# taz.de -- Ikea auf Expansionskurs: Der Vormarsch in die Stadt | |
> In Hamburg eröffnet der erste City-Ikea. Die Mieten steigen, doch der | |
> Konzern geht in die Charme-Offensive: Schließlich hat er noch Großes vor. | |
Bild: Kreuzfahrtschiff mitten in Altona: Der neue City-Ikea. | |
HAMBURG taz | Ein Ufo ist gelandet. Keines aus dem Weltraum, aber dafür ein | |
stadtplanerisches. Wenn das am Montag in Hamburg-Altona, unweit des | |
Fernbahnhofs, offiziell die Türen öffnet, kann man sich dann noch einmal | |
vergewissern, dass der schwedische Möbelkonzern Ikea in ihm tatsächlich | |
sein komplettes Sortiment – und vielleicht ein bisschen mehr Schnickschnack | |
als sonst – an die kauffreudige Kundschaft zu bringen versucht. Alter Wein | |
in neuen Schläuchen also. Und doch ist es irgendwie neu. | |
Dass dieses Raumschiff dennoch in den Schlagzeilen landet, liegt nämlich | |
nicht nur daran, dass Ikea für die weltweit erste City-Filiale kräftig die | |
Werbetrommel rührt, sondern eher daran, dass solche Möbelhäuser in einer | |
Stadt gemeinhin so gar nichts verloren haben. Weil sie so viel Verkehr mit | |
sich bringen und die Umgebung verschandeln, findet man sie bislang an | |
Autobahnen in irgendwelchen Randlagen. Nicht aber in der Stadt. | |
Nun aber doch. Und um auch den skeptischen Zeitgenossen in bisschen milde | |
zu stimmen, hat Ikea versprochen, ein guter Nachbar zu sein. Sein dritter | |
Standort in Hamburg habe das Unternehmen vor große Herausforderungen | |
gestellt, sagt Simone Settergren, die Sprecherin für den Bereich Expansion. | |
Das kolossale Gebäude steht auf dem kleinsten Grundstück, das Ikea je | |
bebaut hat. „Wir sind aber überzeugt davon, dass wir da ideale Bedingungen | |
für diesen City-Store haben“, so Settergren. | |
Ganz anders sehen das die Ikea-Gegner, die sich in der Initiative „Kein | |
Ikea in Altona“ versammelt haben. Sie befürchten, dass die Eröffnung zum | |
Verkehrschaos führt, dass die Lebensqualität sich verschlechtert und ärmere | |
Bewohner und viele alte Läden aus dem Stadtteil verdrängt werden. | |
Wegen der zentralen Lage und der guten Erreichbarkeit hofft Ikea darauf, | |
dass möglichst jeder zweite Kunde auf das Auto verzichtet. An einem | |
Transportschalter im zweiten Obergeschoss kann man seine Lieferungen | |
abgeben. „Wenn man dort bis 18 Uhr seine Ware aufgibt, wird sie noch am | |
gleichen Tag geliefert“, so Ikea-Sprecherin Settergren. Das erste Paket | |
kostet 9,90 Euro, jedes weitere 6,90 Euro. | |
## Vermieter haben die Preise erhöht | |
Um von der neuen Innenstadtlage zu profitieren, hat Ikea ein Haus mit | |
großen Schaufenstern gebaut. Verglichen mit anderen Ikea-Filialen ist die | |
in Altona mit einer Verkaufsfläche von 18.000 Quadratmetern und einer | |
Bruttogeschossfläche von 40.000 Quadratmetern etwas kleiner geraten. | |
Zumindest die Rolltreppen, über die man die verschiedenen Etagen erreicht, | |
muten noch nach dem alten Karstadt-Kaufhaus an, das Ikea an dieser Stelle | |
beerbt. Hier, in der ältesten Fußgängerzone Deutschlands, verendete mit | |
dessen Schließung auch ein Hauch der alten Fortschrittshoffnung der | |
70er-Jahre. | |
Aber so unschuldig waren auch die schon nicht: Für den Bau des | |
Betonkaufhauses mit „Pariser Flair“ und der modernen Flaniermeile in der | |
Großen Bergstraße wurde auch damals schon verdrängt, die Bewohner wurden | |
aus den Altbauwohnungen getragen und in eine Großwohnsiedlung deportiert. | |
Als eine Antwort auf das alte Kaufhaus will sich Ikea nicht verstehen. „Das | |
ist nicht unser Selbstverständnis“, sagt Settergren. „Unsere Geschäftsidee | |
