# taz.de -- Die Wahrheit: Auto, Motor und Gott | |
> Die katholische Kirche übernimmt den Pannendienst des in die Krise | |
> geratenen ADAC und sendet ihre violetten Engel künftig zu spiritueller | |
> Starthilfe aus. | |
Bild: Einsätze mit dem Rettungs-Heli sind beim KDAC natürlich Chefsache. | |
Neben dem Standstreifen der Autobahn tost der Berufsverkehr. Aber der | |
Pannenhelfer des KDAC hat die Ruhe weg. Pater Emanuel Mörle beugt sich über | |
den kochenden Kühler eines liegengebliebenen, 20 Jahre alten Opel Omega. | |
Mit geübtem Griff löst er eine Schellenverbindung, wechselt den porösen | |
Schlauch aus und zieht die Schelle wieder fest. Jetzt muss der Kühler nur | |
noch mit Weihwasser befüllt werden und dann kann die Fahrt weitergehen. Als | |
Mörle fertig ist, streicht er sich die Soutane glatt und betrachtet mit | |
Wohlgefallen sein Werk. Der Opel-Fahrer wirft seinen Obulus in den | |
Klingelbeutel des Katholischen Deutschen Automobilclubs, woraufhin sich der | |
„violette Engel“ Mörle vom beglückten Havaristen mit einem herzlichen | |
„Vergelt’s Gott“ verabschiedet. | |
Dann wendet er sich dem Reporter zu. „Wir wollen die Menschen dort abholen, | |
wo sie Hilfe benötigen. Wenn sie spüren, dass sie bei uns in guten Händen | |
sind, wird das in der einen oder anderen Form unserer großen Gemeinschaft | |
zugute kommen.“ Die große Gemeinschaft, das ist die katholische Kirche. | |
Seitdem sie vom krisengeschüttelten ADAC den Bereich Pannenhilfe übernommen | |
und den kircheneigenen Pannendienst KDAC aufgebaut hat, ist Pater Emanuel | |
Mörle mit seinem violetten Pannenhilfsfahrzeug auf Bayerns Straßen | |
unterwegs. „Und wissen Sie was – wir von der katholischen Kirche kennen uns | |
mit Engeln nun mal am besten aus.“ An Selbstbewusstsein mangelt es Pater | |
Mörle, der früher in der Jugendarbeit tätig war, also schon mal nicht – | |
aber kann er, kann die katholische Kirche ein so sensibles Geschäft wie die | |
Errettung des deutschen Autofahrers aus höchster Motoristennot wirklich im | |
Alleingang stemmen? | |
„Die Kirche hat in ihrer Geschichte schon ganz andere, unlösbar scheinende | |
Aufgaben bewältigt. Wer mit Hexen, Ketzern und Pädophilennetzwerken fertig | |
geworden ist, dem muss vor einem Kolbenfresser nicht bange sein“, meint | |
Waldemar Birklet, Chefredakteur von auto motor und gott, der | |
Mitgliederzeitschrift des KDAC. Einen schönen Nebeneffekt hat der Einstieg | |
der katholischen Kirche ins Mobilitätsbusiness in jedem Fall, wie Birklet | |
nicht müde wird zu betonen. „Unser drive&pray-Schutzbrief ist ein äußerst | |
attraktives Angebot nicht nur für unsere Bestandskunden – wir hoffen, mit | |
unserer Service-Offensive auch eine Vielzahl neuer Kunden generieren zu | |
können. Haben Sie vielleicht Interesse?“ | |
Die Anbiederung an den motorisierten Teil der Menschheit hat Tradition in | |
den christlichen Kirchen: Autobahnkirchen, Biker-Gottesdienste, | |
Motorrad-Pilgern oder Autofasten – der Duft von Abgaswolken und Gummiabrieb | |
scheint so manchem Kleriker vertrauter zu sein als der von Weihrauch und | |
Myrrhe, das Kamener Kreuz näher zu liegen als das Kruzifix im | |
Herrgottswinkel. Nun also wird mit dem KDAC die bislang punktuelle | |
Ranschmeiße auf eine solide organisatorische Basis gestellt. Damit das | |
kühne Projekt gelingt, müssen aber auch jene Gläubigen, die ihre | |
ADAC-Mitgliedschaft gekündigt haben, auf den Highway der Seligen | |
zurückgeführt werden. Ganz so einfach, wie amg-Mann Birklet Glauben machen | |
möchte, wird das allerdings nicht. Zu tief sitzen die Verwundungen durch | |
den Machtmissbrauch der greisen ADAC-Führungsclique. „Die haben sich ja | |
benommen, als ob sie unfehlbar und von Gott eingesetzt wären“, gibt auch | |
Birklet zu. „Aber auch unsere Kirche kann noch flexibler und durchsichtiger | |
werden“, predigt der studierte Theologe weiter: „Genau wie das Papamobil, | |
das Sie als Premiummitglied übrigens für Taufen und Hochzeiten nutzen | |
können.“ Tatsächlich lässt die Kirche nichts unversucht, die | |
Glaubens-Community der Motorisierten mit spürbaren Zusatznutzen zu | |
begeistern. | |
Aber ob das mit biederen Computerspielen wie „World of Godcraft“ oder „I�… | |
a believer“-Aufklebern tatsächlich gelingen wird, bleibt abzuwarten. Zu | |
beobachten ist dagegen jetzt schon ein Rückfall in überwunden geglaubte | |
Methoden der Mitgliederwerbung. Gingen die Drückerkolonnen des ADAC in | |
Diskotheken, um Jugendliche für den Klub zu gewinnen, betreibt die | |
katholische Kirche eine ähnlich schamlose „Kaltakquise“ in ihren | |
Gotteshäusern. Mathilde Dorfner aus Weigersheim weiß davon ein Lied zu | |
singen. „Ich war im Beichtstuhl und hatte eben meine Beichte abgelegt, da | |
schob mir Hochwürden ein Formular zu, das ich unterschreiben sollte. Das | |
wäre gut für mein Seelenheil.“ Die rüstige Katholikin, die nie den | |
Führerschein gemacht hat, unterschrieb – und ist jetzt mit ihren 103 Jahren | |
sicherlich das älteste Mitglied im KDAC. | |
8 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Rüdiger Kind | |
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