespann mit dem Perkussionisten Tendai Maraire und zurück in seiner | |
Heimatstadt Seattle probt Butler unter dem Namen Shabazz Palaces seit 2011 | |
erneut den Aufstand im HipHop. Anstelle leicht verdaulicher Songstrukturen | |
und proliferierter Machismen boten Shabazz Palaces auf ihrem 2011 | |
erschienenem Debütalbum „Black Up“ fragmentierte Beats und Einflüsse | |
zwischen Jazz und Funk. Die Lyrics von MC Butler alias Palaceer Lazaro | |
proklamieren dazu dezidiert schwarzes Selbstbewusstsein. | |
So landete Butler erneut in zahlreichen Jahresbestenlisten. Der Neigung zur | |
künstlerischen Freiheit des Jazz geben die zwei nun endgültig nach. Nicht | |
die Perkussion, sondern psychedelische Ambientflächen sind auf „Lese | |
Majesty“ das entscheidende Stilmittel. Inszeniert als 18-teiliges | |
Konzeptalbum in sieben Suites, bilden verschmelzende Klangfarben und | |
tranceartige Grooves fortlaufend kaleidoskopische Muster, derweil Tremolo- | |
und Hall-Effekte die Synthieloops auskleiden. | |
## Der Fallschirm aus Instinkt und Befähigung | |
Die polychromen Texturen von Shabazz Palaces scheinen zu atmen, ihre | |
Rhythmusfiguren einem eigenen Stoffwechsel zu unterliegen. Butlers Verse | |
strahlen darüber erneut eine aufreizend souveräne Ruhe aus. „Unsere | |
Vorgehensweise ist nie genormt“, beschreibt Butler den Kompositionsprozess. | |
„Wir stürzen uns von der Klippe und hoffen, dass der Fallschirm aus | |
Instinkt und Befähigung aufgeht.“ | |
Shabazz Palaces’ HipHop-Begriff gibt also der Intuition den Vorzug vor dem | |
Intellekt. Während wabernde Dubsounds zum Versinken verführen, knüpfen die | |
Chiffretexte jedoch zugleich am Metatext an. Vor allem auf Afrofuturismus | |
wird referiert. | |
So verweisen Hieroglyphen im Artwork und Songtitel wie „Dawn In Luxor“ und | |
„New Black Wave“ auf den großen Afrofuturisten Sun Ra. In Analogie zur | |
Avantgarde-Legende greift Butler auf Ägypten als mythologischen | |
Ursprungsort zurück, um später „Space“, „Cosmos“ und „Galaxy“ zu … | |
Schauplätzen zu erklären. Das Album konzipiert der US-Künstler als | |
psychedelischen Trip durchs All, in dem Bruchstücke afrikanischer und | |
afroamerikanischer Geschichte vorbeitreiben. Space is wieder einmal the | |
place. | |
## Instinkt und Anspruch | |
Tendai Maraires Projekt Chimurenga Renaissance muss man an dieser Stelle | |
erwähnen. Der Sohn Dumisani Maraires, Meister der simbabwischen | |
Marimba-Variante Mbira, trug im März die afroamerikanische Kultur des | |
HipHop nach Afrika. Stilistisch vermischen sich auf dem Album „riZe vadZimu | |
riZe“ Synthierap und Reggae mit dem charakteristischen Klang der Mbira. Am | |
Mikrofon schlägt Maraire politische Töne an. Er, der sich selbst als „in | |
amerikanischer Armut erzogener Simbabwer“ bezeichnet, rappt gegen die | |
Unterdrückung, diesseits wie jenseits des Atlantiks. | |
Das Shona-Wort „Chimurenga“ bedeutet treffenderweise Revolution. Parallelen | |
zwischen Chimurenga Renaissance und Shabazz Palaces sind zahlreich. Durch | |
stark verschlüsselte Texte und frei fließende Arrangements transzendiert | |
„Lese Majesty“ allerdings jenen unmittelbaren Panafrikanismus. | |
Eher erinnert es an den seltsamen Neo-Psychedelic-Progrock von The Mars | |
Volta. So wie diese Latinsounds wie Salsa nebst Kunstsprache in den | |
Progrock brachten, berufen sich Butler und Maraire auf Jazzimprovisationen | |
und kryptische Metaphern als konstituierende Säulen: „We converse in | |
ancient languages.“ | |
Folglich demonstriert das Duo, dass sich kompositorischer Instinkt und | |
geistiger Anspruch nicht ausschließen. Exemplarisch für diese Verflechtung | |
steht „Noetic Noiromantics“ – ein Hinweis auf den Philosophen Edmund | |
Husserl. Im Sinne des Begründers der Phänomenologie stellen Shabazz Palaces | |
die aktive Sinnbildung, die Noesis, vor den starren Sinngehalt, das Noema. | |
Oder wie es [1][bereits auf „Black Up“] hieß: „If you talk about it / It… | |
a show / If you move about it / It’s a go.“ | |
10 Aug 2014 | |
## LINKS | |
[1] /!76175/ | |
## AUTOREN | |
Matthias Manthe | |
## TAGS | |
Debütalbum | |
HipHop | |
HipHop | |
Feminismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Experimentalpop von Clarence Clarity: Umarme die absolute Freiheit | |
Tolle Klangkarambolage aus Referenzen und Sinneseindrücken: "No Now", das | |
Debütalbum des britischen Elektronik-Produzenten Clarence Clarity. | |
Verbürgerlichung der Rap-Kultur: Marginalisiert mit Gemüseabo | |
Was wurde nur aus den bösen Buben und Vielrednern am Mikrofon? Es ist Zeit | |
für ein anständiges Hip-Hop-Battle. | |
Deutsche Rapperin Fiva: Evolution und nicht Biologie | |
Fiva geht mit ihrem neuen Album „Alles leuchtet“ auf Tour. Die Münchnerin | |
hat sich maximale künstlerische Freiheit erkämpft. | |
Brasilianische Rapperin: Feminismus mit drei Streifen | |
Das brasilianische Badgirl Karol Conka bietet im Album „Batuk Freak“ fette | |
Reime mit ätzendem Humor. Nun kommt sie nach Deutschland | |
Festival "Trans Musicales" in Rennes: Renitente Raver | |
"Trans Musicales" - Nirvana oder Naughty By Nature traten hier erstmals in | |
Europa auf. Das Festival ist eine Börse für junge Bands und DJs aus | |
Frankreich und Übersee. | |
Neues Album Shabazz Palaces "Black Up": Mehr Raum für den Spaceout | |
Das Debut-Album des Duos Shabazz Palaces ist so relaxed und elegant wie der | |
Sound der Native Tongues der späten Achtziger - ist aber soundmäßig up to | |
date. |