dreht sich ausschließlich um das Thema Einrichten, und speziell in Altona | |
haben wir die Idee, dass mit einem großen Frequenzbringer auch viele kleine | |
Einzelhändler gut leben können.“ | |
Sofern sie die Mieten noch bezahlen können. Denn mit der Entscheidung über | |
die Ansiedlung des Möbelhauses erhöhten viele Vermieter die Preise. In der | |
Großen Bergstraße, bisher einem stark migrantisch geprägten Viertel mit | |
Billigläden und türkischen Gemüsehändlern, sollen sich nun auch | |
besserverdienende Familien wohl fühlen. Denn auch Ikea ist heute nicht mehr | |
so frech und unverhohlen wie noch in den 70er-Jahren. Damals warb das | |
Unternehmen noch mit Slogans wie „Bei uns gibt’s was unter den Popo“ oder | |
„Nur stehen ist billiger“. Heute setzt Ikea auf das konservative, | |
bürgerlich-patriarchale Familienbild und das Heim (Slogan: „Weil Zuhause | |
der wichtigste Platz auf der Welt ist“). | |
## Ikea versus Wiesenpieper | |
In Bremerhaven, einem weiteren Experimentierfeld der konzerneigenen | |
Expansionsabteilung, verdrängt Ikea keine Menschen, dafür aber: zwei | |
Kiebitze, ein Feldschwirl, zwei Teichrohrsänger, einen Schilfrohrsänger, | |
einen Wiesenpieper, ein Blaukehlchen und andere, weniger seltene Arten. Die | |
haben laut Naturschutzbund Nabu ihre Brutplätze in der Rohrniederung, einem | |
Landschaftsschutzgebiet im Süden der Stadt. | |
Um die Kritik der Naturschützer zu befrieden, gibt es nun eine Regelung, | |
wonach das Gebiet in Zukunft unangetastet bleibt. „Daran haben auch wir ein | |
großes Interesse“, sagt Settergren. Weil das Möbelhaus auf diese Weise gut | |
sichtbar und erreichbar sei. | |
Dass der schwedische Möbelkonzern in eine der wirtschaftlich abgehängten | |
Regionen expandiert, ist bemerkenswert. Zumal weil die nächste Dependance | |
in Bremen-Brinkum mit genau 63,7 km gerade mal 48 Autominuten entfernt | |
liegt. | |
Doch Ikea testet in Bremerhaven das neue XS-Store-Konzept mit einer | |
Bruttogeschossfläche von 24.000 Quadratmetern, um künftig auch kleinere | |
Märkte mit weniger Kaufkraft zu erschließen. Dafür hatte Ikea vorher keine | |
guten Lösungen, erklärt Settergren. Gespart werden soll hier vor allem an | |
den Büroflächen für die Mitarbeiter. Der Kunde dagegen soll das beim | |
Einkauf ab dem kommenden Frühjahr kaum zu spüren bekommen, dass die | |
Kaufkraft der Bremerhavener nicht mehr trägt. | |
Bereits im März hatte Ikea das deutschlandweit erste Shoppingcenter unter | |
seiner Regie in Lübeck eröffnet. Rund 120 Millionen Euro haben Ikea | |
Deutschland und deren Tochterfirma Inter Ikea Centre Deutschland GmbH in | |
das Möbelhaus und eine Einkaufspassage mit rund 24.000 Quadratmetern | |
Verkaufsfläche investiert. Weil die benachbarten Städte Bad Schwartau und | |
Neustadt Nachteile für ihre Läden befürchten, haben sie beim | |
Verwaltungsgericht Schleswig gegen den Bebauungsplan geklagt. Fürs Erste | |
ohne Erfolg. | |
So leicht ist ein Player wie Ikea nicht aufzuhalten, denn der Konzern hat | |
große Pläne. So will die Tochter Inter Ikea auch in Deutschland „Budget | |
Design-Hotels“ und Studentenwohnheime bauen, die praktischerweise gleich | |
mit Ikea-Möbeln eingerichtet wären. In London plant Ikea sogar, einen | |
ganzen Stadtteil zu errichten – in der Nähe des Olympiaparks. | |
In Deutschland will der Konzern den Marktanteil im Einrichtungssegment in | |
zehn Jahren verdoppelt haben – auf dann 26 Prozent. | |
28 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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