| # taz.de -- Rhetorik des Kalten Krieges: Die Rückkehr des Ostens | |
| > Putin wirft dem Westen Konfrontation vor, die Nato sagt, Russland bedrohe | |
| > den Frieden. Warum sind „Wir“ und „Ihr“ so mächtig? | |
| Bild: Bilder aus Vergangenheit und Gegenwart: Wladimir Putin in einem Museum in… | |
| Am Dienstag dieser Woche steht der russische Präsident Wladimir Putin an | |
| einem Pult vor einem dunkelroten Vorhang in Moskau und sagt, wie zu Zeiten | |
| des Kalten Krieges sei der Westen auf Konfrontation und nicht auf | |
| Zusammenarbeit aus. | |
| Am Mittwoch dieser Woche steht der Nato-Generalsekretär Anders Fogh | |
| Rasmussen an einem Pult vor einer atlantikblauen Wand in Berlin und sagt: | |
| „Was Russland tut, bedroht den Frieden und die Sicherheit, die wir nach dem | |
| Fall der Berliner Mauer wieder aufgebaut haben“. | |
| In der Ukraine hatte die Armee gerade die zehntägige Waffenruhe nicht | |
| verlängert und ihren Einsatz gegen die pro-russischen Separatisten wieder | |
| aufgenommen. Mit dem Konflikt zwischen dem Osten und dem Westen des Landes | |
| geht auch der zwischen dem Osten und dem Westen der Welt weiter. | |
| Anders Fogh Rasmussen ist nach Deutschland gekommen, um mit der Kanzlerin | |
| über die Krise zu beraten. In seiner Abschlussrede spricht er von einem | |
| Berlin, das sich, einst getrennt durch eine Mauer, die den Kalten Krieg | |
| verkörperte, nun neu erfunden habe – „Ost und West vereint“. Von einem | |
| Europa, dass seither frei und in Frieden lebe. Er sagt: „Wir können keine | |
| neuen Trennlinien in Europa gebrauchen“. Deswegen fordere er Russland auf, | |
| seinen Kurs zu ändern und den langen Prozess zu beginnen, Vertrauen, dass | |
| es versprochen habe, wieder aufzubauen. | |
| Seine Botschaft ist klar: Russland ist der Aggressor, der Vertrauen | |
| zerbricht. Das westliche „Wir“ war es, das Sicherheit und Frieden schuf. | |
| Einige tausende Kilometer weiter sieht die Welt schon anders aus. In der | |
| außenpolitischen Rede, die am Dienstag im russischen Staatsfernsehen | |
| übertragen wird, wirft Wladimir Putin dem Westen vor, er wolle durch die | |
| Ukraine-Krise die gesamte Region destabilisieren. Die Ereignisse dort seien | |
| Ausdruck einer gegen Russland gerichteten Politik. Sein Land werde mit | |
| Sanktionen unter Druck gesetzt. | |
| ## Im Sendegebiet | |
| Warum sind die Bilder vom „Wir“ und „Ihr“ aus den Zeiten des Kalten Kri… | |
| 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer wieder so mächtig geworden? Warum | |
| diskutieren viele immer noch so gern entlang der Dichotomie von Ost und | |
| West? | |
| In der Titelgeschichte der [1][taz.am wochenende vom 5./6. Juli] geht der | |
| taz-Autor Norbert Mappes-Niediek der Frage nach, welche historischen Bilder | |
| und Projektionen in unseren Vorstellungen vom Osten stecken. Dabei sieht er | |
| die europäische Geschichte der letzten 100 Jahre als eine Geschichte der | |
| Osterweiterungen: 1945 überschritt das Modell des liberalen Staates den | |
| Rhein, 1989 die Elbe und 2014 den Dnjestr, womit es in der Ukraine | |
| angekommen war. | |
| „Das geografische Bild“, schreibt Mappes-Niediek, „leistet einem | |
| Missverständnis Vorschub: Es gibt kulturell nicht den Westen und den Osten, | |
| sondern, wenn schon, dann den Westen und den Nichtwesten.“ Der Westen sei | |
| der Sender, der Rest der Welt Empfangsgebiet. „Überall im Sendegebiet | |
| gruppieren sich Geisteswelt und Politik in prowestliche Empfänger und in | |
| Verweigerer. Die einen wollen es so machen wie die im Westen. Die anderen | |
| beharren auf ihrer hergebrachten oder einer neu konstruierten Identität. Je | |
| stärker die Signale des Senders West, desto heftiger streiten die beiden | |
| Fraktionen.“ | |
| So sieht Mappus-Niedeck etwa in Putins Anti-Homo-Politik und Protesten | |
| gegen Gay-Pride-Paraden auf dem Balkan eine solche gezielte Abgrenzung, die | |
| allerdings nichts mit kultureller Homophobie zu tun habe: „Noch vor zwanzig | |
| Jahren bekamen Schwule in Belgrad oder Warschau leichter ein Hotelzimmer | |
| als in Köln oder in Neapel.“ | |
| Ist es eurozentrisch, die politischen Entwicklungen im Osten als Reaktion | |
| auf eine West-Realität zu erklären? Spielen Ost-West-Vorurteile wirklich | |
| eine Rolle im Ukraine-Konflikt – oder werden sie nur vorgeschoben, um | |
| andere Motive zu kaschieren? Und kann man im Jahr 2014 überhaupt noch von | |
| Osten und Westen sprechen? | |
| Diskutieren Sie mit! Die Titelgeschichte „Nicht Westen“ lesen Sie in der | |
| [2][taz.am wochenende vom 5./6. Juli.] | |
| 4 Jul 2014 | |
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| [2] /Ausgabe-vom-5/6-Juli-2014/!141631/ | |
| ## AUTOREN | |
| Luise Strothmann | |
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